Eishockeyprofi Michael Wolf:Glücksbringer mit der Nummer 13

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„Als Spieler herausragend, als Mensch unersetzlich“: Michael Wolf 2018 mit dem dritten Meisterpokal für den EHC Red Bull München. (Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/Imago)

Michael Wolf hat den EHC Red Bull München zu drei Meistertiteln geführt und als Kapitän den Klub geprägt. Nun wird er geehrt – mit einer Zeremonie, die einer Beschwörung gleichkommt.

Von Christian Bernhard und Johannes Schnitzler

Wenn es nach ihm gehen würde, sagt Michael Wolf, dann „könnten wir das Ding auch an einem Freitagvormittag hochziehen und dann hängt es am Abend eben da“. Aber so geht das natürlich nicht, das weiß Wolf. Und damit das bloß keiner falsch versteht: Das Ganze sei selbstverständlich etwas Besonderes und eine Ehre für ihn. Nur eben:  Wenn es nach ihm gehen würde …

Das Spektakel war nie Michael Wolfs Sache. Und auch diesmal würde er am liebsten aus der Distanz zuschauen und gar nicht weiter auffallen. Aber weil dieser Michael Wolf, 43, ein höflicher, pflichtbewusster Mensch ist, der weiß, was sich gehört, wird er also am Sonntagnachmittag im Münchner SAP Garden stehen, nicht irgendwo am Rand, sondern als zentrale Figur im Mittelpunkt. Denn vor der Partie des EHC Red Bull München gegen die Iserlohn Roosters (16.30 Uhr) wird Wolfs Trikot mit der Nummer 13 unter das Hallendach gezogen.

337 Tore in 14 Jahren DEL: Michael Wolf ist der zweitbeste Schütze der Ligageschichte. (Foto: Imago)

Wolf, der seine Karriere als Eishockeyprofi vor fünf Jahren beendet hat, ist der erste Spieler, dem diese Ehre in der neuen Weihestätte des EHC Red Bull widerfährt. Nach Torhüter Joey Vollmer ist Wolf erst der zweite EHC-Spieler, dessen Rückennummer nicht mehr vergeben wird. Als Kapitän führte er den EHC zwischen 2016 und 2018 zu drei Meistertiteln in Serie und 2019 ins Finale der Champions Hockey League, als erste und bislang einzige deutsche Mannschaft. Mit 337 Treffern ist er der zweitbeste Stürmer der DEL-Geschichte, 104 davon hat er für München erzielt. „Als Spieler war er herausragend, als Mensch unersetzlich“, sagt EHC-Manager Christian Winkler.

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Dass die sogenannte Banner-Zeremonie im Rahmen des Spiels gegen Iserlohn stattfindet, ist kein Zufall: Für die Sauerländer hat Wolf neun Jahre lang gespielt, ehe er 2014 nach München wechselte. Zwei Klubs in 14 DEL-Jahren: Wolf war auch ein Beispiel an Beständigkeit. Ganz anders der EHC in dieser Saison: Erstmals in der Vereinsgeschichte musste ein Trainer (Toni Söderholm) während der Spielzeit gehen, bis vor Kurzem lag die Mannschaft nur auf Rang sechs der Deutschen Eishockey Liga. Drei Siege in der vergangenen Woche, darunter ein beeindruckender 4:1-Auswärtserfolg beim Meister in Berlin, haben die Laune deutlich verbessert. Aber ein Makel besteht weiterhin: Der EHC hat seit der Eröffnung seiner 300-Millionen-Hightech-Arena im September noch immer eine negative Heimbilanz, sieben Siegen stehen acht Niederlagen in der DEL gegenüber. (Die Basketballer des FC Bayern dagegen, der WG-Partner, den es halt braucht, weil die Bude allein sonst zu teuer wäre: acht Siege in der Euroleague, null Niederlagen).

Man muss ja nicht gleich abergläubisch sein. Aber wenn es hilft, Wolfs Trikot mit der Nummer 13 (!) unters Dach zu hängen wie einen Schutzgeist, der die bösen Geister vertreibt, dann rauf damit. In dem Wort Banner-Zeremonie steckt schließlich auch das Wort bannen.

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Wolf selbst hat mit Eishockey nicht mehr viel zu tun. Die SZ erreicht ihn zu Hause in Füssen, wo er nach seinem Rücktritt das familiäre Schuhgeschäft übernommen hat. Dem EHC, für den er kurzzeitig als Junior-Manager, zuständig für „Teamentwicklung, Scouting und Planung“, tätig war, ist er immer noch freundschaftlich verbunden, er ist im Austausch mit Manager Winkler. Und wenn der EHC am Abend ein attraktives Spiel hat, „dann schaue ich mir das schon im Fernsehen an“. Aber selbst als TV-Experte arbeiten wie viele seiner ehemaligen Nationalmannschaftskollegen, nein. Die Fernsehmenschen fragen ihn erst gar nicht, „weil sie wüssten, was meine Antwort wäre“. Wolf hat einmal gesagt, er „hasse“ es, über sich selbst zu reden. Über andere spricht so einer dann erst recht nicht. Und wenn Wolf etwas macht, dann will er es richtig machen. Halbe Sachen, sagt er, „sind nicht meins“.

