Eishockey-WM:Null Treffer, wenn's darauf ankommt

Zum ersten Mal in seiner Amtszeit spricht Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm davon, frustriert zu sein. Die Spieler sehen die Pleiten zum WM-Auftakt nicht so schlimm.

Von Johannes Schnitzler, Herning

Es war nicht die allergrößte Überraschung, als am Montag Niklas Treutle zwischen den Pfosten des deutschen Tors einparkte. Dass der 27-jährige Nürnberger gegen Team USA zu seinem ersten Spiel bei einer Eishockey-Weltmeisterschaft kommen würde, war weniger ein Zeichen des Misstrauens von Bundestrainer Marco Sturm gegenüber Timo Pielmeier, der in den beiden ersten Partien das deutsche Tor bewacht hatte. Keine 24 Stunden nach der 4:5-Niederlage gegen Norwegen sollte Pielmeier viel mehr eine Pause erhalten. Außerdem - auch das war keine so ganz große Überraschung mehr - bot der Wechsel auf der Schlüsselposition Sturm die Möglichkeit, einen Impuls zu setzen. Es war nicht die einzige Veränderung: Dominik Kahun und Matthias Plachta tauschten ihre Plätze, der spielstärkere Kahun rückte zu Leon Draisaitl in die erste Reihe. Die Umstellungen brachten mehr Stabilität. Mehr Torgefahr brachten sie nicht. Trotz einer engagierten Leistung verlor die Mannschaft des Deutschen Eishockey-Bundes auch ihr drittes WM-Spiel gegen die USA 0:3 (0:0, 0:2, 0:1). "Das war vom Einsatz und der Leidenschaft her auf jeden Fall besser heute", sagte Sturm. "Gegen eine Top-Nation wie die USA braucht man aber auch Glück. Es wäre wichtig gewesen, das erste Tor zu schießen." Doch wie gegen Dänemark und Norwegen, als sie acht von acht Penaltys vergaben, trafen sie auch am Montag nicht. Gegen Südkorea (Mittwoch) und Lettland muss das DEB-Team nun sechs Punkte holen, um vor den abschließenden Gruppenspielen gegen Finnland und Kanada noch eine Minimalchance aufs Viertelfinale zu haben.

Treutle war bereits der achte deutsche Spieler, der bei diesem Turnier sein WM-Debüt feierte. Empfangen wurde er von deutschen Fans, die hinter dem amerikanischen Tor mit schwarzen, roten und gelben Papierbögen eine Nationalflagge bildeten. Nach ersten zaghaften Chancen von Markus Eisenschmid, Yasin Ehliz und Draisaitl, der das Außennetz traf, rettete Treutle in der zehnten Minute gegen Alex Debrincat. Eine Minute später versperrte er einem Schuss von Cam Atkinson spektakulär mit dem Schläger den Weg über die Linie. "Wir müssen einfach besser starten", hatte Verteidiger Moritz Müller gesagt. Das gelang. Die Deutschen gingen mit einem 0:0 in die erste Pause.

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Es reicht einfach nicht: Daniel Pietta (links) kann US-Torhüter Keith Kinkaid nicht überwinden.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Es sei "vielleicht gar nicht so schlecht, dass wir jetzt mal als Underdog mit einer neuen Rolle ins Spiel gehen", hatte Müller nach den beiden Niederlagen gegen Gastgeber Dänemark (2:3 nach Penaltyschießen) und Norwegen gesagt. Stürmer Patrick Hager sagte, sie wüssten, dass die Amerikaner "ein sehr starkes Team" nach Europa entsendet hätten, das Kanada im Shootout 5:4 und Gastgeber Dänemark 4:0 geschlagen hatte. Jeff Blashill, 44, Chefcoach der Detroit Red Wings in der National Hockey League, konnte am Montag auf 24 NHL-Profis zurückgreifen, darunter der dreimalige Stanley-Cup-Sieger Patrick Kane (Chicago), Dylan Larkin (Detroit) und Johnny Gaudreau von den Calgary Flames. Sie wollten sich dennoch "nicht verstecken" gegen die USA, hatte Stürmer Hager angekündigt. Man werde "unglaublich fighten". Und wenn man jemand solche kernigen Botschaften abkaufen darf, dann dem kernigen Münchner Hager.

Sie kämpften. Und sie konnten sich weiterhin auf Treutle verlassen. Mit dem linken Bein stoppte er einen Alleingang von Colin White (25.), in amerikanischer Überzahl parierte er zwei Mal gegen Gaudreau und noch einmal gegen Atkinson. Die Zuschauer in der Jyske Bank Boxen raunten, als die Szenen auf dem Videowürfel wiederholt wurden. Offensiv traten die Deutschen dagegen eher dezent auf. Was auch daran lag, dass sich die Zahl der deutschen Strafen gegen die flinken amerikanischen Skater häufte. Als gleich zwei Deutsche draußen saßen, schien der Führungstreffer für die USA fällig - er fiel in dem Moment, als Jonas Müller von der Strafbank zurückkam. Kapitän Kane persönlich traf fast von der Grundlinie mit einer Direktabnahme zum 1:0 für die USA (31.). Als der nächste Deutsche hinaus geschickt wurde, Moritz Müller diesmal, legten die Amerikaner nach. Derek Ryan staubte zum 0:2 ab (33.), Treutle war ohne Chance.

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Nachdenklich und vom Glück verlassen: Bundestrainer Marco Sturm nach der dritten Niederlage im dritten WM-Spiel.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Die Chance, diesen Doppelschlag zu verdauen, bot sich, als diesmal zwei Amerikaner zwangspausieren mussten: 82 Sekunden mit fünf Mann gegen drei. Sturms Team kombinierte gefällig, musste aber froh sein, als Larkin einen Konter in Unterzahl lief - Treutle hielt das 0:2. So stand es auch nach 40 Minuten.

Nach 50 Minuten stand es 0:3, Debrincat tauchte völlig frei vor Treutle auf, die Vorlage kam von Kane, der dritte Scorerpunkt für den US-Kapitän.

In seine Generalkritik nach dem Norwegen-Spiel, als Sturm erstmals in seiner dreijährigen Amtszeit davon sprach, "frustriert" zu sein, hatte der Bundestrainer auch sein NHL-Trio Draisaitl, Dennis Seidenberg und Korbinian Holzer einbezogen. "Jeder Einzelne hat nicht seine Leistung gezeigt", sagte Sturm. Yannic Seidenberg entgegnete fast grimmig: "Das Turnier ist nicht zu Ende. Wir können jeden Gegner schlagen, wenn wir unsere Leistung bringen." So wie vor einem Jahr, als sie die USA im Eröffnungsspiel in Köln 2:1 bezwangen. Aber die aktuellen Mannschaften haben mit den Teams von 2017 nicht mehr viel zu tun. Die Deutschen steigerten sich. Aber die Offensivleistung bleibt mit sechs Toren in drei Spielen ungenügend. Das DEB-Team ist einfach zu harmlos.

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