Eishockey-Weltmeisterschaft:Ein Kölner Dom in Paris

Die Ausrichterstädte der WM rücken eng zusammen. Die Doppelvergabe soll den Sport voranbringen und mehr Fans anlocken. Das Vorhaben scheint aufzugehen.

Von  Johannes Schnitzler, Köln/München

Paris im Mai: Die Stadt der Liebe, der Monat der Triebe, oh là là. Was für ein Versprechen. Auch Köln hat seine Reize, sicherlich, vor allem aber in der fünften Jahreszeit, wenn der Irrsinn blüht. Wie auch immer: In diesem Mai flanieren die beiden ungleichen Metropolen Hand in Hand durchs Leben. Ensemble pour 2017, mit diesem Slogan hatten sich die Nachbarn um die Ausrichtung der Eishockey-Weltmeisterschaft beworben: Gemeinsam für 2017. Gegensätze ziehen sich ja oft an.

Der Weltverband IIHF fand die Idee so erregend - attraktiver jedenfalls als die konkurrierende Kombination Dänemark/Lettland - dass er das Turnier zum ersten Mal in der 97-jährigen WM-Geschichte gleichzeitig an zwei Partner vergab; Schweden und Finnland teilten sich die Gastgeberrolle erst, nachdem sie unabhängig voneinander den Zuschlag für 2012 und 2013 erhalten hatten. Vom 5. bis 21. Mai tragen der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) und die Fédération Française de Hockey sur Glace (FFHG) nun das Kräftemessen der 16 weltbesten Nationen aus. Es sei ihm eine "affaire de coeur", eine Herzensangelegenheit, sagte Luc Tardif, Präsident der FFHG, und freute sich auf eine "wundervolle Aufgabe". In Paris ließen die Organisatoren einen Kölner Dom en miniature errichten als Zeichen der Verbundenheit, und zwischen beiden Städten saust der Thalys hin und her, der europäische Schnellzug, der die 500 Kilometer in etwas mehr als drei Stunden schafft. Mehr Herzensnähe geht nicht.

Maskottchen Asterix und Obelix posieren am 02 05 2017 in Köln Der Eiffelturm kommt als symbolisch

Französische Abgesandte: Ein Mini-Eiffelturm und zwei Pariser WM-Maskottchen werben in Köln für die Eishockey-WM. Ähnliche Aktionen finden umgekehrt in Frankreichs Haupstadt statt.

(Foto: Horst Galuschka/imago)

Doch wie das bei Zweckehen oft ist: Kaum haben die Frischvermählten das Standesamt verlassen, gehen sie getrennte Wege. Während die deutsche Mannschaft ihre Gruppenspiele in Köln austrägt, wo 34 der 64 Turnierspiele stattfinden, darunter beide Halbfinals, das Spiel um Platz drei sowie das Endspiel, spielen die Franzosen in Gruppe B in Paris (unter anderem gegen Kanada und die Schweiz). Eine pragmatische Lösung.

Wegen der Terrorgefahr wurde die Fanmeile in Paris wieder abgesagt

Frankreich fungierte zuletzt 1968 als WM-Gastgeber, damals noch im Rahmen der Olympischen Winterspiele in Grenoble. Eishockey ist mit rund 17 000 Aktiven nur die Nummer vier bei den Teamsportarten im Land, hinter Fußball, Rugby und Handball. Jahrzehntelang pendelte die Equipe Tricolore zwischen Zweit- und Drittklassigkeit. Dank NHL-Veteranen wie Cristobal Huet, Antoine Roussel oder Pierre-Edouard Bellemare und Profis wie Sacha Treille, Laurent Meunier oder Damien Fleury, die in der DEL reüssierten, hat sich die Nationalmannschaft unter Cheftrainer Dave Henderson mittlerweile in der Top-Division etabliert. Von dieser WM erhofft sich das Team um Präsident Tardif weiteren Schwung. Dafür haben sich die Franzosen in der Vorbereitung mächtig ins Zeug gelegt. Buchstäblicher Höhepunkt der PR-Aktionen war ein Spielfeld auf dem Eiffelturm, 57 Meter über dem Erdboden. Im eishockey-verrückten Köln reichte die Ernennung von Lukas Podolski zum offiziellen WM-Botschafter, um die Hysterie anzufachen.

