Graz (dpa) - Es sollte der große Sprung nach vorn werden, stattdessen endete die Eiskunstlauf-EM in Graz für Nicole Schott mit Tränen und Verzweiflung.
„Einfach in die Tonne kloppen und vergessen“, befand die deutsche Serienmeisterin nach ihrer Kür am Samstagabend verheult. „Das war der schlechteste Wettkampf der Saison. Doof, dass es bei der EM war.“ Die 23-Jährige galt als sichere Bank der Deutschen Eislauf-Union und war als weiblicher Gegenentwurf zu Russlands jungen Sprung-Wundern angetreten: künstlerische Reife gegen technische Weltklasse.
Die Essenerin konnte weder im Kurzprogramm noch in der Kür am Samstag diesen Anspruch erfüllen. Beide Vorträge waren fehlerhaft und ohne jene Ausstrahlung, mit der Schott unter die besten sechs Europas kommen wollte. Stattdessen landete sie auf Platz 13. „Ich hatte mit mir und meinem Kopf zu kämpfen“, bekannte Schott. „Ich bin ein Mensch und kein Roboter.“
Sie ist aber eine Athletin, die offenbar schnell etwas aus der Bahn wirft, wie die nicht gravierenden Leistenprobleme vor der EM. „Dass sie so fragil ist, muss sie aufarbeiten“, sagte DEU-Sportdirektor Udo Dönsdorf. Auch ihr Trainer Michael Huth sieht dies als ihr Problem: „Mentale Dinge muss sie schneller wegdrücken. Ich würde sie gerne etwas verhärten.“
Was die harte russische Eislauf-Schule hervorbringt, zeigten drei virtuos hüpfende Teenager mit vierfachen Toeloops, Lutz' und Salchows oder dreifachem Axel. Von ihnen ist die neue Europameisterin Aljona Kostornaja (16) die Älteste. Anna Tscherbakowa und Alexandra Trusowa, die Silber und Bronze holten, sind erst 15. Das Trio dürfte auch bei der WM im März in Montreal alles abräumen - und in der Kritik sein.
„Mir ist das zu kindlich. Ich finde das nicht so schön für den Sport“, meinte Dönsdorf. Fraglich ist zudem, ob die Karrieren länger dauern als jene von Alina Sagitowa: Sie trat nach Olympiasieg, WM- und EM-Erfolg mit 19 Jahren zurück. „Da steht dann schon die nächste junge Läuferin, das ist wie aus einer Fabrik“, sagte der DEU-Sportchef.
Überhaupt ist die russische Dominanz selten so groß gewesen wie in Graz. Zehn von zwölf Edelmetallen - darunter alle vier aus Gold - gewann die Eiskunstlauf-Supermacht. „Der Sport lebt von der Konkurrenz. Die Entwicklung ist deshalb nicht gut“, sagte Dönsdorf zu den „russischen Meisterschaften“.
Auch wenn seine DEU-Asse nichts mit der Medaillenvergabe zu tun hatten, zeigte er sich insgesamt zufrieden über das Erreichte. Dazu gehörten die fünften und siebten Plätze für die Paarläufer Minerva-Fabienne Hase/Nolan Seegert und Annika Hocke/Robert Kunkel sowie Rang acht für Paul Fentz.