Eishockey:Straubings Kern-Formel

Sport Bilder des Tages Torjubel Travis Turnbull 71 Straubing Tigers HC Davos vs Straubing Tige; Eishockey - Straubing Tigers - Travis Turnbull

In dieser noch jungen Saison inklusive Vorbereitung schon fünf Treffer für die Straubing Tigers: Zugang Travis Turnbull hat derzeit allen Grund, grinsend über die Eisfläche zu laufen.

(Foto: Thomas Hahn/imago)

Mit einem kaum veränderten Kader ist der DEL-Klub so gut in die Saison gestartet, dass Beobachter schon von der direkten Playoff-Teilnahme der Tigers träumen.

Von Johannes Kirchmeier

Der Mann, der ihm gegenübersaß, schluckte nach diesen Sätzen im Frühjahr, das merkte Straubings Sportlicher Leiter Jason Dunham. Gerade hatte er seinem Verhandlungspartner Travis Turnbull eröffnet, was er sich von ihm erwarte, wenn dieser zu den Tigers nach Niederbayern wechsele: Er meinte vor allem freiwillige Arbeitsschichten für den Eishockey-Spieler. Dunham erklärte Turnbull dabei relativ deutlich, dass er nicht mehr unbedingt die idealen Voraussetzungen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) mitbringe: "Wenn du heutzutage nicht schnell laufen kannst, kannst du nicht spielen." Soweit zur Lage in der schnellsten Mannschaftssportart der Welt, in der die Spieler immer jünger und immer flinker werden. Turnbull, ein erfahrener DEL-Spieler, wird dagegen nicht jünger. Er ist mittlerweile 33 Jahre alt. Aber er versprach Dunham, im Sommer an sich zu arbeiten. Dann unterschrieb er den Vertrag bei den Straubing Tigers.

81 Punkte: Die vergangene Hauptrunde war die stärkste in der Historie der Straubing Tigers

Zumindest nach dem Auftaktwochenende der DEL-Saison 2019/20 und vor den Heimspielen der Tigers an diesem Freitag und Sonntag gegen Bremerhaven und Düsseldorf lässt sich festhalten: Das Gespräch hat sich gelohnt. In der vergangenen Saison erreichte Turnbull 18 Scorerpunkte für die Iserlohn Roosters, nun legt er für Straubing gut los. Nach drei Toren in der Vorbereitung erzielte er am vergangenen Freitag beim 4:3-Sieg nach Verlängerung gegen die Krefeld Pinguine den ersten Saisontreffer der Straubinger, zudem gab er eine Vorlage. Zwei Tage später ließ er früh im Spiel das nächste Tor bei seinen ehemaligen Teamkollegen in Iserlohn folgen, die Tigers siegten 3:2 nach Penaltyschießen und schafften so einen Paradestart. Ach ja, den entscheidenden Penalty verwandelte: Travis Turnbull. Danach glitt er jubelnd übers Eis und sein Lächeln legte eine sportartübliche Zahnlücke frei.

Warum der variable Angreifer nun plötzlich wieder so gut in Form ist? "Er ist sieben Kilo leichter als im Frühjahr", erklärt Dunham. Das "sieben Kilo" wiederholt er voller Bewunderung zweimal, bevor er weiterspricht. Turnbull selbst sagt, dass er sich im Sommer so akribisch vorbereitet hat wie noch nie.

Nicht nur deshalb sind die Straubinger gleich von Beginn an wieder erfolgreich, nachdem sie in der vergangenen Saison mit 81 Punkten die stärkste Hauptrunde ihrer Vereinshistorie schafften. Der starke Start liegt wohl auch daran, dass Turnbull nur einer von fünf Zugängen ist. Der Rest kennt sich, für Dunham ist das elementar: "Wenn du einen Kern hast, bringt dich das im Mannschaftssport nach vorne", sagt er. Wie sehr er an diese Formel glaubt, zeigt der Umstand, dass er noch kurz vor dem Saisonstart mit den Verteidigern Marcel Brandt und Stephan Daschner bis 2023 verlängerte. Ein netter Nebeneffekt: Straubings Kern spielt nun schon ein Jahr lang den Stil von Trainer Tom Pokel, der darauf setzt, aus einer kontrollierten Defensive heraus als unangenehmer Gegner aufzutreten. "Ich mag die Art, wie die Mannschaft Eishockey spielt", sagt Turnbull.

Straubing konnte Topscorer Williams und dessen besten Vorlagegengeber Connolly halten

Dunham schaffte es zudem, sowohl den DEL-Topscorer der Vorsaison, Jeremy Williams, als auch seinen besten Vorlagegengeber, Mike Connolly, zu halten. Beim entscheidenden Treffer gegen Krefeld kooperierten beide schon wieder. Daher folgern im Umfeld des Klubs einige, dass die gewachsene Mannschaft noch mehr erreichen sollte. Die Straubinger Anhänger träumen von der direkten Playoff-Teilnahme, zu der Rang sechs berechtigt. Recht wäre das natürlich auch Dunham. "Aber nichtsdestotrotz brauchen wir dafür mindestens die gleiche Leistung. Und wir hatten viel Glück letztes Jahr." Damit meint er vor allem die verletzungsfreie Spielzeit, aber auch ein paar Partien, die die Tigers spät zu ihren Gunsten drehten. Dieses späte Glück erarbeiteten sie sich allerdings auch am vergangenen Wochenende schon wieder. Nach Rückständen trafen sie jeweils im letzten Drittel zum Ausgleich und drehten danach die Partie. Dunham weiß: "Für uns heißt es auch in dieser Saison: Arbeitsstiefel drauf und fighten!"

Wie sehr das für seinen Verein im Gesamten gilt, zeigte der Sommer in Straubing. Die Stadt werkelte am Eisstadion, die Eispiste wird in der spielfreien Zeit 2019 und 2020 erneuert. Dafür müssen sich die Fans etwas umstellen, die Spieler sprinten in diesem Winter einige Zentimeter tiefer übers Eis, erst nächste Saison bewegen sie sich wieder auf der gewohnten Höhe. Beim Auftakt gegen Krefeld machte zudem die Kühlung der neuen Piste Probleme. Nebel zog auf im Stadion am Pulverturm, die Partie musste dreimal unterbrochen werden. Doch wer Niederbayern kennt, der weiß: Sie haben sich längst wieder die Arbeitsstiefel angezogen und an einer Lösung gewerkelt. Bei den Heimspielen an diesem Wochenende soll es daher nicht mehr neblig werden, ihr Torjäger Travis Turnbull braucht ja einen guten Durchblick.

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