Eishockey-WM:Krämpfe im Oberschenkel

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Starker Rückhalt: Am deutschen Torwart Mathias Niederberger (links) kamen Kanadas Angreifer nur einmal vorbei. Hier scheitert Cole Perfetti. (Foto: Action Pictures/Imago)

Dank des starken Torwarts Niederberger und eines aufopferungsvollen Einsatzes gewinnt die deutsche Auswahl erstmals seit 1996 wieder gegen Kanada. Durch das 3:1 übernimmt sie auch die Führung in ihrer Gruppe.

Von Christian Bernhard, Riga/München

Toni Söderholm wusste, was seine Mannschaft erwarten würde. "Heute werden Fehler noch härter bestraft werden", sagte der Trainer der deutschen Eishockey-Auswahl vor dem Spiel gegen Kanada bei der Weltmeisterschaft in Riga (Lettland): "Aber das ist genau die Herausforderung, die wir jetzt brauchen. Die wird uns stärker machen." Das deutsche Team bewältigte die Herausforderung grandios: Es gewann am Montagabend nach hartem sportlichen Kampf 3:1 und feierte so den ersten WM-Sieg seit 1996 gegen den Rekord-Weltmeister. "Kompliment an die Mannschaft, wie wir da heute defensiv gestanden haben, das war schon echt außergewöhnlich", lobte Torwart Mathias Niederberger beim TV-Sender Sport1. Durch den dritten Sieg im dritten Spiel führt das Söderholm-Team die Gruppe B an, für Kanada war es die dritte Niederlage.

Kanada ist mit einer jungen Mannschaft nach Riga gereist. Auf das 0:2 zum Auftakt gegen Gastgeber Lettland folgte am Sonntag ein 1:5 gegen die USA, es dauerte 111 Minuten, bis die Kanadier ihr erstes Turniertor erzielten. Auch deshalb ging die deutsche Mannschaft mit viel Selbstvertrauen in das Spiel. "Wir brauchen uns nicht zu verstecken vor den großen Nationen", sagte Lukas Reichel. Söderholm vertraute zum dritten Mal derselben Aufstellung, im Tor spielte wie zuletzt gegen Norwegen der Berliner Niederberger. Und der machte eine sehr gute Partie.

18 der 20 eingesetzten Feldspieler haben schon mindestens einen Scorerpunkt auf dem Konto

Das deutsche Team hielt auch körperlich gut dagegen - und schockte die Kanadier mit einem Doppelschlag innerhalb von 38 Sekunden: Stefan Loibl markierte nach schönem Zuspiel von Tom Kühnhackl das 1:0 (11.), kurz darauf ging die Scheibe nach einem Schuss von Matthias Plachta vom Schlittschuh eines Kanadiers erneut ins Tor (12.). Kanadas Trainer Gerard Gallant reagierte mit einer Auszeit und sah in Minute 19 das 1:2 von Nick Paul.

Die deutsche Mannschaft ging nicht nur mit dem Selbstvertrauen zweier deutlicher Siege in das Kanada-Spiel, sondern auch als geschlossene Einheit. "Es ist uns bisher sehr gut gelungen, als Mannschaft aufzutreten", betonte Kapitän Moritz Müller. Zehn unterschiedliche deutsche Torschützen gab es gegen Italien (9:4) und Norwegen (5:1) - 18 der 20 eingesetzten Feldspieler trugen bereits mindestens einen Scorerpunkt bei.

Gegen Kanada wurde das Mitteldrittel ruppiger, Deutschland geriet in Strafzeiten-Probleme. Vier Minuten am Stück musste Söderholms Mannschaft in Unterzahl ran, 1:53 Minuten sogar bei nur zu dritt gegen Fünf. Es überstand diese brenzlige Situation aber ohne Gegentor, da Niederberger stark parierte und viel Ruhe ausstrahlte. Zudem blockten seine Vorderleute, allen voran Kühnhackl und Nico Krämmer, einige Schüsse.

"Wir haben wirklich ein Löwenherz", findet der Torhüter

In den ersten zwei Spielen überzeugte die deutsche Mannschaft im zweiten Drittel spielerisch, diesmal lieferte sie aufgrund der vielen Strafzeiten eine Abwehrschlacht. Niederberger entschärfte im Minutentakt gute Chancen der Kanadier, die sich über lange Strecken im deutschen Drittel festsetzten. Es sei "wahnsinnig anstrengend" gewesen resümierte Niederberger später vor dem Fernsehmikrofon: "Im zweiten Drittel ging es bei mir los mit Krämpfen im Oberschenkel. Wir haben wirklich ein Löwenherz." Kurz vor Ende des zweiten Drittels musste das deutsche Team erneut eine Drei-gegen-Fünf-Unterzahlsituation überstehen - und tat das abermals aufopferungsvoll.

"Wir werden die Arbeitsschuhe anhaben", hatte Söderholm vor dem Turnierstart betont. Diese wurden gegen Kanada arg strapaziert: Alleine im Mitteldrittel blockte das DEB-Team beeindruckende 14 Schüsse. "Unglaublich, wie sich jeder in die Schüsse wirft", sagte Loibl in der zweiten Drittelpause bei Sport1. Zu Niederberger "brauche ich nicht viel zu sagen, er ist ein unglaublicher Rückhalt", betonte der Stürmer. Korbinian Holzer machte schließlich mit einem Schuss ins leere Tor alles klar (58.).

Weiter geht es für das deutsche Team schon am Mittwoch gegen Kasachstan (15.15 Uhr). Kein großer Name im Welt-Eishockey, aber einer, der bei dieser Überraschungs-WM ebenfalls für Furore gesorgt hat: Die Kasachen haben bereits Gastgeber Lettland und Weltmeister Finnland geschlagen.

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