Eiskunstlauf:Eidechse auf dem Eis

Javier Fernandez of Spain competes in the men's free skating program during the ISU World Figure Skating Championship in Shanghai

Der Barbier von Sevilla - dargestellt von Javier Fernandez.

(Foto: Carlos Barria/Reuters)

Erstmals überhaupt wird ein Spanier Kunstlauf-Weltmeister. Javier Fernandez besiegt Titelverteidiger Yuzuru Hanyu aus Japan.

Kein Osterhase aus Schokolade war vor Javier Fernandez sicher. Ziemlich gut gelaunt, mampfend und mit viel Charme überstand der Eiskunstlauf-Weltmeister die einstündige Pressekonferenz um Mitternacht in Shanghai. "Die Goldmedaille übersteigt meine höchsten Träume. Wissen Sie, meine erste kleine Trainingshalle in Madrid ist heute ein Restaurant", erklärte der Wintersport-Exot und brachte Konkurrenten, Trainer und Reporter zum Lachen. Seit nun schon 119 Jahren werden die Weltmeister im Eiskunstlauf ermittelt, und erstmals saß ein Spanier im Zentrum auf dem Siegerpodium.

Die heimische Presse feierte ihn als "Eidechse auf dem Eis". Er war stets nervös und unruhig in der Schule, seine Kameraden gaben ihm den Spitznamen. Am Sonntag gratulierte nun Ministerpräsident Mariano Rajoy per Twitter zur historischen Leistung. Mit einer Liebeserklärung an seine japanische Freundin Miki Ando beendete Fernandez die unterhaltsame Fragestunde: "Sie ist eine zweimalige Weltmeisterin, sie hilft mir, und ein Stück der Medaille gehört ihr."

Wegen der Affinität zu Asien und seines großen Show- und Sprungtalents nahmen es ihm die 17 000 Zuschauer im Oriental Sports Center auch nicht übel, dass er als "Barbier von Sevilla" erstmals den Olympiasieger und Trainingskollegen Yuzuru Hanyu übertrumpfe. Hunderte von Teddybären prasselten für den Japaner auf das Eis, obwohl der Titelverteidiger nach Knöchelproblemen den Vierfach-Salchow aufriss und beim Toeloop stürzte. Nicht viel weniger Begeisterung löste danach der Energie-geladene dreimalige Europameister mit seinen gestandenen zwei Höchstschwierigkeiten aus.

Die beiden Kumpel lagen sich hinterher vor Freude in Armen. Kurios war die Situation wieder einmal für den Kanadier Brian Orser, 53, den Weltmeister von 1987, der an der Bande mit beiden mitfieberte. Denn beide werden in Toronto von Orser trainiert. "Mein Coach ist wie mein Vater, mein Freund und mein Feind. Er bringt mir Medikamente, wenn ich krank bin und kocht für mich. Aber wenn ich nicht trainiere, wird er richtig böse", erzählte Fernandez.

Und genau deshalb verließ der Anhänger von Real Madrid früh seine Heimat Richtung Toronto. Wie einst die Koreanerin Kim Yu-Na und zuletzt Hanyu soll Orser ihn zum Olympiasieger 2018 machen. "Ich versuche, diesen schönen Sport in Spanien zu entwickeln, und ich versuche, selbst darin zu wachsen", sagte der 23-Jährige: "Wenn du nicht arbeitest, schaffst du es nicht." Und wie Fernandez gearbeitet hat, seit 2007, seit er in Tokio seine erste WM-Teilnahme als 35. abgeschlossen hatte: "Damals kam ich mir vor wie ein Eskimo, der Beachvolleyball spielt."

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