Eishockey-WM:Geschlagen, aber nicht überrollt

Eishockey-WM

Trotz einer Niederlage: Die deutsche Mannschaft um Yasin Ehliz (unten, gegen Sergei Andronov) schlägt sich gegen Russland achtbar.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft verliert 3:6 gegen Russland. Die Sbornaja zaubert, erspart dem Gastgeber aber eine Demütigung.

Von Johannes Schnitzler, Köln

Die Kölner Altstadt war am Sonntag weiß-blau-rot. Nachdem der Rekordweltmeister einen Kampf mit ungleichen Waffen gegen den bedauernswerten Aufsteiger Italien 10:1 gewonnen hatte, nutzten die Fans der russischen Nationalmannschaft den Abend vor dem Brückentag, um sich warm zu singen für den dritten Auftritt der Sbornaja bei der Eishockey-Weltmeisterschaft am Montag gegen Gastgeber Deutschland. Daheim saßen 30 Millionen Zuschauer vor den Fernsehapparaten, sie erwarteten aus gegebenem Anlass den dritten Erfolg: Am 9. Mai feiern die Russen die deutsche Kapitulation im Zweiten Weltkrieg, den "Tag des Sieges". Der einzige Erfolg einer deutschen Nationalmannschaft in 37 WM-Duellen gegen den 27-maligen Champion Russland ereignete sich 2011, Torschützen waren Thomas Greilinger und Patrick Reimer.

Lange her. "Vielleicht können wir ihnen diesmal wieder unter die Haut gehen", sagte Reimer am Montag, möglichst lange kompakt stehen, die Russen ein bisschen ärgern, und vielleicht, irgendwie, in Führung gehen. So wie 2016, als das DEB-Team im Viertelfinale nach dem ersten Drittel 1:0 vorn lag. Torschütze: Reimer. "Viel hergeben dürfen wir aber nicht. Vor allem müssen wir von der Strafbank wegbleiben. Wenn sie ins Rollen kommen, sind sie kaum zu stoppen." Nach 64 Sekunden gaben die Deutschen erstmals etwas her, und Russland führte 1:0 durch Wadim Shipachyov, den Topscorer der WM 2016. Damals hatten die Deutschen noch 1:4 verloren. Diesmal ging es 3:6 (0:3, 0:2, 3:1) aus. Die Russen waren ein bisschen ins Rollen gekommen. "Wir müssen schlauer spielen", sagte Bundestrainer Marco Sturm. Mehr als die Erinnerung an 2011 hatte den Deutschen die Rückkehr ihres Kapitäns Hoffnung gemacht. Christian Ehrhoff stand zum ersten Mal bei dieser WM im deutschen Kader. Der 34-Jährige hatte die beiden ersten Partien gegen die USA (2:1) und Schweden verletzt verpasst. Vor allem beim 2:7 gegen die Skandinavier machte sich das Fehlen des einst bestbezahlten Verteidigers der Welt bemerkbar. "Man wünscht ihn sich in jedem Moment herbei", barmte Verteidiger Dennis Seidenberg. Der 35-Jährige, der gemeinsam mit Torhüter Thomas Greiss für die New York Islanders in der NHL spielt, hatte gegen Schweden mit 23:57 Minuten die mit Abstand meiste Eiszeit aller deutschen Feldspieler gehabt. Die hatte er auch gegen die Russen. Aber diesmal stand Ehrhoff, dessen Einsatz sich erst kurzfristig entschied, ähnlich lange auf dem Eis und wurde prompt zum besten deutschen Spieler gewählt. Ehrhoff leitete auch den ersten konstruktiven Angriff ein. Im Tor landete aber nur Patrick Hager, dessen Spiel nach 13:27 Minuten schon wieder beendet war: Matchstrafe nach einem "klaren Foul" an Sergei Mozyakin, wie Sturm einräumte, "da muss er sich besser benehmen". Der bis dato beste deutsche WM-Scorer ist damit für das nächste Spiel am Mittwoch gegen die Slowakei gesperrt, mindestens. "Das tut weh", sagte Sturm. Shipachyov (18.) und Sergei Plotnikow (19.) erhöhten in Überzahl auf 0:3. Ein Drittelergebnis, das den Deutschen unter die Haut ging. "Das hat unser Spiel durcheinander gebracht", sagte Sturm. Das zweite Drittel begann nicht glücklicher. Tobias Rieder musste in die Kabine. Ob die WM für den NHL-Stürmer aus Arizona wie vergangenes Jahr vorzeitig beendet ist, konnte Sturm nicht sagen. Nachdem Nikita Gusew auf 0:4 (32.) und Nikita Kutscherow auf 0:5 (36.) gestellt hatten, griffen die Russen zum Zauberkasten; Lust auf eine ernsthaften Demontage des Gastgebers hatten sie nicht. "Wir haben uns in der Kabine gesagt, dass wir das letzte Drittel gewinnen wollen", erzählte Moritz Müller. Und das gelang: Brooks Macek staubte nach einem kurz abgewehrten Schuss von Müller zum 1:5 (47.) ab, Philip Gogulla lenkte im Powerplay einen Ehrhoff-Schlenzer zum 2:5 (49.) ins Tor. Bevor diese Deutschen noch frecher werden konnten, legte Kutscherow rasch das 2:6 (52.) nach. Frederik Tiffels machte in der Schlussminute noch sein erstes WM-Tor. Nach drei Punkten aus den ersten drei Spielen gegen die Top-Favoriten der Gruppe A sagte Sturm: "Das dritte Drittel war wichtig für unsere Mentalität. Unser Turnier beginnt erst jetzt." Der Montag in Köln endete weiß-blau-rot. Der Dienstag wird ein Besinnungstag für die Deutschen.

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