Draisaitl sagt WM-Teilnahme ab:Deutschlands Bester fehlt

Draisaitl sagt WM-Teilnahme ab: In der regulären NHL-Saison mit 128 Scorerpunkten einen persönlichen Bestwert aufgestellt und zum dritten Mal 50 Tore oder mehr erzielt - aber jetzt ist der Akku von Leon Draisaitl leer.

In der regulären NHL-Saison mit 128 Scorerpunkten einen persönlichen Bestwert aufgestellt und zum dritten Mal 50 Tore oder mehr erzielt - aber jetzt ist der Akku von Leon Draisaitl leer.

(Foto: Jason Franson/AP)

Das Nationalteam bräuchte seinen Ausnahmestürmer nach drei Niederlagen bei der Eishockey-WM dringend. Doch Leon Draisaitl wird nicht nach Finnland reisen, sondern sich nach dem Saison-Aus in der NHL erholen.

Von Johannes Schnitzler, Tampere

Noch einmal kurz durchzählen: Leon Hüttl, anwesend; Leon Gawanke, ebenfalls da. Aber bei allem Respekt für die beiden Abwehrspieler: Der Leon, auf den alle deutschen Fans und auch beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) insgeheim viele noch gehofft hatten, ist nicht bei der Eishockey-Weltmeisterschaft in Tampere, weder war er beim offiziellen Mannschaftsfoto am Mittwochmittag noch danach beim Training vor der wegweisenden Partie gegen Dänemark an diesem Donnerstag (19.20 Uhr, Sport 1 und Magentasport). Und er wird auch nicht mehr kommen. Leon Draisaitl, der beste deutsche Eishockeyspieler, hat nach dem vorzeitigen Aus mit den Edmonton Oilers in den Playoffs der nordamerikanischen Profiliga NHL den DEB darüber informiert, dass er nicht zur Weltmeisterschaft nach Finnland und Lettland nachreisen wird. "Wir haben ein ausführliches Gespräch mit Leon geführt", sagte DEB-Sportdirektor Christan Künast am Mittwoch. Aber es sei "in der Kürze der Zeit nicht möglich, seine WM-Teilnahme zu realisieren".

Draisaitls Absage kommt nicht überraschend. Nach 92 NHL-Spielen und zwei intensiven Playoff-Serien brauche der Stürmer "jetzt einfach Zeit, um sich von den Strapazen zu erholen und sich körperlich zu regenerieren", wird Künast in einer DEB-Mitteilung zitiert. Außerdem stünden noch "Exit-Meetings und Medien-Termine mit den Oilers vor Ort" an: "Wir haben angesichts seiner Rolle bei den Oilers volles Verständnis gezeigt und wünschen ihm eine gute Erholung nach der Saison."

Draisaitl hatte am Dienstag in der Saisonabschluss-Pressekonferenz der Oilers noch leise Hoffnung auf seine WM-Teilnahme geweckt, er sagte: "Da sind noch einige Dinge zu klären. Wir werden sehen."

Der 27-jährige Stürmer hat mit 128 Scorerpunkten in der regulären NHL-Saison einen persönlichen Bestwert aufgestellt, zum dritten Mal erzielte er 50 Tore oder mehr. In den Playoffs war er mit 13 Treffern und insgesamt 18 Scorerpunkten in zwölf Partien drauf und dran, uralte NHL-Rekorde zu brechen, ehe ihn im Viertelfinale gegen die Vegas Golden Knights doppeltes Unglück ereilte. Im vierten Spiel, das die Oilers 4:1 gewannen und die Best-of-seven-Serie zum 2:2 ausglichen, erhielt Draisaitl kurz vor Schluss einen brutalen Stockschlag von Alex Pietrangelo; viele Experten sahen darin den gezielten Versuch, den bis dato überragenden Draisaitl mit roher Gewalt auszuschalten. Draisaitl blieb überraschenderweise äußerlich unverletzt. In den beiden darauffolgenden Spielen gelang dem Kölner aber kein Scorerpunkt mehr. Edmonton, einer der Favoriten auf den Stanley Cup, war ausgeschieden, und Draisaitl den Tränen nahe.

Das DEB-Team braucht vier Siege aus den letzten vier Gruppenspielen

Das deutsche Team, das die ersten drei WM-Spiele gegen Schweden (0:1), Finnland (3:4) und USA (2:3) trotz sehr guter Leistungen verloren hat, muss die restlichen Gruppenspiele gegen Dänemark, Österreich (Freitag), Ungarn (Sonntag) und Frankreich (Dienstag) also ohne den Ausnahmestürmer wohl alle gewinnen, um noch ins Viertelfinale einzuziehen und sich die Chance auf die Direktqualifikation für die Olympischen Spiele 2026 zu erhalten. Draisaitl hätte vor allem helfen können, die Effizienz vor dem gegnerischen Tor zu erhöhen. Aber auch ohne ihn ist Bundestrainer Harold Kreis überzeugt, dass es der Mannschaft gelingt, ihre Abschlussschwäche zu beheben: "Ich akzeptiere die Entscheidung von Leon hundertprozentig", sagte Kreis am Mittwoch. "Die Mannschaft ist so stabil und gefestigt, dass wir nicht von Druck reden, sondern von einer Challenge. Wir freuen uns auf Dänemark."

Das Spiel gegen die Dänen, die mit drei Siegen gegen die vermeintlich schwächeren Gruppengegner Ungarn (3:1), Frankreich (4:3 n. V.) und Österreich (6:2) nahezu perfekt ins Turnier gestartet sind, ist das Schlüsselspiel in Gruppe A um den Einzug ins Viertelfinale, ein Sieg gegen das Team des ehemaligen DEL-Profis Heinz Ehlers ist Pflicht. Das Duell gab es in den vergangenen Jahren mehrmals. 2022 setzte sich das DEB-Team unter Toni Söderholm in Helsinki 1:0 durch, 2019 in Košice auf dem Weg ins Viertelfinale 2:1. 2018 in Herning unterlagen die Deutschen unter Marco Sturm und mit Draisaitl den Gastgebern nach Penaltyschießen 2:3.

Nach einem Mannschaftsabend am spielfreien Dienstag war die Stimmung im DEB-Team am Mittwoch prächtig. "Man sieht: Wir lächeln, aber wir arbeiten auch hart. Wir haben uns nichts vorzuwerfen", sagte der Münchner Maximilian Kastner. Die Dänen seien eine schnelle, sehr torhungrige Mannschaft. "Wir werden sehen, dass wir ihnen die gute Laune verderben." Leon Gawanke sagte: "Es gibt keine Ausreden mehr." Auch nicht, dass Leon Draisaitl nicht mehr kommen wird.

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