Süddeutsche Zeitung

Eishockey-WM:Sehr gute Außenseiter

Nach ihrem überzeugenden Vorrunden-Auftritt starten die deutschen Eishockeyspieler gegen die rustikalen Finnen in die zähe WM-Zwischenrunde. Die Chancen aufs Viertelfinale stehen jedoch historisch gut.

Michael Neudecker, Bratislava

Uwe Krupp war noch nie bei Kerner, auch nicht bei Beckmann oder Maischberger. Denn Uwe Krupp ist deutscher Eishockey-Bundestrainer, und Eishockey ist in Deutschland tief und abseits des Scheinwerferlichts verankert.

Deshalb ist es vielleicht ganz gut, dass Uwe Krupp jetzt in der Slowakei ist: Hier ist Eishockey eine große Nummer, das ganze Land feiert, weil es die Eishockey-Weltmeisterschaft ausrichten darf, und weil besonders Deutschland das Gesprächsthema ist, ist auch Krupp eine Art Star. Am Dienstag war er zu Gast in einer landesweiten Late-Night-Show im Fernsehen. Zum ersten Mal in seinem Leben, sagt Krupp und schmunzelt.

Krupp habe sich gut geschlagen, sagen Beobachter, zusammen mit der slowakischen Eishockey-Legende Jozef "Joschi" Golonka sei er sympathisch rübergekommen. Krupp hat gute Gründe, einigermaßen gelassen zu sein, Deutschland hat bislang eine famose WM gespielt, mit drei Siegen in drei Vorrundenspielen, und das gegen die Größen Russland und die Slowakei sowie gegen Slowenien. An diesem Freitag beginnt die Zwischenrunde, und es gibt keine Mannschaft mit einer besseren Aussicht auf das Viertelfinale als die deutsche.

Die Zwischenrunde ist eine jener sonderbaren Modus-Konstruktionen, die sie sich im Eishockey immer wieder mal überlegen. Es gibt sie seit 1998, sie wurde oft von Spielern und Trainern wie auch Zuschauern als sinnlos beschimpft, weil sie ein Turnier künstlich verlängert und verkompliziert. Der Weltverband IIHF hat die Beschimpfungen mittlerweile mitbekommen und deshalb die Zwischenrunde nun in Rente geschickt; in der Slowakei gibt es sie zum letzten Mal.

Dieses eine Mal aber ist der Modus noch umständlich, er geht so: Die Teams wurden zu Beginn in vier Gruppen zu je vier Mannschaften eingeteilt. Nach drei Spieltagen muss jetzt der jeweils Vierte in die Abstiegsrunde, die ersten Drei steigen in die Zwischenrunde auf, wobei sie alle Punkte mitnehmen, ausgenommen der Punkte gegen den jeweiligen Gruppenletzten.

Die Zwischenrunde besteht aus zwei Gruppen zu je sechs Mannschaften, davon scheiden nach drei weiteren Spieltagen die jeweils beiden Letzten aus, die ersten Vier qualifizieren sich fürs Viertelfinale. Deutschland steht in der ersten Gruppe mit Tschechien, Finnland, Dänemark, Russland und der Slowakei, wobei jeder nur noch gegen die Teams antritt, gegen die er in der Vorrunde noch nicht gespielt hat.

Deutschland belegt derzeit mit Tschechien punktgleich mit je sechs Punkten den ersten Platz und tritt noch gegen Finnland (Freitag), Dänemark (Samstag) und Tschechien (Montag) an. Es sieht also ganz gut aus für Deutschland, historisch gut: Mit nur einem Sieg aus diesen drei Partien steht Deutschland auf jeden Fall im Viertelfinale.

Das mit einer jungen und unerfahrenen Mannschaft angetretene Dänemark gilt als der schwächste Gegner, aber das sei egal, sagt Kapitän Michael Wolf: "Wir haben ja schon bewiesen, dass wir auch mit den Großen mitspielen können." Auch das Selbstvertrauen der deutschen Eishockeyspieler hat einen historischen Höhepunkt erreicht. Und die Gegner haben ungewohnten Respekt vor ihnen.

Im Land des Titelverteidigers Tschechien berichten die Zeitungen ausführlich über die neue deutsche Stärke. Alois Hadamczik, Tschechiens Nationaltrainer, etwa sagte dem Blatt Mladá fronta Dnes, Krupp sei der Grund für die deutsche Stärke, Hans Zach dagegen, einer von Krupps Vorgängern, habe "nur alle angebrüllt".

Und Tschechiens Vorzeigestürmer Jaromir Jagr, auch bei dieser WM wieder einer der Publikumslieblinge, ließ sich in der Zeitung Sport so zitieren: "Wer erwartet hatte, dass die Slowaken die Deutschen schlagen, war für mich verrückt. Erinnert ihr euch an vergangenes Jahr? Hätten die Russen keinen Dazjuk (Torschütze des Siegtreffers für Russland gegen Deutschland im WM-Halbfinale 2010; Anm.d.Red.) gehabt, dann wären die Deutschen im WM-Finale gewesen."

Uwe Krupp weiß derartige Aussagen durchaus einzuschätzen. "Wir sind immer noch Außenseiter", sagt er, um immerhin hinzuzufügen: "Ein sehr guter Außenseiter." Wie gut, das wird sich nun in der Zwischenrunde zeigen, schon gegen Finnland. Die Auswahl Finnlands sei "das am härtesten spielende Team hier", sagt Michael Wolf.

Finnland zeichnet sich in der Tat durch eine erstaunliche körperliche Präsenz aus, und weil die Finnen technisch noch besser sind als die Deutschen, gelten sie dem DEB als eine Art Vorbild: "Wir wollen so spielen wie die Finnen", sagt Uwe Krupp.

Um sie zu besiegen, stellt Krupp neben seinem herausragenden Torhüter Dennis Endras wohl auch einen neuen Spieler auf: Der Mannheimer Verteidiger Dennis Reul könnte erstmals bei diesem Turnier zum Einsatz kommen. Er wäre schon optisch die ideale Antwort auf die finnische Härte: Dennis Reul ist 1,93 Meter groß und wiegt 104 Kilo.

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SZ vom 06.05.2011/jüsc
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