Eishockey-WM:Emotionen im fliegenden Wechsel

Moritz Müller, Mueller 91 of Germany foul for penatly against Pavel Akolzin 18 of Kazakhstan. GERMANY - KAZAKHSTAN IIHF

"Wir hatten genug Chancen": Dennoch blieb das Team um Kapitän Moritz Müller gegen Kasachstan, links Pavel Akolzin, zweiter Sieger.

(Foto: ActionPictures/Imago)

Zwei Tage nach dem Sieg gegen Kanada erleidet die deutsche Eishockey-Mannschaft gegen Aufsteiger Kasachstan ihre erste Niederlage bei der WM in Riga.

Von Christian Bernhard, Riga/München

Kasachstan und Kanada sind nicht nur geografisch weit voneinander entfernt, auch im Eishockey trennen die beiden Länder Welten. Kanada ist das Mutterland des Eishockeys, hat 26 Weltmeistertitel gewonnen und ist mit neun Triumphen Rekord-Olympiasieger. Kasachstan dagegen pendelt seit Jahren zwischen der WM-Topgruppe und der zweitklassigen Division I, in der Weltrangliste belegt es Rang 16, einen Platz hinter Italien. Doch große Namen sind bei den diesjährigen Weltmeisterschaften in Lettland nur Schall und Rauch - was nun auch die deutsche Nationalmannschaft zu spüren bekam. Zwei Tage nach dem emotionalen 3:1-Sieg gegen Kanada kassierte das Team von Bundestrainer Toni Söderholm am Mittwoch beim 2:3 gegen den Aufsteiger seine erste Turnierniederlage, bleibt aber Tabellenführer der Gruppe B.

Söderholm hatte vor dem Spiel betont, es gebe "genügend Gründe", Kasachstan zu respektieren und nicht zu unterschätzen. Dafür reichte schon ein Blick auf den WM-Start der Kasachen, die nicht nur Gastgeber Lettland, sondern auch Titelverteidiger Finnland bezwungen hatten. "Wir wussten genau, was auf uns zukommt", sagte Verteidiger Marco Nowak. "Wir hatten genügend Chancen, um das Spiel für uns zu entscheiden, am Ende war es ein bisschen unglücklich."

Trotz der kräftezehrenden Partie gegen Kanada vertraute Söderholm zum vierten Mal in Folge denselben Spielern. Im Tor startete abermals Berlins Mathias Niederberger, der gegen die Kanadier herausragend gespielt hatte. Offiziell gemeldet sind mittlerweile neben Nachrücker Dominik Kahun auch Dominik Bittner, Daniel Fischbuch, Andreas Eder und John-Jason Peterka, die allesamt noch nicht in Riga zum Einsatz gekommen sind.

Söderholm wollte in den ersten zehn Minuten viel Druck aufbauen, doch den gefährlicheren Start legten die Kasachen hin, die in Person von Ivan Stepanenko schon in Minute zwei die Querlatte trafen. Das DEB-Team tat sich gegen den disziplinierten Gegner schwer, offensiv ins Spiel zu finden und Lukas Reichel, der während der WM einen NHL-Vertrag bei den Chicago Blackhawks unterschrieben hat, bekam früh die kasachische Härte zu spüren, als ihn ein Check am Kopf erwischte, der nicht geahndet wurde. Bundestrainer Söderholm ärgerte sich über Reichels K.o.: "Es ist jetzt der dritte Check gegen den Kopf im vierten Spiel", sagte der Finne und fügte an: "Es hilft uns nichts, dass ein Spieler im Nachhinein gesperrt wird."

Die erste gute deutsche Möglichkeit ging auf das Konto von Tobias Rieder, der die Scheibe in Minute sieben an den Pfosten setzte. Meist aber standen die Kasachen sehr kompakt und eng vor dem eigenen Tor, in dem in Nikita Boyarkin ein starker Torhüter stand.

"Wir müssen in der offensiven Zone als Erste an der Scheibe sein", warf Rieder in der ersten Drittelpause am Sport1-Mikrofon als Lösungsvorschlag in den Raum. Ab dem Mitteldrittel musste das DEB-Team auf den am Kopf getroffen Reichel verzichten - und geriet in Rückstand: Alexander Shin traf unter die Querlatte, Marcel Brandt hatte die Scheibe bei seinem Blockversuch leicht mit seinem Schlittschuh abgefälscht (27.). Doch die deutsche Mannschaft fing sich schnell, Tom Kühnhackl sorgte mit einem platzierten Schuss ins rechte Kreuzeck nur drei Minuten später für das 1:1 (30.). Der zweimalige Stanley-Cup-Sieger bestätigte damit, dass Riga ein gutes Pflaster für ihn ist. 2016 hatte er mit seinem entscheidenden Treffer in der Olympia-Qualifikation an selber Stelle dafür gesorgt, dass Deutschland überhaupt erst zu den Olympischen Spielen 2018 in Südkorea reisen konnte. Dort holte das DEB-Team Silber - und tritt seitdem mit einem ganz anderen Selbstverständnis auf.

Das deutsche Selbstbewusstsein wuchs auch gegen Kasachstan von Minute zu Minute. Matthias Plachtas vermeintliches Tor zum 2:1 in Minute 34 wurde nachträglich wegen Abseits aberkannt, doch nur eine Minute später markierte Markus Eisenschmid in Überzahl die 2:1-Führung. Auch bei diesem Tor griff Kasachstans Trainerbank auf die sogenannte Coaches Challenge zurück, sprich die Möglichkeit, die Schiedsrichter bei strittigen Szenen zum Videobeweis zu beordern. Diesmal bestätigten die Unparteiischen aber den Treffer. "Wir haben sehr gut gespielt, nachdem wir das Gegentor bekommen haben", sagte Berlins Marcel Noebels. In der Schlussphase des Mitteldrittels schienen bei den Kasachen, die tags zuvor gegen die USA gespielt hatten, mehr und mehr die Kräfte zu schwinden - die defensive Kompaktheit ging damit verloren.

Eine strittige Penalty-Entscheidung brachte sie zu Beginn des Schlussdrittels aber zurück ins Spiel, Kapitän Roman Starchenko überwand Niederberger zum 2:2 (41.). Knapp vier Minuten vor Ende stolperte dann Brandt, und Pavel Akolzin schloss so seinen Alleingang zum 3:2-Siegtreffer ab. Nach dem vierten Spiel innerhalb von nur sechs Tagen hat das deutsche Team nun erstmals zwei Tage Pause, ehe es am Samstag gegen Weltmeister Finnland weitergeht (19.15 Uhr). Da weiß der Finne Söderholm mit Sicherheit auch, was auf ihn zukommt.

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