Als nach der Schlusssirene plötzlich beide Teams jubelten, war das Chaos groß. Doch Luisa Welcke behielt den Durchblick. „Ich stand direkt daneben und habe gesehen, dass die Scheibe zu spät reingegangen ist“, sagte die Siegtorschützin nach dem Eishockey-Thriller um das Olympiaticket für 2026, „ich war mir sicher, dass wir gewonnen hatten.“ Die Uhr war um den Bruchteil einer Sekunde abgelaufen, der Ausgleich der Ungarinnen zählte nicht mehr – und die Party begann. Mittendrin: die Welcke-Zwillinge, die die deutschen Frauen zu den Winterspielen 2026 in Mailand und Cortino d’Ampezzo geschossen und sich ihren Kindheitstraum erfüllt hatten – getreu ihrem Motto: „Uns gibt es nur im Doppelpack.“
Luisa hatte den Quali-Showdown in Bremerhaven nach Siegen gegen Österreich (2:0) und die Slowakei (6:1) gegen Ungarn mit ihrem 2:1 entschieden, nachdem ihre Schwester Lilli das erste Tor erzielt hatte. „Zum Glück konnten wir heute beide treffen und dem Team diesen Sieg holen“, sagte Lilli Welcke zwischen Sektdusche und Bierfontäne in der Kabine, wo gerade das unvermeidliche „Völlig losgelöst“ verklungen war. „Olympia war schon immer der Traum. Das Gefühl ist noch surreal.“ Die eineiigen Zwillinge waren ein bisschen zu spät gekommen zur großen Sause, weil sie noch fleißig Autogramme schrieben, als die anderen schon wild tanzten und Schlager schmetterten.
„Die Chemie zwischen uns gab es schon immer, weil wir uns so gut kennen“, erklärte die sieben Minuten ältere Luisa
Dass die Unterschriften der beiden 22-Jährigen besonders gefragt waren, kam nicht von ungefähr. Lilli und Luisa, die zusammen in einem Feriencamp das Eishockey für sich entdeckt und in Nordamerika zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht hatten, bewiesen einmal mehr ihr blindes Verständnis und beinahe traumwandlerisches Zusammenspiel auf dem Eis und machten nicht nur wegen ihrer Tore den Unterschied. „Die Chemie zwischen uns gab es schon immer, weil wir uns so gut kennen“, erklärte die sieben Minuten ältere Luisa einmal die besondere Verbindung. „Wir verstehen uns auf dem Eis einfach sehr gut“, ergänzte Lilli, „weil wir einen ähnlichen Spielstil haben.“ Und weil sie sich auch jenseits der Bande genauso gut verstehen. Ob am Anfang in den Jungenteams, später in der Highschool in den USA, am College in Kanada oder jetzt in der Nationalmannschaft und an der Boston University, „wir haben den Trainern immer gesagt: Uns gibt es nur im Doppelpack“, erzählte Lilli. „Wir haben schon früh entschieden, dass wir zusammenbleiben wollen und sind dabei geblieben.“
Ein doppelter Glücksfall für das deutsche Eishockey, das im nächsten Jahr erstmals seit 20 Jahren wieder mit beiden Nationalteams bei Olympia vertreten sein wird. Zum vierten Mal nach 2002, 2006 und 2014 gelang den Frauen die Qualifikation. „Das ist ein extrem wichtiger Schritt“, sagte Kapitänin Daria Gleißner, die in Mailand nicht nur staunend die größte Eishockeybühne genießen will: „Wir wollen zeigen, was wir können – und selbstbewusst sein. Wir wollen oben mitspielen.“ Doch zunächst war Feiern angesagt. „Wir haben so lange darauf gewartet, jetzt haben wir es geschafft“, sagte Torhüterin Sandra Abstreiter: „Der Zug hat keine Bremse, der fährt die ganze Nacht nur noch geradeaus. Italien, wir kommen.“