Neben all den Erfolgen, Toren und Scorerpunkten hat sich Wolf über die Jahre den Ruf aufgebaut, ein Vorzeigeprofi zu sein. Don Jackson, mit neun Titeln der erfolgreichste Trainer der DEL-Geschichte, nannte Wolf „den perfekten Kapitän“. Frank Mauer, Teamkollege in München und beim DEB, nannte ihn einen „super Leader und großartigen Teamkameraden“, zu dem „wir alle aufschauen können“, Jackson bezeichnete ihn auch als den „ultimativen“ Spieler. Die vielleicht schönste Hymne auf Wolf sang Münchens ehemaliger Co-Trainer Matt McIlvane. Für den US-Amerikaner war Wolf der „uneigennützigste Eishockeyspieler, den ich in meinem ganzen Leben gesehen habe“. Normalerweise würden Torjäger seiner Kategorie immer nur „ich, ich, ich, ich“ denken, sagte McIlvane. Wolf dagegen habe immer nur „Team, Team, Team, Team“ gedacht, „und das die ganze Zeit“. Die Titel 2016, 2017 und 2018 hatten laut McIlvane „ihren Ursprung in Michael Wolf“.

Der gute Geist in der Kabine: Als Kapitän war Michael Wolf ein leiser Leader. Wo andere Torjäger nur an sich denken, habe Wolf immer ans Team gedacht, sagt der ehemalige Co-Trainer Matt McIlvane. (Foto: Lackovic/Imago)

Der Ursprung des Eishockeyspielers Michael Wolf liegt in Füssen. Dort teilte er zu Beginn seiner Karriere die Kabine mit Sascha Golts. In einer Saison erzielte der Russe, der 2001 bei der WM für die Sbornaja spielte,  82 Tore. Golts spielte nur deshalb für den EV Füssen, weil er dem Ort im Allgäu sehr verbunden war. Spielerisch sei er „komplett in der falschen Liga“ gewesen, erinnert sich Wolf, „das war Wahnsinn“. Wolf schätzte an Golts nicht nur die spielerische Klasse, sondern auch den Ehrgeiz, in jedem Spiel der Beste sein zu wollen – und dessen ruhige Art. „Der hat kaum was gesprochen und einfach sein Ding durchgezogen. Vielleicht habe ich mir da ein bisschen was abgeschaut.“

An eine große Karriere hat Wolf selbst nie gedacht, mit 24 spielte er noch in der zweiten Liga

Seine eigene Zukunft sah Wolf lange in Füssen, vierte Liga, vielleicht Oberliga. Niemals hätte er daran gedacht, in der DEL oder für die Nationalmannschaft zu spielen. Wolf hat in keiner deutschen U-Mannschaft gespielt. Erst mit 17 Jahren, als ein Freund den Klub wechselte, habe er selbst bei einem Spieleragenten angefragt, „ob er mich denn nimmt“. Normalerweise, sagt Wolf, „läuft das ja andersherum“. Am Ende standen drei Meistertitel, sieben WM-Teilnahmen und die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver sowie 52 Tore für die Nationalmannschaft in Wolfs sportlicher Vita. Beim Rekord-Eröffnungsspiel der Heim-WM 2010 auf Schalke erzielte er vor 77 803 Zuschauern das erste Tor des Turniers. Im Jahr 2022 wurde er in die German Hockey Hall of Fame aufgenommen.

Ehrengeleit: Zu seinem letzten Punktspiel in München begleitete sein Neffe (im Trikot des EV Füssen) Michael Wolf aufs Eis. Nach seinem letzten Spiel in Mannheim erhob sich das ganze Stadion – „eigentlich ist mir das bis heute unangenehm“, sagt der Stürmer. (Foto: Florian Ertl/Gepa/Imago)

Wolf hat zu seiner Münchner Zeit erlebt, wie eine große Mannschaft entsteht. Wie sich über Jahre der Erfolg entwickelt. Als er 2016 den ersten Meisterpokal für ihn und den Verein in die Höhe reckte, „war erst einmal ein gewisser Druck weg“, erinnert er sich. Mit den beiden direkt anschließenden Titeln stand der EHC dynastisch in der Erbfolge der Eisbären Berlin, die zwischen 2004 und 2013 siebenmal Meister wurden. Auch heute noch ist Wolf eine Szene von Florian Busch in Erinnerung, eine der prägenden Figuren jener Eisbären-Mannschaft: Busch fuhr damals an der gegnerischen Bank vorbei und fragte sinngemäß: Habt ihr Angst zu gewinnen? Wir nicht. Wir haben schon Titel gewonnen. „Das blieb mir im Kopf“, erzählt Wolf, „weil ich weiß, was er damit ausdrücken wollte.“ Etwas erreicht zu haben, kann Sicherheit verleihen, die Zweifel beruhigen, ob man gut genug ist.

Ob er nie an eine NHL-Karriere gedacht habe? Wolf lacht. Für einen, der mit 24 noch in der zweiten Liga gespielt hat, „war das überhaupt nie eine Frage“. An seine Banner-Zeremonie dagegen wird er sicher länger denken. Und daran, was er erreicht hat. Aber wenn das Trikot dann unter dem Hallendach hänge und der Tag vorbei sei, sagt Wolf: „Dann bin ich nicht unglücklich.“

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