Eines der wichtigsten Argumente für Köln (und gegen Berlin) als deutscher Spielort war ja gerade die logistische Nähe zu Paris: Das gemeinsame Einzugsgebiet umfasst 32 Millionen Menschen. Die beiden Arenen in Köln (18 500) und Paris-Bercy (14 500) bieten insgesamt rund 900 000 Besuchern Platz. Den Rekord hält seit 2015 Tschechien mit 741 690 Zuschauern. Mindestens 600 000 Tickets wollen die Veranstalter - die steuerlich und wirtschaftlich übrigens auf getrennte Rechnung arbeiten - absetzen, dann wären sie in der Gewinnzone. Eine Woche vor Turnierbeginn waren bereits mehr als 500 000 Karten verkauft. Die Kalkulation geht wohl auf.

Durch zwei Heimteams an zwei Standorten hat sich das wirtschaftliche Risiko minimiert: 2001 (in Köln, Hannover und Nürnberg) und 2010 (Köln, Mannheim), als Deutschland zuletzt die Weltelite empfing, waren zwar die DEB-Spiele Zugnummern. An den anderen Standorten blieben aber Plätze leer. Die Kosten steigen trotzdem: Betrug das Budget 2010 noch zwölf Millionen Euro, hat es sich nun mehr als verdoppelt - auf 25 Millionen. In Köln musste etwa eine neue Sound- und Lichtanlage installiert werden, eine Auflage der IIHF. Kosten dafür: 3,5 Millionen. Bereits vor der Saison wurde eine Flex-Bande installiert, die beim Aufprall nachgibt und die Verletzungsgefahr verringern soll. Insgesamt investierte die Arena-GmbH rund sechs Millionen Euro in die Renovierung. Investitionen in eine Randsportart, die Frankreich allein nicht hätte refinanzieren können. "Ich möchte der IIHF danken, dass sie einem Land wie uns diese Möglichkeit gibt", sagte FFHG-Präsident Tardif. "Es wäre etwas zu viel für uns, die 16 Teams alleine zu begrüßen. Aber so können wir an der Erfahrung unseres Partners teilhaben. Ich denke, dies bedeutet für ein Land wie Frankreich einen Schritt nach vorne."

Während die Karten für die deutschen Spiele laut OK-Generalsekretär Henner Ziegfeld im Vorverkauf weggingen "wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln", erhielt die Vorfreude der Franzosen auf diese WM zuletzt allerdings einige Dämpfer. In Paris gilt nach den Terroranschlägen mit mehr als 230 Todesopfern seit Ende 2015 noch immer der Ausnahmezustand. Anders als in Köln wird es keine Fanzone geben. "In Frankreich wird um die Arena herum ganz wenig passieren", sagt DEB-Präsident Franz Reindl. Die bereits erteilte Genehmigung für eine Fanmeile hoben die Behörden in Paris wieder auf.

Kapitän Ehrhoff: Kölns Verteidiger führt Eishockey-Team an

Köln - Der langjährige NHL-Verteidiger Christian Ehrhoff führt die deutsche Eishockey-Auswahl bei der Weltmeisterschaft als Kapitän aufs Eis. Bundestrainer Marco Sturm ernannte den 34-Jährigen von den Kölner Haien vor dem Auftaktspiel gegen die USA am Freitag (20.15 Uhr/Sport1) zum Spielführer. "Für mich war die Entscheidung einfach", sagte Sturm am Mittwoch: "Er ist schon länger im Geschäft, ich habe selbst mit ihm zusammengespielt. Er hat es sich verdient, die Mannschaft zu führen." Ehrhoff will "als Führungsspieler auf dem Eis vorangehen und ein Vorbild für die jüngeren Spieler sein". Der Abwehrspezialist war nach 13 Jahren in der nordamerikanischen Profiliga NHL im Herbst 2016 in die Deutsche Eishockey Liga (DEL) gewechselt. Nach dem Viertelfinal-Aus mit den Haien absolvierte Ehrhoff die komplette vierwöchige WM-Vorbereitung, er trug dabei bereits das "C" des Kapitäns auf dem Trikot. Seine Assistenten sind NHL-Profi Dennis Seidenberg (New York Islanders) und Moritz Müller (Kölner Haie). sid

Auch in Köln ist die Polizei wachsam. Die Sicherheitsbehörden stünden im ständigen Austausch mit den französischen Kollegen, hieß es, die Lage werde täglich neu bewertet. DEB-Präsident Reindl bemühte sich um Normalität: Zugangskontrollen, wie sie an beiden Standorten zu erwarten sind, seien bei einer WM Standard. In das Kribbeln im Bauch mischen sich wenige Tage vor Turnierbeginn dennoch Sorgen. "Man macht sich seine Gedanken", sagte Nationalverteidiger Christian Ehrhoff, Vater dreier Töchter, vor der Anreise des DEB-Teams nach Köln. Das Attentat auf den Bus von Borussia Dortmund vor drei Wochen habe ihn schockiert: "Man kann nur hoffen, dass alles gut geht."

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