Deutschland gewinnt bei der Eishockey-WM:Mit Glück und Grubauer

Deutschland gewinnt bei der Eishockey-WM: Einmal war Philipp Grubauer geschlagen: Kristian Pospisil trifft per Bauerntrick zum 1:2.

Einmal war Philipp Grubauer geschlagen: Kristian Pospisil trifft per Bauerntrick zum 1:2.

(Foto: Imago/Imago/ActionPictures)

Nach der Auftaktniederlage gegen Kanada gewinnt die deutsche Nationalmannschaft beim 2:1 gegen die Slowakei ihr erstes WM-Spiel. Als es am Ende hektisch wird, überragt Torhüter Philipp Grubauer.

Von Johannes Schnitzler, Helsinki

Toni Söderholm hatte seinen Spielern freigestellt, wie sie sich das 3:5 gegen Kanada aus den Knochen und den Köpfen schütteln wollten: mit einer Runde Fußball, draußen auf Kunstrasen; oder bei ein paar lockeren Skating-Runden und Schussübungen in der Trainingshalle. Nur 24 Stunden nach der WM-Auftaktniederlage in Helsinki gegen den Weltmeister musste die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft am Samstagabend schon wieder ran, gegen die Slowakei diesmal. Die wichtigste Vorbereitungseinheit, die der Bundestrainer davor angesetzt hatte, fand deshalb auf dem Trockenen statt: Taktisches Verhalten bei Unterzahl.

Gegen Kanada hatte Söderholms Team in drei Situationen zwei Gegentore zugelassen, zu viel, um gegen körperlich robuste Slowaken in einem mutmaßlich physisch geprägten Spiel zu bestehen. "Unterzahl braucht ein bisschen Zeit, aber die Zeit werden wir uns nehmen", sagte NHL-Verteidiger Moritz Seider. Und er versprach: "Wir werden mit einem besseren Start aus dem Gate schießen, und dann wird es ein spannendes Spiel."

Seider sollte recht behalten. Nach 60 atemlosen Minuten stand es 2:1 (0:0, 2:1, 0:0) - der erste Sieg für die deutsche Nationalmannschaft bei dieser WM. "Das war vielleicht vom Tempo her auf dem höchsten Niveau, seit ich hier bin, nicht nur das Unterzahlspiel", sagte Söderholm. "Vom Torwart bis zur vierten Reihe haben alle leidenschaftlich gearbeitet. Emotionen, Zweikämpfe, alles okay."

Die Schüsse der Slowaken waren bei Torwart Grubauer sicher verwahrt

Erwarten durfte man ein Duell zwischen zwei Teams auf Augenhöhe, die Slowakei, Achte in der Weltrangliste, gegen den Neunten Deutschland, die einen im Durchschnitt 1,85 Meter groß, die anderen nur einen Zentimeter kleiner. Die Partie gegen den Olympia-Dritten von Peking ließ sich auch kondensieren auf das Duell zweier Hochbegabter. Auf deutscher Seite Tim Stützle, 20, seit knapp zwei Jahren Stürmer in der besten Eishockeyliga der Welt, 2020 von den Ottawa Senators an dritter Stelle ausgewählt, so früh wie vor ihm nur ein Deutscher: Leon Draisaitl. Und bei den Slowaken Juraj Slafkovsky, 18-jähriger Wunderknabe aus Kosice, der noch in Finnland bei TPS Turku unter Vertrag steht und für den nächsten NHL-Draft im Sommer ähnlich hoch gehandelt wird wie Stützle. Slafkovskys Stern ging bei Olympia im Februar steil auf: Sieben Treffer in sieben Spielen erzielte der 99-Kilo-Jüngling. Auf dem Weg zu Bronze schalteten die Slowaken auch das deutsche Team aus (4:0).

Deutschland gewinnt bei der Eishockey-WM: Tor Nummer zwei: Leo Pföderl trifft und legt den Grundstein zum Sieg über die Slowakei.

Tor Nummer zwei: Leo Pföderl trifft und legt den Grundstein zum Sieg über die Slowakei.

