Eiskunstlauf:Der Paarlauf bleibt Paradedisziplin

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Auch Eiskunstläufer Nolan Seegert (rechts) wartet in Peking auf eine bessere Ausstattung in seiner Isolation. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Die Debatte über den entlassenen Paarlauf-Bundestrainer Alexander König überschattet die Meisterschaften, bei denen Nicole Schott ihren sechsten Titel gewinnt.

Von Barbara Klimke, Neuss

Am Ende, als alle Spuren ins Eis gezeichnet waren und die große gedankliche Linie sich schon bis in die Feiertage zog, ließ sich das brisante Kufenthema dieses Wettkampfwochenendes in Neuss dann doch nicht mehr elegant umkurven. Drei freie Tage, so erzählten die Paarlauf-Meister Minerva Hase und Nolan Seegert, werden sie sich nach den Strapazen gönnen, dann in Berlin trainieren, ehe sie nach Weihnachten, am 26. Dezember, wieder zur Eislauflaufschule in Sotschi an die Schwarzmeerküste fliegen. Und wer steht in Berlin an der Bande? Sie arbeiteten dort mit Alexander König, erklärte Seegert: "Er ist unser Ansprechpartner in Deutschland, das haben wir im August entschieden, das werden wir auch weiter so führen." Jener Alexander König also, den die Deutsche Eislauf-Union (DEU) im Herbst als Paarlauf-Bundestrainer Knall auf Fall entlassen hat.

König, 55, wird das deutsche Spitzenpaar ehrenamtlich betreuen. Der Trainer, der 2018 Aljona Savchenko/Bruno Massot zur Goldmedaille bei den Olympischen Winterspielen leitete, hat sich arbeitslos gemeldet, nachdem eine Unterredung mit DEU-Präsident Dieter Hillebrand im September, die als Personalgespräch begann, abrupt mit der Unterzeichnung eines einvernehmlichen Auflösungsvertrags endete. Als Grund führt die DEU in Person ihres Geschäftsführers Alexander Wetzel ein Ausbleiben der "erwünschten Impulse für die Perspektive und Entwicklung der Disziplin Paarlaufen" an. König hatte nach eigener Auskunft eher den Eindruck, der Verband halte ihn für unterbeschäftigt, seit Hase/Seegert im Sommer von Trainerin Romy Oesterreich zum russischen Kollegen Dimitri Sawin wechselten, der früher oft nach Berlin gekommen war.

Für Minerva Hase war der Abschied Königs aus dem Verband "ein Schock"

Sogar im dreiköpfigen DEU-Präsidium ist die Trennung umstritten. In einer Petition eines Paarlauf-Fanklubs zur Wiedereinstellung äußern viele Unmut und Unverständnis. Für Minerva Haase war es "ein Schock", dass König "mitten in der Olympia-Saison nicht mehr als Bundestrainer agiert", wie sie in Neuss sagte.

Bis heute hat der Abschied, der laut König zum 1. November wirksam wurde, mit keiner Zeile Erwähnung auf der Homepage des Verbands gefunden, sieht man von der Leerstelle im Mitarbeiterverzeichnis "N.N. (Bundestrainer Paarlaufen)" ab. Eine solche Kommunikationsstrategie hat nun dazu geführt, dass just das Jahrestreffen der Eiskunstlaufgemeinde, die deutschen Meisterschaften in Neuss, von der Debatte überschattet wurde und ausgerechnet die Darbietungen der Athleten überlagerte.

Dazu zählte auch die wunderbare Kür von Nicole Schott, mit der sie sich in der Eishalle im Südpark zur Besten kürte. Sechs nationale Titel hat Schott, 25, nun gesammelt, "das haben in den letzten hundert Jahren nicht so viele geschafft", stellte sie lächelnd fest. In den vergilbten Bildbänden ihres Sports ließe sich etwa zu den Fotos von Ellen Brockhöft vom Berliner Schlittschuhclub, siebenmalige Meisterin im weitschwingenden Faltenrock der 1920er Jahre, zurückblättern. Um zu den DDR-Stars aufzuschließen, zu Katarina Witt (acht Titel) oder Rekordmeisterin Gabriele Seyfert (zehn Titel), müsste Nicole Schott allerdings noch ein paar Jährchen anhängen.

Vorerst ist sie weiterhin stilgebend hierzulande mit ihrer Präzision und Kufentechnik. Auch die Zweite, Kristina Isaev, 20, aus Mannheim, erklärte, dass Schott ihr in vielem ein Qualitätsvorbild sei, bei Pirouetten zum Beispiel. Sie war die Einzige, die ihr Paroli bieten konnte.

Auch in der Männerkonkurrenz geht der Trend zum Seriensieger: Paul Fentz, 29, aus Berlin gewann seinen vierten Titel. In Neuss war er der Einzige, der dem Publikum, das nach dem Prinzip 2-G+ Einlass fand, einen Vierfach-Toeloop vorführte. Allerdings hat er, anders als Nicole Schott, die Olympia-Qualifikation verpasst und daraufhin im Herbst den Kaderstatus in der DEU verloren - samt finanzieller Förderung durch die Sporthilfe. Eine kleine Hoffnung bleibt ihm, dass er trotzdem im Februar mit zu den Winterspielen fliegen darf, was sich aber nur bei einer Teilnahmeberechtigung Deutschlands im Teamwettbewerb bewerkstelligen ließe. Über die Nominierungen soll kommende Woche Klarheit herrschen. Auch darüber, ob die Eistänzer Katharina Müller/Tim Dieck aus Dortmund, die erstmals den obersten Platz auf dem Treppchen für die Oberstdorfer Tänzer Jennifer Janse van Rensburg und Benjamin Steffan räumen mussten, im Peking-Flieger sitzen.

Weiterhin aber bleibt der Paarlauf hierzulande die Paradenummer oder "Königsdisziplin", wie der DEU-Vizepräsident Reinhard Ketterer sagte. Ketterer, 73, gehörte zu jenen, die bei der Bundestrainerpersonalie keinen Kündigungsgrund erkannten; er wurde nach eigener Aussage vor vollendete Tatsachen gestellt. Hase/Seegert, die 2020 bereits EM-Fünfte waren, können den Winterspielen womöglich mit der größten Vorfreude entgegen gleiten. Sie gewannen ihren dritten nationalen Titel mit persönlicher Bestleistung. "197 Punkte", sagte Minerva Hase staunend, "so eine gute Meisterschaft hatten wir noch nicht."

Nur ein weiteres Duo trat in Neuss an: Alisa Efimowa, die in Finnland und Russland aufwuchs, und Ruben Blommaert trainieren seit zwei Jahren zusammen, sie sind für internationale Auftritt noch gesperrt. Sie präsentierten ein verheißungsvolles Wettkampfdebüt. Trainiert werden sie in Oberstdorf von Florian Just. Wer sie sonst noch berät? "Alexander König", lautete die Antwort unisono.

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