Eishockey-WM:Österreich schwebt

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Blutige Nase, aber ein Lächeln im Gesicht, das trotz der 6:7-Niederlage nach Verlängerung nicht mehr weichen will: Österreichs Torschütze Dominic Zwerger. (Foto: Daniel Goetzhaber/GEPA pictures/Imago)

5:0 gegen Kanada: Österreichs Eishockeyteam gelingt bei der WM ein historisches letztes Drittel gegen den Rekordtitelträger. Nur zum Sieg reicht es nicht.

Von Johannes Schnitzler

Die Enkel von David Madlener, Manuel Ganahl und Lukas Haudum können sich auf etwas gefasst machen. Sie ahnen noch nichts davon, sie sind ja nicht einmal geboren. Aber so viel steht fest: Opa wird noch das eine oder andere Mal davon schwärmen, wie 21 tapfere Österreicher an jenem 14. Mai 2024 bei der Eishockey-Weltmeisterschaft in Prag das große Kanada am Rand einer historischen Niederlage hatten. Im letzten Drittel machten Kapitän Thomas Raffl und seine Teamkollegen aus einem 1:6-Rückstand ein 6:6 und holten zum zweiten Mal in ihrer WM-Geschichte einen Punkt gegen den haushohen Favoriten. "Wahnsinn! Geil!", sprach Torschütze Dominic Zwerger stellvertretend für die stolze Nation. Dass sie das Spiel in der Verlängerung noch verlieren sollten: egal. "Ich kriege das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht", sagte Zwerger.

Österreichs Teamchef Roger Bader, 59, ein soignierter Schweizer, war geradezu außer sich: "Ich bin seit 30 Jahren Coach und habe schon verrückte Spiele erlebt. Da war so eine Euphorie, wir sind auf einer Wolke geflogen. Im letzten Drittel fünf Tore gegen Kanada aufzuholen, kann man kaum toppen." Finnland hat mal ein letztes Drittel 5:0 gewonnen, im WM-Finale 2011 gegen Schweden, seitdem wird die Saga Jahr für Jahr an die Nachgeborenen weitererzählt. Aber das war Finnland, eine der großen Eishockeynationen. In Kanada hat jedes Finanzamt mehr registrierte Spieler als der Österreichische Eishockeyverband.

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NHL-Profi Marco Rossi, der 49 Sekunden vor der Schlusssirene den Ausgleich erzielte, sagte: "Es ist unglaublich! Nach dem 1:6 war es eigentlich unmöglich. Und auf einmal haben wir begonnen, Tore zu schießen." Angesichts der Überraschung blieb sogar der sonst forschen Kronen Zeitung die Luft weg, sie titelte eher zurückhaltend: "Österreich verblüfft die Eishockey-Welt." So war es.

Kanada wird nach zwei Gegentreffern nervös

Cozens, Kuhle, Byram, McCann, Bedard, Dubois: Alles deutete auf einen standesgemäßen kanadischen Kantersieg hin. Aber: "Diese ,kleinen' Nationen sind viel besser, als viele glauben", sagte Headcoach André Tourigny, der das Team Canada im vergangenen Jahr im Finale gegen Deutschland (5:2) zum 28. WM-Titel geführt hatte. Österreich habe mit Herz gekämpft. "Und wir wurden nach dem zweiten Tor im Schlussdrittel nervös."

Kanadische Mannschaften haben seit 1930 rund 1600 Drittel bei Weltmeisterschaften gespielt. Fünf Tore kassierten sie dabei nur vier Mal, zuletzt 1981 gegen die Sowjetunion, als die Sbornaja das Welteishockey dominierte und Kanada noch Amateure zu den Weltturnieren schickte, keine NHL-Topspieler wie John Tavares oder Connor Bedard. Im Land des Rekordweltmeisters kümmert man sich zwar mehr um die aktuelle NHL-Playoff-Serie zwischen Edmonton und Vancouver (Zwischenstand 2:2). Aber die Nachricht von der ersten WM-Niederlage gegen die Skination Österreich wollten sie dann doch nicht nach Hause kabeln müssen.

Umso eiliger hatten sie es in der Verlängerung. Kapitän Tavares beendete nach 15 Sekunden den kanadischen Albtraum mit dem 7:6. Aber das war den Österreichern nach einer Millischrecksekunde reichlich egal. "Nach dem zweiten Drittel hat kein einziger Mensch auf dieser Welt mehr an uns geglaubt", sagte Dominic Zwerger, "nicht einmal unsere eigenen Familien wahrscheinlich." Aber die werden noch was zu hören bekommen.

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