Eiskunstläuferin Nathalie Weinzierl:Auserwählt für den Lucky Punch

Eiskunstläuferin Nathalie Weinzierl: Kunstvoll verdreht: Nathalie Weinzierl bekommt ihre Chance in Sotschi

Kunstvoll verdreht: Nathalie Weinzierl bekommt ihre Chance in Sotschi

(Foto: imago sportfotodienst)

Erstmals werden in Sotschi Eiskunstläufer im Team um olympisches Gold kämpfen. Die 19-jährige Nathalie Weinzierl hat die Norm zwar denkbar knapp verpasst, darf aber trotzdem mit zu Olympia. Anderen Athleten ist der unerforschte Wettbewerb eher lästig.

Von René Hofmann

Am Sonntag hat Nathalie Weinzierl noch sehr bescheiden Werbung in eigener Sache betrieben. "Ich denke, ein Sportler, der nicht das Ziel Olympia hat, ist kein Leistungssportler", sagte die 19-Jährige, nachdem sie in Berlin mit 175,31 Punkten deutsche Meisterin im Eiskunstlauf geworden war. Hätte die Mannheimerin so viele Punkte in diesem Winter zuvor schon einmal gesammelt, wäre eine Olympia- Nominierung gar kein großes Thema gewesen.

145 Punkte bei einem internationalen Vergleich - diese Vorgabe hatte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als Voraussetzung für ein Ticket nach Sotschi ausgegeben. Weinzierl verpasste diese Norm knapp. Denkbar knapp sogar. Um 0,4 Punkte. Deshalb musste sie einige Tage bangen, bis der DOSB am Mittwoch die ersten 26 Sportler benannte, für die Olympia-Akkreditierungen bereitliegen. Weinzierl stand trotz der verpassten Vorgabe auf der Liste.

Sie freute sich standesgemäß. "Deutschland bei Olympia vertreten zu dürfen, ist die höchste Ehre, die mir je zuteil wurde", sagte Weinzierl der dpa. Mit der Zusage habe der DOSB ihre "harte Arbeit und Leistung gewürdigt". Nun ja, das ist nicht so ganz falsch. Die ganze Wahrheit aber ist es auch nicht. Mit der Ausnahme handelte der Verband vor allem pragmatisch. Weinzierls Arbeit und ihre Leistung reichen ziemlich sicher nicht aus, um es in Sotschi im Einzelwettbewerb unter die Top Ten zu schaffen. Wäre in der Sportart in Sotschi alles so geblieben, wie es seit Beginn der Olympischen Spiele Tradition war, hätte Weinzierl vermutlich daheim bleiben müssen.

Erstmals seit langer Zeit aber gibt es einen neuen Wettbewerb. 1976 in Innsbruck wurden die Vergleiche zwischen Männern, Frauen und Paaren um die Disziplin Eistanz erweitert. In Sotschi dürfen erstmals alle zusammen ran: Die besten Männer, Frauen, Paare und Eistänzer einer Nation werden zusammen gewertet, als Team.

Die Idee ist nicht ganz neu. Vor den Eiskunstläufern sind schon die Langläufer, die Biathleten, die Skispringer und die Eisschnellläufer auf ähnliche Gedanken gekommen. Selbst die Rodler in ihren sämtlichen Ausprägungen (Männlein, Weiblein, zwei Männlein auf einem Schlitten) gehen als Mannschaft auf Medaillenjagd. Damit der nächste aus seinem Land in den Eiskanal gehen kann, muss der ins Ziel rodelnde Rodler eine Hand ausstrecken und einen über der Bahn baumelnden Lappen abschlagen.

Offenbar ist keine Aktion zu absurd, wenn es darum geht, Individualsportler irgendwie zu einem Mannschaftswettbewerb zusammenzubringen. Dafür verspricht das Konzept zu viele Vorteile. Im Vergleich zu den Sommerspielen ist das Programm im Winter eher dürr. Es gibt noch Lücken. Und die Nationenvergleiche kommen an - gerade, weil sie oft noch unausgereift und deshalb immer wieder für Überraschungen gut sind. Auf diesen Faktor hoffen nun auch die deutschen Eiskunstläufer.

Skepsis für die neue Idee

In den klassischen Wettbewerben bietet sich ihnen lediglich eine ernsthafte Medaillenchance: Aljona Savchenko und Robin Szolkowy sollten bei den Paaren Gold oder Silber ernten. Dazu kommt die Hoffnung auf einen Lucky punch mit dem Team. Um überhaupt eines aufbieten zu können, wurde Nathalie Weinzierl nominiert.

Deutschland geht also an den Start, so viel ist sicher. Ansonsten aber ist das meiste noch ungewiss. Welche Athleten die anderen Länder bei der Premiere ins Rennen schicken, zum Beispiel. Viele Nationen haben ihre Eiskunstlauf-Vertreter in Sotschi noch gar nicht benannt. Manche Szenegrößen - Savchenko und Szolkowy zum Beispiel - verzichten bewusst auf den Startplatz im Team. Ein zusätzliches Kurzprogramm und eine zusätzlich Kür unter Wettbewerbsbedingungen: Das sind Strapazen, die manch einen schrecken.

Theoretisch können sich die Läufer aus einem Land die Last aber auch teilen - wenn aus einem Land denn mehrere Einzelläufer bei Olympia dabei sind. Bei den kanadischen Männern etwa ist das so. Dort kann dann der eine das Kurzprogramm laufen und der andere die Kür. Änderungen sind relativ kurzfristig möglich, was der Übersichtlichkeit des Wettbewerbs nicht unbedingt gut tun dürfte. Dass er bereits am Donnerstag, den 6. Februar, beginnt - einen Tag vor der Eröffnungsfeier - dürfte seine Popularität auch nicht steigern. Offenbar sind selbst das Internationale Olympische Komitee und der Eislauf-Weltverband skeptisch, wie die neue Idee ankommt. Es wirkt, als sei sie im Programm bewusst so platziert, dass sie möglichst wenig auffällt.

Welchen zehn Nationen aufgrund der gezeigten Leistungen bei internationalen Wettbewerben überhaupt ein Startplatz als Team in Sotschi zusteht, wurde erst Anfang Dezember veröffentlicht. Damit das Starterfeld voll wird, wurde Japan und Großbritannien eine Ausnahme zugestanden: Die beiden Nationen dürfen fürs Team einen Sportler schicken, der international noch nie auffiel. Das kann ein hübsches Gestolper geben - zumindest im Kurzprogramm, zu dem alle Nationen antreten. Für die Kür qualifizieren sich dann nur die fünf Top-Nationen. Bei denen werden die Punkte der Frau, des Mannes, des Paares und der Eistänzer zusammengezählt. Wer die meisten hat, bekommt Gold.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: