Streit um Gehaltsverzicht:Gar nichts ist gut im deutschen Eishockey

22.12.2019 - Eishockey - Saison 2019 2020 - DEL - 30. Spieltag: Eisbären Berlin - Thomas Sabo Ice Tigers Icetigers Nürnb

Düstere Zeiten kommen auf das deutsche Eishockey zu: Angesichts der Forderungen der Liga nach Gehaltsverzicht gehen die Spieler schon mal in Abwehrhaltung.

(Foto: Thomas Hahn/imago)

Im Streit zwischen zwischen Profis und Liga-Vertretern spitzt sich die Situation zu. Im Fokus stehen die Spielergehälter, die Rede ist von "Willkür" bis "Erpressung".

Von Johannes Schnitzler

Drei Zeilen. Drei Zeilen, die sagen wollen: Alles ist gut. "Alle 14 Clubs der Deutschen Eishockey Liga (DEL) haben ihre Unterlagen für das Lizenzierungsverfahren für die Saison 2020/2021 bei der Ligagesellschaft eingereicht. Stichtag war der 24.05. für die Abgabe der Unterlagen." Diese Nachricht verließ am Montag das Ligabüro der DEL in Neuss, nahm ihren Weg über den üblichen Presseverteiler und kam um 11.02 Uhr in München an.

Alles gut?

Was die Nachricht nicht enthält, ist die Information, ob die 14 Klubs ihre Unterlagen vollständig zur Prüfung eingereicht haben. Vollständig heißt: inklusive der Unterschriften aller für die kommende Saison unter Vertrag stehenden Spieler, dass sie auf 25 Prozent ihres Gehalts verzichten. Über diese und weitere "Corona-Klauseln" ist in den vergangenen Tagen ein heftiger Streit entbrannt zwischen den Gremien der Liga, den Klubs und den Profis. In vielen Gesprächen erheben Spieler, aber auch Klubvertreter Vorwürfe gegen die Liga, von "Willkür", "kollektiver Nötigung" bis "Erpressung" ist die Rede. Die Spieler unter Federführung der Kapitäne Moritz Müller, 33, Köln, und Patrick Reimer, 37, Nürnberg, haben die Gründung einer eigenen Interessenvertretung angekündigt.

Gar nichts ist gut im deutschen Eishockey, und das zwei Jahre nach dem olympischen Feiertag in Pyeongchang.

Etliche Spieler wittern ein Manöver der Liga, die Gehälter drücken zu wollen

Der Kern des Konflikts in Kurzform: Nach dem virusbedingten Abbruch der Saison nach Abschluss der Hauptrunde sprach DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke von Einnahmenverlusten für die Liga von bis zu 20 Millionen Euro. Ob die kommende Saison wie geplant am 18. September starten kann, ob mit Zuschauern oder ohne, ist offen - in Berlin etwa sind Großveranstaltungen bis 24. Oktober verboten, darunter fielen auch Heimspiele der Eisbären. Viele Geldgeber wollen oder können in der gegenwärtigen Situation ihr Sponsoring nicht im bisherigen Umfang fortführen. "Die Sponsoren sind nicht verrückt. Die geben ihr Geld nicht ohne Gegenleistung", sagt Lothar Sigl, geschäftsführender Gesellschafter der Augsburger Panther und Mitglied im Aufsichtsrat der DEL. Geld fließt also nur, wenn gespielt wird. Aber selbst Geisterspiele sind für die stark von den Zuschauereinnahmen getriebenen Klubs keine Option, deshalb wurde auf die Austragung der Playoffs verzichtet. 2020 gibt es keinen deutschen Meister.

Die von der DEL beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sprach zeitig eine Warnung aus: Sollten die Klubs mit den bisherigen Zahlen operieren, fielen sie hochkant durch. Deshalb diskutieren Aufsichtsrat und Klubs seit Wochen Überlebensstrategien. Auch Spielervertreter waren eingebunden. Konsens ist, dass es nicht ohne Einschnitte gehen wird.

Den Spielern stößt es gallensauer auf

Den Profis wurde bedeutet, ohne Gehaltsverzicht erhielten ihre Klubs keine Lizenz. "Insbesondere die Spielergehälter sind der zentrale Kostenfaktor und der einzige Posten, der steuerbar ist", sagt DEL-Geschäftsführer Tripcke: "Es ist die einzige Möglichkeit, die Fixkosten der Klubs zu reduzieren." Das Geld soll eingefroren und anteilig ausbezahlt werden, falls die Klubs mindestens 75 Prozent ihrer Vorjahreseinnahmen erzielen - was angesichts der vielen Unbekannten ausgeschlossen sein dürfte. Die 25 Prozent sind futsch. Viele Spieler beteuerten dennoch, dass sie bereit seien, ihren Klubs zu helfen. Im Kleingedruckten aber erkennen sie einige Stolperfallen.

So werden die 25 Prozent fällig, sobald der Arbeitsvertrag des Spielers beginnt. Nun stellen manche Klubs ihre Spieler für zwölf Monate an, andere aber nur für acht oder neun Monate. Bis zum Saisonbeginn wiederum sollen die Profis in Kurzarbeit gehen. Die Liga soll ihren Gesellschaftern empfohlen haben, zu 100 Prozent staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Die liegt bei maximal 2900 Euro pro Monat. Ein Spieler, der pro Jahr 120 000 Euro netto verdient (und damit in der DEL bei einem Durchschnittseinkommen von rund 75 000 Euro zu den Besserverdienern zählt), bekäme bei einem Vollzeitvertrag statt 10 000 Euro im Monat also weniger als ein Drittel - und müsste damit auf rund 70 Prozent seines Gehalts verzichten. Vorausgesetzt, die Arbeitsämter erkennen überhaupt einen Anspruch auf Kurzarbeit an. Dies und das Junktim "Keine Unterschrift = keine Lizenz für den Klub" stößt den Profis gallensauer auf. (Ganz nebenbei: Trainer und Geschäftsführer sind von der Verzichtserklärung nicht betroffen.)

Manche Klubs rieten ihren Angestellten - inoffiziell - dazu, nicht zu unterschreiben

Etliche Spieler wittern ein Manöver, um unter dem Vorwand der Krisenbewältigung strukturell die Spielergehälter drücken zu wollen. Ein aktueller deutscher Nationalspieler sagte vergangene Woche: "Statt die Abgabefrist für die Unterlagen zu verlängern, setzt man uns lieber unter Druck und gibt uns keine Zeit, uns juristisch beraten zu lassen."

Die Klubs gingen mit der Situation unterschiedlich um. Bremerhaven meldete, alle Unterschriften lägen vor, Pinguins-Geschäftsführer Hauke Hasselbring sagte: "Unsere Spieler haben die Situation verstanden." Andere rieten ihren Angestellten - inoffiziell - dazu, nicht zu unterschreiben. Die meisten spielen offenbar auf Zeit.

Die neuen Vertragsentwürfe seien den Profis zugegangen, sagte Eisbären-Geschäftsführer Peter-John Lee, sobald sie unterschrieben zurück seien, gingen sie an die DEL. Es sei nicht möglich gewesen, sofort alle neuen Anforderungen zu erfüllen. In der Berliner Morgenpost wird Lee mit den Worten zitiert: "Wir versuchen, das so schnell wie möglich zu erledigen. Es ist ein bisschen mehr Papierkram als sonst." Aus mehreren Quellen heißt es nun, die Papiere könnten nachgereicht werden. Die DEL wollte das nicht bestätigen. Man müsse die Unterlagen erst sichten. "Wir starten jetzt mit dem Prüfungsverfahren. Dies wird wie immer bis voraussichtlich Ende Juni dauern", sagte Gernot Tripcke der SZ.

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