Eiskunstlauf:Das Goldpaar zelebriert seinen Abschied ohne R-Wort

Eiskunstlauf: Unvergesslicher Moment ihrer Gold-Kür: Aljona Savchenko and Bruno Massot bei den Olympischen Spielen im Februar in Südkorea.

Unvergesslicher Moment ihrer Gold-Kür: Aljona Savchenko and Bruno Massot bei den Olympischen Spielen im Februar in Südkorea.

(Foto: David J. Phillip/AP)
  • Die Olympiasieger und Weltmeister Aljona Savchenko und Bruno Massot legen eine Wettkampfpause ein.
  • Von einem Rücktritt sprechen die beiden Paarläufer aber nicht.
  • Ihr Trainer Alexander König wird derweil von der Deutschen Eislauf-Union mit größeren Aufgaben betraut.

Von Barbara Klimke

Urlaub ist Stress für Aljona Savchenko. Für zwei Wochen flog sie im März nach der WM mit ihrem Mann in die Karibik, sie wollte ausspannen, zur Ruhe kommen. "Stattdessen war ich die ganze Zeit auf 180", erzählt sie. Wer gewohnt ist, 360 Tage im Jahr auf Eis um 360 Grad um die eigene Achse zu spindeln, dem fällt es schwer, stundenlang nur die Zehen in den Sand zu graben. "Der Urlaub ist vorbei!", erklärte die Paarlauf-Olympiasiegerin und Weltmeisterin Aljona Savchenko deshalb am Donnerstag bei der Pressekonferenz, zu der sie mit Eislaufpartner Bruno Massot geladen hatte, ließ aber offen, wie lange der Ferienboykott gelten soll. Sie hat bis ins nächste Jahr genug andere Dinge vor.

Zunächst steht am 5. Juni eine Reise zum Schaulaufen in Kasachstan im Kalender, daran schließt sich eine einmonatige Tournee durch Japan. Im August reist sie nach Chicago, weil sie sich verpflichtet hat, als Trainerin die US-Meister Alexa und Chris Knierim auf Weltniveau zu trimmen. Von November an treten Savchenko/ Massot bei der Eislaufshow "Holiday on Ice" auf, in Deutschland sind Auftritte in 14 Städten geplant. Wann, bitte, sollen sie da noch bei Meisterschaften laufen?

Sie haben entschieden, "eine Wettkampfpause einzulegen", verkündete Savchenko, "wir wollen andere Sachen probieren." Möglicherweise, vielleicht, eventuell kehren sie noch einmal zurück in die Grand-Prix-Serie, zu Welt- und Europameisterschaften oder Olympia: "Wir lassen das offen." Vorsorglich aber haben die besten Paarläufer, die die Deutsche Eislauf-Union (DEU) je hatte, am Donnerstag unter dem Münchner Olympiadach die Gelegenheit genutzt, sich bei allen, die ihre Karriere förderten, ausführlich zu bedanken. "Wir hatten ja keine Sponsoren", erklärte Savchenko, "und ohne den Verband, die Sporthilfe und die Bundeswehr wären wir nie dahin gekommen, wo wir heute sind."

Es ist ein bemerkenswertes Kunststück, einen Abschied zu zelebrieren, ohne das "R"-Wort zu verwenden: Rücktritt. Kein bisschen Melancholie ließen Aljona Savchenko und Bruno Massot zu nach einer Saison, in der sie sich ihre Lebensträume erfüllten durch den Sieg aus scheinbar aussichtsloser Position bei den Winterspielen in Pyeongchang im Februar und, einen Monat später, den WM-Titel mit Weltrekord. Aber Savchenko/Massot sind Meister darin, die Dinge in der Schwebe zu lassen bei ihren komplizierte Hebungen mit allerlei Richtungswechseln und Rotationen auf dem Eis; das hat die Welt schon bei ihrer zauberhaften Kür "La terre vue du ciel" ("Die Erde aus Himmelsperspektive") bestaunen können.

"Dieser Ort hat mich großgemacht, da haben sich meine Wünsche erfüllt"

Kein Rücktritt also, auch wenn die Weichen in eine neue Richtung weisen. Bei Alexander König, dem Goldmedaillentrainer, hat sich der Lebensmittelpunkt bereits verschoben. Vor zwei Wochen zog er aus Oberstdorf nach Berlin zurück, wo seine Familie wohnt. Nur seinem Meisterpaar zuliebe war er ein Jahr länger als geplant am Bundesstützpunkt im Allgäu geblieben. In Berlin soll König, 51, für den Verband ein neues "Trainingszentrum für Paarlauf" aufbauen, wie DEU-Sportdirektor Udo Dönsdorf ausführte. Paarlauf war immer ein Schwerpunkt in Berlin, derzeit wird das hochverlangte Duo Annika Hocke/Ruben Blommaert dort ausgebildet.

Die DEU ist gewillt, den bisherigen Honorartrainer König "zu binden und finanziell abzusichern", versichert Dönsdorf. Gleichzeitig soll im Rahmen der Leistungssportreform im Dachverband DOSB der Paarlauf besser gefördert werden, um auch internationale Läufer zu den Experten nach Berlin zu locken. Der Olympiasieg von Savchenko/Massot habe eine enorme Strahlkraft hierzulande, sagte Dönsdorf: "Wir wollen zeigen, dass wir das strukturell nutzen können." Was noch fehle, sei das Geld, solange das Bundesinnenministerium den Etat nicht verteilt habe.

Alexander König hätte Aljona Savchenko, 34, gern zu einem Umzug nach Berlin überredet; ihr Name wäre die beste Werbung für das neue Kompetenzzentrum gewesen. Aber die sechsmalige Weltmeisterin will am Stützpunkt Oberstdorf bleiben: "Dieser Ort hat mich großgemacht, da haben sich meine Wünsche erfüllt, und ich liebe die Natur", sagte sie. Allerdings soll es einen Austausch geben. "Und dann kommt Herr König, wenn er Heimweh hat."

Bruno Massot, 29, der mit seiner Verlobten im Herbst das erste Kind erwartet, wird unterdessen vermehrt in der Schweiz anzutreffen sein. Dort wird er ebenfalls als Trainer arbeiten - und nebenbei seinen durch die vielen Jahre auf dem Eis schwer in Mitleidenschaft gezogenen Rücken pflegen.

Es ist eine Übergangsphase in der Laufbahn der beiden Ausnahmesportler; keiner weiß das besser als Alexander König, der früher selbst Paarläufer war. "Es ist wahnsinnig schwer, eine Brücke ins normale Leben zu schlagen. Wir werden versuchen, jede Hilfe zu geben", sagte er. "Und wenn die Brücke dann irgendwann stark ist, können sie auch wieder zurückgehen." Ob es so weit kommen wird, weiß er nicht. Vorsorglich hat er schon gefragt, ob er ein Ticket für Holiday on Ice bekommt.

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