Eishockey:"Schwarzer Tag": Saisonende finanzielle "Katastrophe"

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Gernot Tripcke, Geschäftsführer der Deutschen Eishockey Liga, hofft auf finanzielle Hilfe der Politik. Foto: Uwe Anspach/dpa (Foto: dpa)

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Köln (dpa) - Nach dem "bittersten Tag unserer Geschichte" setzt die Deutsche Eishockey Liga auf staatliche Hilfe.

Den vorzeitigen Saisonabbruch stufte die Liga wirtschaftlich als "eine Katastrophe" ein, deren genauen Ausmaße noch nicht beziffert werden können. "Da ist sicherlich der Staat in irgendeiner Weise gefragt", sagte der DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke. Welche Konsequenzen sich für den laufenden Fernsehvertrag mit der Telekom ergeben, war zunächst unklar - ein solches Szenario wie jetzt als Folge des Coronavirus hat es schließlich noch nicht gegeben.

Tripcke kündigte an, dass die DEL die Bundesregierung um Ausgleichszahlungen bitten werde. "Sobald sie da sind, werden wir das tun. Wir hoffen, dass eins der Pakete auch uns hilft", sagte der Liga-Chef bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz.

Die wirtschaftlichen Folgen dürften schwerer wiegen als das plötzliche Ende aller sportlichen Träume. Die Playoffs sind die lukrativste Phase der Saison, in der das Eishockey sich am besten vermarkten kann. Mehr als 400.000 Zuschauer hatten die K.o.-Spiele 2018/19 insgesamt besucht. Den Eisbären Berlin etwa entgehen nun Bruttoeinnahmen in Höhe von etwa 200.000 Euro pro Heimspiel. Mehrere Clubs wie der potenzielle Halbfinalist Straubing haben einen Etat im einstelligen Millionenbereich, die Vereine sind auf die Ticketeinnahmen angewiesen. Über die Saison hinweg würden die Zuschauereinnahmen "60 bis 70 Prozent" ausmachen, sagte Tripcke.

Dass am Dienstag, nur einen Tag vor dem Beginn der ersten Playoff-Runde, die Saison ohne einen Meister beendet wurde, hat auch für die Fernsehpartner Folgen. Die Telekom als Rechtehalter nahm die Entscheidung schlicht "zur Kenntnis". Tripcke deutete an, dass Rückzahlungen nicht ganz ausgeschlossen sind. "Die Telekom war natürlich informiert. Sie war logischerweise nicht begeistert", sagte Tripcke im Podcast "Shorthanded News". Auch Sport1 ist betroffen.

Von einem "schwarzen Tag für das deutsche Eishockey" sprach Adler-Gesellschafter Daniel Hopp im "Mannheimer Morgen". Nürnbergs bisheriger Namensgeber Thomas Sabo drückte mit dem "wohl bittersten Tag unserer Geschichte" sein Entsetzen aus. Dass er sich als Hauptsponsor der Franken zurückzieht, steht schon länger fest.

Die Nürnberger hatten bei den stundenlangen Beratungen nach eigenen Angaben auf eine verkürzte Playoff-Saison gedrungen. Der Vorschlag wurde aber ebenso abgelehnt wie das Spielen vor leeren Rängen, der Schaden wäre damit noch größer gewesen. Hauptrundensieger München habe, so Tripcke, schnell klargestellt, nicht am grünen Tisch deutscher Meister werden zu wollen. Das sei kein Thema gewesen.

Am Ende sei die Entscheidung zum Abbruch, die erstmals in der 26-jährigen DEL-Geschichte getroffen wurde, "fast" einstimmig gefallen, sagte Tripcke und sprach von nun anstehenden "wirtschaftliche Aufräumarbeiten".

Dass das Vorzeigeprodukt ausfällt, wird für die Liga die aktuelle Suche nach einem neuen Hauptsponsor erschweren. Die Playoffs seien "das beste Verkaufsmaterial, das wir haben. Dass das nicht hilft, ist selbstverständlich", gab Tripcke zu. Die Vereine müssen bereits verkaufte Tickets zurückzahlen. So war zum Beispiel das erste Heimspiel von Augsburg gegen Ingolstadt mit gut 6000 abgesetzten Tickets bereits ausverkauft. Die Frage, ob Spieler Playoff-Prämien erhalten, ist von der einzelnen Vertragslage abhängig.

Die Profis bleiben mit vielen Ungewissheiten zurück. "Brutal", welche Auswirkungen das Virus habe, konstatierte der Olympia-Zweite Marcel Goc von den Adlern Mannheim, die am Vormittag nur ein kurzes Meeting hatten. "Es kommt einem vor, als ob man in einem falschen Film ist. Das Ganze ist absurd, komisch", sagte der 36-Jährige. "Jeder guckt sich eigentlich nur an und sagt: "Ist das wirklich so?""

Während für den früheren NHL-Stürmer seine Karriere auf seltsamste Weise endete, ist für die Nationalspieler noch unklar, wie es weitergeht. Sollte die für den 8. bis 24. Mai in Zürich und Lausanne geplante WM tatsächlich stattfinden, würde der Saisonabbruch Bundestrainer Toni Söderholm eine ungewöhnlich lange Vorbereitungszeit ermöglichen. Der Deutsche Eishockey-Bund berät derzeit über die Folgen. Aber der Eishockey-Weltverband IIHF diskutiert auch über eine Absage oder eine Verlegung.

Nach der DEL beendet auch der DEB den Spielbetrieb in seinen Ligen wegen des Coronavirus vorzeitig. Das teilte der Verband am Mittwoch mit. Betroffen davon sind die drittklassigen Oberligen, die Frauen-Bundesliga und die Nachwuchsligen. Sportliche Entscheidungen werden in diesem Jahr ausgesetzt.

"Mit der kompletten Einstellung des Eishockey-Spielbetriebes setzen wir unsere gesamtgesellschaftliche Verpflichtung zum Wohle der Allgemeinheit um und folgen den Beschlüssen der politischen Entscheidungsträger uneingeschränkt", sagte DEB-Präsident Franz Reindl. "Die Gesundheit aller Beteiligten und nicht zuletzt auch jene unserer vielen Anhänger in ganz Deutschland hat absolute Priorität."

Reindl will am Donnerstag aus seiner Sicht über die Folgen für das deutsche Eishockey und die Nationalmannschaft informieren. Die DEB-Auswahl soll eigentlich im Mai an der Weltmeisterschaft in der Schweiz teilnehmen. Diese steht allerdings auf der Kippe. Reindl ist auch Mitglied des Exekutivkomitees des Weltverbandes IIHF.

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