Deutsche Paare bei der Eiskunstlauf-EM:Der Tanz um Gold hat begonnen

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Kufenkunst mit Todesspirale: Minerva Hase und Nikita Wolodin sind in Tallinn vielversprechend in den Wettkampf gestartet. (Foto: Sergei Grits/AP)

Bei der Eiskunstlauf-EM liegen die Paarläufer Minerva Hase/Nikita Wolodin nach dem Kurzprogramm auf Rang eins. Nach ihrem rasanten Aufstieg streben sie nun den ersten internationalen Titel an.

Von Barbara Klimke

Eiskunstlauf ist ein Sport der Kuriositäten – unter anderem deshalb, weil der Winter auf dem Eis aus zwei Jahreszeiten besteht. Im Herbst drehen die Besten wie die Berliner Paarläufer Minerva Hase/Nikita Wolodin in der Grand-Prix-Serie ihre Pirouetten, in einer Reihe von hochklassigen Einladungsturnieren. Aber erst Ende Januar, nach dem Jahreswechsel, wird es wirklich ernst: Denn dann, nach einer Pause von zwei Monaten, beginnt bei den Europameisterschaften der wahre Tanz um Gold.

Für Minerva Hase, 25, bedeutet das, Beständigkeit zu zeigen bei den Sprüngen, Würfen und der spektakulären Wirbelei durch die Luft. Mit Nikita Wolodin, ihrem aus St. Petersburg stammenden gleichaltrigen Partner, hat sie im Dezember das Grand-Prix-Finale gewonnen: Sie sind also offiziell die Herbstmeister im internationalen Kufentanz. Und deshalb kann ihr Anspruch bei der EM in Tallinn nur lauten, „an die Leistungen der ersten Hälfte anzuknüpfen“, wie es Minerva Hase unprätentiös vor Wettkampfbeginn formulierte.

Eiskunstlauf
:Chickaboom!

Die Paarläufer Minerva Hase und Nikita Wolodin weisen eine nahezu makellose Bilanz auf und wollen in Oberstdorf ihren nationalen Titel verteidigen. Ziel ist Olympia – sofern der Russe Wolodin rechtzeitig einen deutschen Pass erhält.

Von Barbara Klimke

Im ersten Teil, dem Kurzprogramm zum Blues „Your were mine“ von Tami Neilson, ist ihnen das am Mittwoch fabelhaft gelungen. Sie mussten lange warten und kamen als letztes der 18 Paare aufs Eis, aber gleich das erste Element, der Wurf-Twist, bei dem die Läuferin dreimal um die Längsachse spindelt, ehe ihr Partner sie wieder fängt, wurde von den Juroren mit Bonuspunkten benotet. Minerva Hase und Nikita Wolodin gestatteten sich kaum eine Unsicherheit; nur wegen eines vermeintlichen Zeitfehlers gab es einen Punktabzug. Es sei „ein ordentliches Stück Arbeit“, gewesen, sagten sie hinterher erleichtert. Die Konkurrenz führen sie mit 71,59 Punkten souverän vor den Italienern Sara Conti/Niccolo Macii, den Europameistern von 2023, an; die Entscheidung fällt am Donnerstagabend in der Kür.

Am Eislaufhimmel haben Hase/Wolodin zuletzt kometenhaft ihre Bahn gezogen, schon in ihrer ersten gemeinsamen Saison sind sie voriges Jahr bis auf Platz drei der Weltmeisterschaft aufgestiegen; in diesem wie im letzten Jahr dominierten sie den Grand Prix, was noch fehlt, ist der erste Titel eines großen Championats. Im Dezember haben sie sich trotzdem ein wenig aufrappeln müssen nach der deutschen Meisterschaft, als ihnen einige untypische Fehler samt unplanmäßigem Bodenkontakt unterliefen. Die Unkonzentriertheiten führten sie damals auf den Kräfteverschleiß nach den Anstrengungen des Grand-Prix-Siegs zurück und auf fehlende Anspannung wegen eines Mangels an nationaler Konkurrenz; neben ihnen war nur das junge Chemnitzer Duo Letizia Roscher/Luis Schuster angetreten.

Hocke/Kunkel liegen nach dem Kurzprogramm auf Rang fünf

Vor dem Eislaufwinter Teil II sann ihr russischer Trainer Dmitri Sawin deshalb auf Abhilfe und beraumte im Januar ein zehntägiges Trainingslager am Stützpunkt Berlin an. Sawin, der das Duo normalerweise nur bei Wettkämpfen begleitet, lud weitere von ihm betreute Paare aus Ungarn, den Niederlanden und Polen ein. Letizia Roscher/Luis Schuster, die nach dem Kurzprogramm Zwölfte sind, trainierten in diesem Kreis ebenfalls mit.

Der Paarlauf ist in der Deutschen Eislauf-Union schon seit Jahren die mit Abstand erfolgreichste, innovativste Disziplin; und auch die einzige Sparte, in welcher der Verband in Tallinn Glanz und Gloria erwarten darf. Im Solo der Frauen hat Kristina Isaev, 24, die Meisterin aus Mannheim, am Mittwochabend die Qualifikation für das Kür-Finale verpasst, weil ihr gleich zu Beginn die Sprungkombination missriet; in Führung liegt die Europameisterin von 2023, Anastasija Gubanowa aus Georgien, knapp vor der Estin Niina Petrokina und Kimmy Repond aus der Schweiz.

Wenn es um den Glanz der Medaillen geht, darf in Tallinn allerdings auch das zweite deutsche Spitzenduo, Annika Hocke, 24, und Robert Kunkel, 25, noch hoffen. Die Berliner Paarläufer, die am Eislaufzentrum in Bergamo trainieren, waren 2023 schon EM-Dritte, im letzten Jahr unter den fünf Besten der WM. Diesmal reisten sie ohne große Wettkampfpraxis an. Annika Hocke hatte zuletzt wegen einer Fußverletzung, eines Knochenmarködems, pausieren müssen. Sie verzichtete auf die Teilnahme an der deutschen Meisterschaft, ließ sich behandeln, vermied es 14 Tage lang, einen Schlittschuh anzuziehen – und kam nun im EM-Kurzprogramm mit ihrem Partner trotz eines kleinen Fehlers beim Wurf-Rittberger (62,68 Punkte) auf Platz fünf.

„Der Fuß hält“, sagte sie vor dem ersten Auftritt in Tallinn, wenngleich der Heilungsprozess noch nicht abgeschlossen sei. Jetzt hat der Fuß auch die Rock ’n’ Roll-Nummer auf Kufen im Kurzprogramm bravourös überstanden: Der Tanz um Gold hat gerade erst begonnen.

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