Süddeutsche Zeitung

Eishockey-WM: Deutschland:"Wir sind wieder wer!"

Die deutsche Mannschaft zügelt bei der Eishockey-WM rechtzeitig ihre Aggressivität und zeigt eine Eigenschaft, die während Turnieren von hohem Wert sein kann: Lernfähigkeit.

Michael König

Zwei der Protagonisten des Spiels standen eng umschlungen in den Katakomben der Kölner Arena. Der eine war Felix Schütz, Stürmer der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft. Der andere war sein Stock. "Den geb ich jetzt nicht mehr aus der Hand", sagte Schütz, lächelte und drückte das Spielgerät an sich, mit dem er das vorentscheidende 2:1 gegen Dänemark erzielt hatte. Kurz darauf hatte Nikolai Goc getroffen und den 3:1-Sieg perfekt gemacht, der es Deutschland erlaubt, bei der Heim-WM in die Zwischenrunde einzuziehen.

Offenbar fürchtete Schütz, jemand könne den Stock rauben oder ihm die magischen Kräfte nehmen. Aberglaube ist ein fester Bestandteil des Eishockeysports - nicht wenige Spieler sind sich etwa sicher, die Länge ihres Bartes habe unmittelbare Auswirkungen auf ihr Abschneiden in Entscheidungsspielen. Ein anderer fester Bestandteil des Sports ist die Aggressivität, und auch auf diesem Feld hatte Deutschland an diesem Mittwochabend einiges zu bieten.

"Wir wussten, dass die irgendwann nachlassen würden, wenn wir wir von Anfang an Druck machen", sagte Schütz und hatte das Erfolgsrezept somit in wenigen Worten erklärt. Wobei der Druck im Prinzip nicht "gemacht" werden musste, es gab ja reichlich davon. Deutschland musste unbedingt gewinnen, um den schon gesicherten Dänen in die Zwischenrunde zu folgen. Es lastete also ohnehin ein großer Druck auf dem Team. Es ging nur darum, ihn zu kanalisieren.

"Wir wollten hart auf den Körper fahren, jede Chance nutzen, um drauf zu gehen", erläuterte Kapitän Marcel Goc. Bundestrainer Krupp sagte, man habe sich mit dem Gegner "anlegen" wollen, "an der Grenze des Erlaubten." Am Anfang ging das schief, Deutschland erhielt in den Anfangsminuten drei Strafzeiten und kassierte in Unterzahl das 0:1. Das Konzept, Dänemark mit aggressiver Spielweise den Schneid abzukaufen, drohte früh zu scheitern.

Dann zeigte sich allerdings, dass Krupps Team eine Eigenschaft besitzt, die während Turnieren von hohem Wert sein kann: Lernfähigkeit. In der Folge spielten die Deutschen zwar weiterhin aggressiv, aber nicht mehr regelwidrig. Torchancen ergaben sich beinahe zwangsläufig, und als Marcel Goc eine von ihnen zum 1:1 verwertete, konnte die Party beginnen.

Eine große Mannschaft

"Wir haben uns auf die Linie der Schiedsrichter eingestellt", sagte Stürmer Christoph Ullmann. "Wenn man die Anfangsminuten mal weglässt, war das ein verdienter Sieg." Niemand wollte ihm widersprechen, auch nicht Dänemarks Trainer Per Bäckmann, der vor dem Spiel noch gesagt hatte, die DEB-Auswahl habe nicht das Niveau der übrigen Gruppengegner Finnland und USA. Nach dem Spiel sagte Bäckmann: "Deutschland hat eine große Mannschaft."

Krupp vergaß nicht, den Anteil des Publikums am Erfolg zu würdigen, schließlich war die Arena wieder einmal ausverkauft gewesen - wie bei bisher allen Spielen der DEB-Auswahl. "Das Publikum natürlich ein enorm wichtiger Faktor für uns", sagte der Bundestrainer, als er nach der Partie in den Katakomben des Stadions das Geschehen analyisierte.

Vor den Toren der Arena gaben die Fans das Kompliment zurück: "Uwe Krupp, du bist der beste Mann" sangen sie und bemühten ein Zitat, das aus dem Jahre 1954 stammt: "Wir sind wieder wer!"

Nun hat das Erreichen der Zwischenrunde wohl noch nicht die Strahlkraft, die von dem WM-Triumph der Fußballer 1954 in Bern ausging. Trotzdem treibt sie die Euphorie um das Team in neue Höhen: "Jetzt ist alles möglich", sagte Torjäger Schütz.

Auch da wollte niemand so recht widersprechen, denn nach dem deutschen Spiel verloren die Olympia-Silbermedaillengewinner aus den USA mit 2:3 gegen Finnland - und müssen nun in der Relegation gegen den Abstieg spielen. Und die Kanadier, Olympiasieger und haushohe Favoriten auf den WM-Titel, verloren in Mannheim mit 1:4 gegen die Schweiz.

Außerdem kommt nun wieder der eishockeytypische Aberglaube ins Spiel: Nicht wenige Fans sind der Auffassung, dass Deutschland in der Vergangenheit oft genug verloren habe, um nun endlich mal etwas zu gewinnen. Oder, wie es der Berliner Routinier und Ersatzkapitän Sven Felski ausdrückte: "Wir sind ja schon oft genug auf die Fresse gefallen. Da ist es wichtig, dass wir mal belohnt werden."

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