Süddeutsche Zeitung

Eishockey-WM in der Slowakei:Deutschland sucht den neuen Krupp

Bundestrainer Uwe Krupp ist auf dem Weg zu einem historischen WM-Erfolg. Weil er bald zu den Kölner Haien wechselt, sucht der DEB einen Nachfolger. Doch die Suche ist schwierig.

Michael Neudecker

Uwe Harnos wird wütend, wenn er das mit dem Hintertürchen hört. Hat er nicht am Sonntagabend gesagt, man wolle in Sachen Trainersuche erst einmal die WM abwarten und dann weitersehen? "Nein", sagt Harnos, als er am Montagabend an einem Restaurant-Tisch in Bratislava sitzt, "unsere Einstellung zu dem Thema hat sich nie geändert." Aber natürlich kennt er die Gepflogenheiten der Branche. Schon länger ist klar, dass Bundestrainer Uwe Krupp den Deutschen Eishockey-Bund (DEB) nach dieser WM in der Slowakei verlässt und als Cheftrainer und Sportdirektor zu den Kölner Haien wechselt, aber jetzt spielt Deutschland eine historisch gute WM bislang, und weil der DEB zu dem Thema beharrlich schweigt, wird eben jeder noch so unauffällige Halbsatz des Präsidenten irgendwie interpretiert.

Der DEB hat noch keinen Nachfolger, das ist der Eindruck. Auch das aber, versichert Harnos nun der SZ, sei ein falscher Eindruck: "Wir sind so weit, dass wir unser Modell zum Abschluss bringen können."

Zuletzt wurde immer wieder spekuliert, Krupp könnte doch noch zumindest für ein Jahr in Doppelfunktion bleiben - Kölns Geschäftsführer Thomas Eichin jedenfalls signalisierte, nichts dagegen zu haben, und auch Krupp selbst schien nicht abgeneigt. Harnos findet es wie alle seine Amtskollegen beim Verband "mehr als bedauerlich", dass Uwe Krupp sich entschieden hat, den DEB zu verlassen.

Er hat zugleich Verständnis für Krupps Wunsch, auf Vereinsebene arbeiten zu wollen - eine Doppelfunktion jedoch hat Harnos, der die Trainersuche längst zur Chefsache erklärt hat, bereits mehrfach definitiv ausgeschlossen. Im November vergangenen Jahres habe die Suche intensiv begonnen: "Wir haben uns hingesetzt und überlegt: Woher kommt der Erfolg, den wir jetzt haben?"

Krupps Team war bei der Heim-WM vergangenes Jahr ins Halbfinale vorgedrungen, und Harnos und seine Kollegen sind dann zu dem Schluss gekommen, das liege besonders "daran, dass Uwe Krupp als hauptamtlicher Bundestrainer die Zeit und Möglichkeiten hat, sich voll und ganz auf den DEB zu konzentrieren".

Der Bundestrainer, so sehen sie das beim Verband und so sieht es auch Krupp, darf kein reiner Turniercoach sein. Krupps Erfolg liegt in der Tat auch darin begründet, dass er sich seit sechs Jahren intensiv um den Nachwuchs kümmert: Er leitet und verantwortet so die gesamte sportliche Ausrichtung des Verbandes. Man habe also "einen Plan beschlossen, der vorsieht, den von Uwe Krupp eingeschlagenen Weg weiterzugehen, aber eben nicht um jeden Preis mit Uwe Krupp".

Die Suche, sagt Harnos, sei "schon schwierig" gewesen. Der Trainermarkt im Eishockey ist klein, Kandidaten wie der Mannheimer Harold Kreis, der Krupp bei Turnieren als Co-Trainer unterstützt, haben mit Verweis auf bestehende Verpflichtungen abgesagt, andere wie der Augsburger Larry Mitchell, der Hannoveraner Toni Krinner, der Wolfsburger Pavel Gross oder der Pensionär Hans Zach wurden nie ernsthaft in Erwägung gezogen. "Eine Hand voll Kandidaten" habe es gegeben, sagt Harnos.

Wunschkandidat des DEB war und ist der Deutsch-Kanadier Ralph Krüger, der inzwischen nur noch einen Pass besitzt, den deutschen. Krüger allerdings hat einen noch ein Jahr laufenden Vertrag beim nordamerikanischen NHL- Klub Edmonton Oilers, er ist dort erster Co-Trainer, ein durchaus prestigeträchtiger und lukrativer Job. Der DEB verhandelte früh mit Krüger, zunächst telefonisch, ehe Harnos und Vize-Präsident Manuel Hüttl im März dieses Jahres nach Edmonton flogen, um sich dort mit Krüger mehrmals zu treffen. Ergebnis: Prinzipiell möchte Krüger zum DEB - aber auch seinen Vertrag mit Edmonton erfüllen.

Die Kriterien, die der neue Bundestrainer erfüllen soll, hat Harnos bereits mehrmals öffentlich umrissen: deutschsprachig, mit internationaler Erfahrung und gewillt, mit dem Nachwuchs zu arbeiten. Es gibt nur wenige, die derzeit so exakt auf diese Stellenbeschreibung passen wie Ralph Krüger, weshalb davon auszugehen ist, dass das von Harnos umschriebene "Modell" eine Art Übergangslösung beinhaltet: Einen Trainer, der Krupps Job sofort übernehmen könnte, aber in einem Jahr einen Schritt zurücktritt und dann mit Krüger zusammenarbeitet - oder einem anderen Sportdirektor, falls Krüger doch in Edmonton verlängert.

"Ralph Krüger hat einen noch ein Jahr gültigen Vertrag, mehr kann man dazu jetzt nicht sagen", stellt Harnos fest. Mündlich hat Krüger zwar sein Interesse signalisiert, zu einer Unterschrift zu diesem Zeitpunkt ist er aber offensichtlich nicht bereit. Ein Vorteil für den DEB könnte Krügers private Situation sein: Krüger besitzt ein Haus in Davos sowie eines in Minnesota - in Edmonton soll sich seine Frau dem Vernehmen nach nicht allzu wohl fühlen. Bleibt die Frage: Wer ist nun der Zwischen-Nachfolger? Namen will Harnos weiterhin nicht preisgeben, "wir halten an unserem Vorhaben fest, den Namen des Nachfolgers erst nach der WM bekanntzugeben".

Einerseits will Uwe Harnos damit Geradlinigkeit demonstrieren, andererseits fürchtet er, die zu erwartenden Fragen nach dem dann bekannten Nachfolger könnten die Mannschaft verunsichern. Harnos allerdings bleibt ohnehin nicht während des gesamten Turniers in Bratislava: Am Dienstagabend, nach dem letzten Vorrundenspiel gegen Slowenien (3:2 nach Penaltyschießen, siehe unten stehenden Text), ist er heimgefahren nach Kaufbeuren. Er ist Anwalt und hat als solcher berufliche Verpflichtungen. Er könnte erst wiederkommen, wenn die Mannschaft ihren erfolgreich begonnenen Weg weitergehen würde: zum Viertelfinale.

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Quelle:
SZ vom 04.05.2011
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