(Foto: Imago /Imago/Action Pictures)

Söderholm hatte sich für dasselbe Line-up entschieden wie am Vorabend, also auch wieder mit Philipp Grubauer (Seattle) im Tor. Der hatte gut zu tun, musste aber nicht schon nach sechs Sekunden eingreifen wie am Freitag. Auch sein Gegenüber Patrik Rybar war in Bewegung, denn das deutsche Team hatte seinem Trainer zugehört: "Du kannst dich nicht nur die ganze Zeit in der defensiven Zone verteidigen und erwarten, dass du gewinnst, das geht nicht", hatte Söderholm gemahnt. Und so entwickelte sich eine schnelle, ausgeglichene Anfangsphase mit Vorteilen für die Slowakei zwar, aber ohne die ganz großen Chancen. Das DEB-Team verriegelte zumeist aufmerksam die Zone vor dem Tor, Schüsse der Slowaken von der Seite oder aus der Distanz waren bei Grubauer sicher verwahrt. Ihre größte Chance ließ wiederum die deutsche Mannschaft ungenutzt, als sie zwei Minuten in Überzahl agieren durfte: Der Puck lief, aber er flog nicht aufs Tor, weder vom Schläger Stützles noch von sonst einem. Nach 20 Minuten stand es noch 0:0.

Besser, sehr viel besser, machten sie es nach der ersten Pause. Matthias Plachta trug die Scheibe beherzt ins gegnerische Drittel, legte quer vors Tor zum mitgelaufenen Verteidiger Moritz Müller, doch der Kapitän musste gar nicht mehr ran: Wenn schon nicht von einem deutschen Schläger, dann fand die Scheibe eben von einem slowakischen Schlägerblatt ihren Weg ins Netz. Das Tor wurde offiziell Plachta gutgeschrieben (22.). Keine Zweifel über den Schützen gab es fünf Minuten später. 2-gegen-1-Konter der Deutschen über Leo Pföderl, Schuss Marcel Noebels, Parade Rybar, Nachschuss Pföderl, Tor (27.). Mit einer spektakulären Fußabwehr malte Grubauer kurz darauf ein dickes Ausrufezeichen dahinter: Deutschland führte 2:0!

Das slowakische Team, seit 2017 von einem Kanadier trainiert, ist noch dabei, sich zu finden

Die Slowaken hatten sich in ihrem ersten Spiel zu einem 4:2 gegen Frankreich gequält, einen der beiden Nachrücker für die suspendierten Teams aus Russland und Belarus, und dabei einen 2:0-Vorsprung zwischenzeitlich aus der Hand gegeben. Das Team, das seit 2017 vom kanadischen Trainer-Denkmal Craig Ramsay, 71, betreut wird, sucht sich noch. Aus dem Olympia-Kader fehlen Peter Cehlarik und Kapitän Marek Hrivik, ihre beiden besten Scorer der WM 2021. Slafkovsky? War bis dahin kaum zu sehen.

Stattdessen machte Kristian Pospisil (32.) auf sich aufmerksam, der Grubauer mit dem alten "Bauerntrick" zum 2:1 überwand. Die Chance zur Korrektur ergab sich sofort: 5:3-Überzahl für das deutsche Team - gegen Kanada hatte das zu zwei Toren geführt. Doch auch die Slowaken kämpften leidenschaftlich. Rybar parierte gegen Stützle, und die Frage war, ob der nächste Treffer der Ausgleich sein würde - oder die Vorentscheidung. Spannend? Sauspannend!

War das Spiel bis dahin intensiv, wurde es jetzt zum Hochdruckbehälter. Grubauer rettete ein Mal, zwei Mal, drei Mal, mit und ohne Stock. Und dann mussten die Deutschen zeigen, ob sie am Vormittag aufgepasst hatten: Powerplay Slowakei. Unterzahl. 46 Sekunden lang drei gegen fünf. Dann 1:14 Minuten vier gegen fünf. Oder: Fünf gegen Grubauer. Geschafft. Zeit durchzuschnaufen? Keine Sekunde. Auch das Spiel schien sich keine Pause mehr zu erlauben, ohne Unterbrechung ging es weiter, und weil auch Alexander Ehl (49.) seine Chance vergab, lief es einfach weiter bis zur 50. Minute, bis Grubauer den 25. Schuss auf sein Tor fing. Am Ende waren es 29, und Siegtorschütze Pföderl mächtig beeindruckt: "Da kommen Schüsse aufs Tor, und du denkst dir, leck mich am Arsch - und der lacht sich kaputt."

Die Slowaken liefen an, ohne nachzulassen, die deutsche Mannschaft konnte sich kaum noch befreien, es wurde rustikal. Aber sie hatte Grubauer. Und das nötige Glück, als die Slowaken ohne Torhüter und mit sechs Feldspielern die letzten Sekunden noch länger machten. Deutschland hat die ersten Punkte auf dem Konto und trifft am Montag auf Frankreich. Wird sicher wieder spannend.

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