Eishockeyspieler Stefan Ustorf:"Mir geht es unverändert schlecht"

DEG Metro Stars v Eisbaeren Berlin - DEL Play-Offs Semi Final

Stefan Ustorf: Kämpfer auf dem Eis.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Vor 14 Monaten erlitt Stefan Ustorf zwei Gehirnerschütterungen nacheinander - noch immer hat er mit den Folgen zu kämpfen. Ihn plagen Kopfschmerzen, Sehproblemen und Müdigkeit. Eine Rückkehr in den Sport scheint ausgeschlossen.

Von Jürgen Schmieder

Am vergangenen Freitag schaute Stefan Ustorf bei seinem alten Verein vorbei. Beim 4:2-Sieg der Eisbären Berlin gegen die Hannover Scorpions saß er auf der Tribüne und initiierte gar eine Laola-Welle. Alles in Ordnung mit dem ehemaligen Eishockeyspieler und NHL-Profi, möchte man meinen - doch das stimmte nicht. Der 39 Jahre alte Ustorf leidet immer noch an den Folgen der Verletzungen, die er sich während seiner Karriere zugezogen hat.

"Mir geht es vor allem im Kopf unverändert sehr schlecht. Dadurch spüre ich, wie nach und nach auch mein Körper auseinanderfällt", sagte Ustorf nach dem Spiel, "mir war es nicht bewusst, wie schlecht meine Verfassung werden kann, weil ich nicht mehr trainieren, mich nicht mehr körperlich fithalten kann."

Im Dezember 2011 erlitt er zwei Mal innerhalb kurzer Zeit Gehirnerschütterungen, mit Folgen hat er immer noch zu kämpfen. Deshalb sei er kürzlich aus den Vereinigten Staaten nach Berlin gereist, um sich erneut untersuchen zu lassen, beschreibt Ustorf. "Ich habe zwölf Kilo verloren, meine Muskeln sind weg", sagt er. Aufgrund der Verletzung könne er keinen Sport mehr betreiben. Nach spätestens einer Stunde sei er müde, ihm werde schwindlig.

Auch andere Tätigkeiten seien nur noch mit Mühe und unter Schmerzen möglich. "Meine Augen arbeiten nicht mehr korrekt zusammen", sagt er - was vor allem das Lesen erschweren würde: "Mich mache auch die Kopfschmerzen wahnsinnig. Ich bin müde, lege mich hin - kann aber nicht einschlafen." Nun hoffe er vor allem, endlich wieder gesund zu werden.

Ustorfs Geschichte fällt in eine Zeit, in der ohnehin über die Sicherheit bei Kontaktsportarten und die Folgen von Körperverletzungen diskutiert wird. Es geht dabei vor allem um Disziplinen wie Eishockey und American Football, in denen Gehirnerschütterungen häufig vorkommen sind und bei denen die Athleten oftmals zu früh aufs Spielfeld zurückkehren.

Während seiner Karriere, während der Ustorf 469 Spiele in der DEL absolvierte, 54 Mal in der NHL auflief und 311 Mal in anderen amerikanischen Ligen, wurden vier Gehirnerschütterungen diagnostiziert. "Wenn man darüber nachdenkt, dann waren da sicher ein paar mehr", sagte Ustorf schon vor einem Jahr, "da brummte einem der Schädel - und trotzdem ging's wieder ab aufs Eis."

Crosby pausierte vier Monate

Ähnlich erging es in der vergangenen Saison auch Sidney Crosby, dem prägenden Spieler der NHL. Er verpasste die ersten 20 Spiele, kehrte für sieben Partien aufs Eis zurück und musste nach einem harten Bodycheck erneut pausieren. Er bestand zwar die medizinischen Tests, erklärte jedoch, auf seinen Körper hören zu wollen und seine Karriere erst dann fortzusetzen, wenn er sich wieder wohl fühlen würde.

Crosby spielte vier Monate nicht. "Wir müssen die Verantwortung übernehmen", sagt Ustorf, "und auch den Mut haben, zum Arzt zu gehen, wenn einem der Schädel brummt. Den Mut zu sagen: Es geht mir nicht gut."

In den Vereinigten Staaten werden die langfristigen Folgen von Kopfverletzungen seit wenigen Jahren intensiver untersucht - mit teils erschreckenden Ergebnissen: Das Risiko, so eine Studie der Boston University, für einen Footballspieler etwa, an Demenz, Parkinson oder Alzheimer zu erkranken, sei 19 Mal so hoch wie bei einem Menschen, der nie Football gespielt hat.

Junior Seau, einer der besten Defensivspieler der Football-Geschichte, litt nach seiner Karriere an Depressionen und Stimmungsschwankungen - und beging im Mai 2012 Suizid. Seine Angehörigen haben nun sowohl die NFL als auch den Helmhersteller verklagt. Insgesamt haben mehr als 4000 ehemalige Akteure und die Angehörigen von 1500 verstorbenen Profis geklagt.

Vor knapp drei Jahren sorgte der Fall des Eishockeyprofis Derek Boogaard für Aufsehen. Er starb im Mai 2010 an einer Überdosis Alkohol und Drogen - eine Untersuchung seines Gehirns zeigte, dass es aufgrund der zahlreichen Gehirnerschütterungen stark geschädigt war. Seitdem gehört Eishockey neben Football und Kampfdisziplinen wie Boxen zu den Sportarten, die von den Forschern in Boston als Risikodisziplinen identifiziert werden

Stefan Ustorf will nicht klagen. Er will erst einmal gesund werden und sein Leben ordnen: "Ich muss zugeben, dass ich in der gesamten Zeit meiner Krankheit noch nicht ernsthaft über meine Zukunft, also das Leben nach dem Sport, gesprochen habe. Ich glaube, so langsam sollte ich damit anfangen." Doch so einfach sei das nicht: "Es ist alles sehr frustrierend."

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