Eishockey-Weltmeister Tschechien:„Ein Traum ist wahr geworden“

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Die tschechische Mannschaft feiert mit ihrer Trophäe nach dem 2:0-Sieg im Finale gegen die Schweiz. (Foto: dpa)

Tschechien gewinnt im eigenen Land die Eishockey-Weltmeisterschaft – und versetzt das Volk in Jubel. Die Schweizer können Silber „langsam nicht mehr sehen“.

Von Christian Bernhard

Das ultimative Gütesiegel kam aus der VIP-Loge. Es war ein schlichtes Nicken, begleitet von einem Lächeln, und es kam von Jaromir Jagr, hoch oben in der tobenden, mit 17 413 Menschen prall gefüllten Prager Eishockey-Arena. Jagr ist eine Art menschgewordener Eishockeygott in Tschechien, trotz seiner 52 Jahre spielt er sporadisch immer noch in der heimischen Eliteliga. Am vergangenen Sonntag war der ikonische Jaromir Jagr aber auch nur einer von Millionen Tschechen, die alle gemeinsam hofften. Darauf, dass die tschechische Eishockey-Nationalmannschaft zu Hause den Weltmeistertitel holt.

Und sie alle bekamen, was sie erhofft hatten. Weil David Pastrnak sich in der 50. Minute des WM-Endspiels gegen die Schweiz clever von seinem Gegenspieler löste und mit einer perfekten Direktabnahme das spielentscheidende 1:0 erzielte – und Jagr zum Nicken brachte. Der Treffer ins leere Tor von David Kämpf, wenige Sekunden vor Spielende, besiegelte den 2:0-Finaltriumph und beendete eine 14-jährige Wartezeit: 2010 hatte sich Tschechien letztmals die Eishockeykrone aufgesetzt, damals in Deutschland.

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Drei Turnierspiele hatte Pastrnak bis zum Finalsonntag bestritten und war dabei, für sehr viele unerklärlich, ohne einen Scorerpunkt geblieben. Doch dann, als es auf daran ankam, als das Land auf ihn blickte, war er da – und lieferte ab. „Er hat auf den richtigen Moment gewartet. Das ist das, was die besten Spieler der Welt tun“, sagte der eisenharte Verteidiger Radko Gudas. Pastrnaks euphorischer Torjubel – er rutschte nach seinem Treffer auf den Knien weit über das Eis – machte deutlich, wie viel aus ihm in diesem Moment emotional herausbrach: „Ich hätte nie gedacht, dass es ein Tor geben würde, das mich zum Rutschen auf meinen Knien bringen würde. Das waren all diese Emotionen, die Fans, das ganze Land.“

Tschechiens Sieg war zugleich die Fortsetzung des Schweizer WM-Final-Fluchs

Das ganze Land machte die 87. Eishockey-WM zu einem Eishockeyfest. 797 727 Fans kamen zu den Spielen in Prag und Ostrava, noch nie hatte es so viele Zuschauer bei einer WM gegeben. Kapitän Roman Cervenka hatte es bereits nach dem Halbfinale treffend gebündelt: „Das ganze Land lebt für Hockey.“ Gudas, neben Pastrnak und Cervenka die dritte Symbolfigur der Gold-Mannschaft, war überwältigt. Er habe noch nicht realisiert, was geschehen sei, sagte er: „Ein Traum ist wahr geworden. Der Traum eines jeden Kindes, das in Tschechien auf der Straße anfängt, Hockey zu spielen.“

Pastrnak war so wie seine NHL-Kollegen Pavel Zacha und Martin Necas erst vergangene Woche zur Mannschaft gestoßen, direkt nach ihrem Ausscheiden aus den NHL-Playoffs. Dort, in der nordamerikanischen Profiliga, der besten der Welt, gehört der 28-Jährige zu den besten Spielern, in dieser Saison hatte er zum zweiten Mal in Serie die 100-Scorerpunkte-Marke übertroffen. Dieses Jahr aber hoffte ganz Eishockey-Tschechien, dass seine Boston Bruins zeitig schon aus den NHL-Playoffs ausscheiden würden, damit er, der bedeutendste Spieler dieser tschechischen Eishockeygeneration, zur Heim-WM nachziehen konnte.

Pastrnaks Gesicht, es lächelte von unzähligen Plakaten und Säulen im Land. Die vorerst letzte goldene Eishockeygeneration, die Tschechien hatte, war jene um Jagr und Torhüter Dominik Hasek, die nicht nur Olympiagold 1998 in Nagano holte, sondern bis 2010 noch fünf WM-Titel folgen ließ. Seitdem blieb der große Triumph aus – bis zur magischen Eishockeynacht am Sonntag. „Als wir Kinder waren, wollte jeder so werden wie Jagr“, hatte Pastrnak noch vor wenigen Wochen erzählt. Am Sonntag überreichte ihm Jagr die Trophäe für den Spieler des Spiels.

Tschechiens Triumph bedeutete zugleich die Fortschreibung des Schweizer WM-Finalkalamitäten. Zum dritten Mal nach 2013 und 2018 stand eine Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft in einem WM-Endspiel, zum dritten Mal verlor sie es. „Das tut weh, die Silbermedaille mag ich langsam nicht mehr sehen“, sagte Nationaltrainer Patrick Fischer, der wie Kapitän Roman Josi, der zum besten Verteidiger des Turniers gekürt wurde, Angreifer Nino Niederreiter und Torhüter Reto Berra bei all diesen drei Endspielen mit dabei war. Am Ende habe ein Schuss den Unterschied gemacht, sagte Fischer – der Schuss von David Pastrnak.

Für Tschechiens Nationaltrainer Radim Rulik schloss sich mit diesem Schuss ein Kreis. Er war 1985, als damals 19-Jähriger, trampend nach Prag gereist, mit der Hoffnung, noch eine Eintrittskarte für die Meisterrunde der Weltmeisterschaft zu ergattern. Als das nicht klappte, machte er sich wieder auf den Heimweg und hörte am Radio mit, wie sich die damalige Tschechoslowakei zu Hause Gold sicherte. Jetzt, 39 Jahre später, dirigierte er die Auswahl seines Landes zum Titel – und versetzte wieder ein Land in Jubel.

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