Eisschnelllauf:Blutdoping-Affäre: Claudia Pechstein gesperrt

Ein Paukenschlag erschüttert den deutschen Sport: Claudia Pechstein, Deutschlands erfolgreichste Winterolympionikin, ist wegen Blutdopings für zwei Jahre gesperrt worden. In Vancouver 2010 ist sie wohl nicht dabei. Ihr Anwalt kündigte Einspruch an.

Auf einen Titel ist Claudia Pechstein immer besonders stolz gewesen: "Erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin". Das Management dichtete der Eisschnellläuferin sogar gerne noch den Zusatz "aller Zeiten" dazu, so, als könne es auch in Zukunft garantiert nie eine Bessere geben.

Eisschnelllauf: Claudia Pechstein ist wegen Blutdopings gesperrt worden.

Claudia Pechstein ist wegen Blutdopings gesperrt worden.

(Foto: Foto: dpa)

Pechsteins sportliche Bilanz ist fürwahr beeindruckend: Fünf Gold-, zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen hat die Berlinerin seit den Olympischen Spielen 1992 in Albertville gesammelt. Dazu kamen 34 WM- und zehn EM-Medaillen. Claudia Pechstein ist schon 37. Trotzdem wollte sie auch noch an Olympia in Vancouver teilnehmen. Wollte. Der Plan liegt auf Eis, seit am Freitag ein Paukenschlag den gesamten deutschen Sport erschütterte: Am Abend gab die Internationale Eislaufunion ISU bekannt, dass Claudia Pechstein des Blutdopings überführt wurde.

Der Fall ist bereits durch die ersten Instanzen des Sportrechts gegangen. Das Urteil: zwei Jahre Sperre. Für einen Sportler in Pechsteins Alter bedeutet das lebenslänglich. So wie es aussieht, wird sich die Polizeihauptmeisterin der Bundespolizei einen neuen Haupterwerb suchen müssen.

Früher Verdacht

Wobei Pechsteins Anwalt Simon Bergmann schon Einspruch gegen die Sperre beim Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne eingelegt hat, wie Bergmann der Deutschen Presse-Agentur sagte. "Es gibt keinen einzigen positiven Befund, sie ist ohne positive Doping-Probe verurteilt worden", erklärte Bergmann, "Claudia ist anhand von Indizien verurteilt worden."

Pechstein wurde durch ein Programm überführt, das die ISU 1999 begann. Es heißt SAFE, was für Safe and Fair Event Testing steht. Bei den Tests, für die regelmäßig Blut- und Urinproben gesammelt werden, geht es nicht nur darum, Dopingsünder direkt zu überführen. Aus den über einen längeren Zeitraum erstellten Blutprofil lässt sich beispielsweise auch schließen, ob ein Athlet getrickst hat, in dem er sich eigenes Blut abnehmen und mit illegalen Methoden behandeln ließ.

Die Indizienkette, die gegen Pechstein gefunden werden konnte, muss sehr stark sein. Aufgrund unregelmäßiger Blutwerte ist bisher noch kein Athlet gesperrt worden. Bei der Allround-WM am 7.und 8. Februar in Hamar gab Pechstein eine Probe ab, welche die Experten endgültig stutzen ließ.

Am 5. März landete der Fall in der Disziplinarkomission der ISU. Nachdem alle Belege schriftlich ausformuliert waren, Pechstein und die Deutsche-Eisschnelllaufgemeinschaft DESG sich geäußert hatten und Experten-Meinungen eingeholt worden waren, gab es am 29. und 30.Juni eine weitere Sitzung der ISU-Disziplinarkomission zu dem Fall in Bern. Zeugen traten auf. Und fünf Experten. Die Entscheidung, Pechstein zu sperren, fiel am 1. Juli.

Die Gewissenhaftigkeit des Sportverbandes beim Vorgehen gegen Pechstein ist nicht nur aus juristischen Gründen nachvollziehbar: Pechstein ist die bekannteste Eisschnellläuferin, der zumindest der Betrugsversuch nachgewiesen werden kann. In den vergangenen Jahren hatte sich die ISU immer wieder damit gerühmt, dass es in ihren Reihen im Vergleich zu anderen Ausdauersportarten wenige Verdachtsfälle gebe.

Noch im März hatte DESG-Präsident Gerd Heinze der niederländischen Journalistin Ria Visser mit rechtlichen Schritten gedroht, als die einstige Eisschnellläuferin beim Weltcup-Finale in Salt Lake City in einer Live-Sendung des niederländischen TV-Senders NOS erwähnte, sie habe Gerüchte gehört, im deutschen Team gebe es einen Dopingfall. Helge Jasch, der Chef des DESG-Teams, sagte damals: "Ich gehe davon aus, dass unsere Athleten mehr trainieren als die anderen." Zu rechtlichen Schritten kam es nicht.

Auch jetzt stützt die DESG Claudia Pechstein, die nach einer Umstrukturierung der DESG-Förderung nach Olympia 2006 vorwiegend mit Norwegens Männer-Nationalteam um Coach Peter Mueller trainierte. In einer Erklärung kündigte der Verband an, ebenfalls Berufung einzulegen: "Die DESG steht an der Seite der Athletin."

Pechstein selbst weise den Blutdoping-Vorwurf zurück, der allein auf auffälligen Retikulozyten-Werten basiere; Retikulozyten sind junge rote Blutkörperchen. Im DESG-Schreiben heißt es: "Im Verfahren hinzugezogene Sachverständige hielten die von der ISU erhobenen Daten wegen offenkundiger Fehler nicht für verlässlich." Der Weltverband wiederum muss sich seiner Sache sehr sicher sein, sonst hätte er diesen Präzedenzfall wohl kaum riskiert.

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