Eishockey-WM:Niederlage vor dem ersten Bully

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Belarus-Präsident Alexander Lukaschenko wird nicht wie von ihm erhofft auf Schultern von Eishockeyspielern im eigenen Land klopfen können. (Foto: Natalia Fedosenko/ITAR-TASS/Imago)

Auch in der Sportwelt zunehmend isoliert: Belarus' Diktator Alexander Lukaschenko droht nicht nur der Verlust der Eishockey-Weltmeisterschaft.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Lange hat der Kampf des BSSF gedauert, sehr lange. Belarusian Sport Solidarity Foundation heißt die Organisation, in der sich seit den gefälschten Präsidentschaftswahlen im August mehr als 1200 belarussische Sportler und Trainer zusammengeschlossen haben, um gegen den Diktator Alexander Lukaschenko und dessen Gewaltregime Stellung zu beziehen - viele von ihnen bekamen die Brutalität des Systems am eigenen Leib zu spüren. Sie wurden verhaftet, erhielten Geldstrafen, verloren ihre Arbeit.

Aber das alles hielt die Gruppe nicht davon ab, intensiv mobil zu machen gegen den Plan des Eishockey-Weltverbandes IIHF, die Weltmeisterschaft wie geplant im Land des Despoten stattfinden zu lassen und Lukaschenko die gewünschte Bühne zu bieten. Und am Montagabend erwies sich dies endlich als erfolgreich. Da musste die IIHF nach wachsendem Druck aus der internationalen Politik und von den eigenen Sponsoren verkünden, dass Belarus nicht Gastgeber der WM bleiben kann.

Dies sei eine "kluge Entscheidung", die Belarus und der Welt "den Glauben an Gerechtigkeit und universelle Werte zurückgegeben" habe, teilten die Vertreter der BSSF mit. Das belarussische WM-Organisationskomitee hingegen erklärte, es bedauere "die grundlose Entscheidung" des Weltverbandes, wie es in einer Stellungnahme auf der Internetseite der Regierung hieß. Sie stelle einen Präzedenzfall dar, wie Sportveranstaltungen als Instrument benutzt würden, "um die Interessen von politischen Demagogen zu befriedigen".

Zu stark wird nachhallen, wie der Weltverband an Belarus als Mit-Gastgeber festhielt

Tatsächlich ist es gut möglich, dass bald noch andere Absagen folgen. Die Eishockey-WM stand zwar im Zentrum der Debatte, weil sie erstens das nächste geplante Sportevent in Belarus war und zweitens Diktator Lukaschenko fürs Eishockey eine besondere Leidenschaft pflegt. Aber es sind in diesem Jahr auch noch andere wichtige Ereignisse in Belarus geplant, etwa die WM der Fünfkämpfer oder der Weltpokal im Schach.

Vielen Eishockey-Vertretern wäre es am liebsten, wenn es fortan nur noch um die organisatorischen Konsequenzen des Turnier-Entzugs gehen würde. Ursprünglich sollte jeweils eine Vorrunden-Achtergruppe in Minsk und in Riga/Lettland stattfinden und die Finalspiele dann in der belarussischen Hauptstadt. Jetzt ist die Frage, ob Lettland als alleiniger Ausrichter übernimmt oder ob Dänemark oder die Slowakei als Co-Gastgeber einspringen. Für die deutsche Nationalmannschaft ändert sich zunächst mal nichts, weil ihre Gruppenspiele ohnehin in Riga geplant waren. Aber jenseits organisatorischer Details ist für das Eishockey - trotz der Entscheidung vom Montagabend - das Verhalten der vergangenen Monate noch nicht erledigt.

Zu stark wird nachhallen, wie der Weltverband um seinen Präsidenten René Fasel an Belarus als Mit-Gastgeber festhielt - trotz des repressiven Vorgehens des Lukaschenko-Regimes gegen Demonstranten, trotz der Zehntausenden Verhaftungen, der Verletzten und der Todesfälle. Erst vor etwas mehr als einer Woche war Fasel nach Minsk gefahren, dort hatte er den Diktator herzlich umarmt.

Tschechische Medien berichten darüber, dass Belarus sogar eine Kompensation erhalten solle

Später räumte er zwar ein, dass dies ziemlich unpassend ausgesehen habe, aber dafür war die Absage am Montagabend wieder sehr bemerkenswert formuliert. Ausschließlich auf Sicherheitsgründe hob die IIHF dabei ab, "im Zusammenhang mit den zunehmenden politischen Unruhen sowie Covid-19". Die brutalen Menschenrechtsverletzungen erwähnte sie mit keinem Wort. Medienberichten zufolge soll Belarus sogar noch eine Kompensation erhalten - der Weltverband beantwortete eine Frage dazu nicht.

Die belarussischen Sportler des BSSF wiederum erinnerten in ihrer Stellungnahme vom Montagabend die IIHF und die Eishockey-Gemeinschaft daran, dass es dringend noch etwas braucht: eine detaillierte Untersuchung zum belarussischen Verbandspräsidenten Dimitrij Baskow. Dieser war nach Medienberichten daran beteiligt, einen Regimegegner zu verprügeln, der tags darauf an den Folgen verstarb - was er bestreitet. Dem Eishockey-Weltverband ist der Sachverhalt bekannt. Aber als sein Präsident Fasel vor Wochenfrist in Minsk weilte, ließ er sich noch gemeinsam mit diesem so schwer beschuldigten Verbandspräsidenten ablichten.

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