Eishockey:Schöner Gruß vom Mantha

Die DEB-Auswahl verliert 1:8 gegen Kanada, erreicht aber trotzdem das WM-Viertelfinale. Gegen die ähnlich starken US-Amerikaner bedarf es am Sonntag umfassender Verbesserungen.

Von Johannes Schnitzler, Kosice

Es war das dritte Tor gewesen beim 4:3-Sieg gegen Kanada vor einem Jahr, über das hinterher alle sprachen, ein Tor, wie man es von einem deutschen Eishockeyspieler selten zuvor gesehen hatte. Durch die eigenen Beine schob Frank Mauer damals bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang den Puck am kanadischen Torhüter vorbei ins Netz, ein Treffer, wie man ihn sonst nur Schweden, Russen oder Finnen zutraut. Mauers 3:0 ebnete der Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) den Weg ins Finale und machte die Spieler trotz der folgenden Niederlage zu "Silberhelden".

Fünfzehn Monate später trafen Deutschland und Kanada bei der Weltmeisterschaft in der Slowakei am Samstag wieder aufeinander. Und auch die Kanadier hatten Pyeongchang offenbar noch nicht vergessen. Sie revanchierten sich heftig: 1:8 (0:2, 1:2, 0:4) hieß es am Ende aus Sicht der Deutschen. Es war im fünften WM-Spiel die erste Niederlage für das Team von Bundestrainer Toni Söderholm. "Ich hoffe, das war der Wake-up-Call, den wir gebraucht haben", sagte Kapitän Moritz Müller vor den Spielen gegen die USA (Sonntag, 16.15 Uhr) und Finnland (Dienstag, 12.15 Uhr). "Sonst haben wir keine Chance gegen diese Nationen. Wir haben einfach zu wenig investiert."

Nach dem 7:1 der Amerikaner gegen Dänemark im ersten Spiel der Gruppe A am frühen Nachmittag in Kosice war die deutsche Mannschaft nach vier Siegen aus den ersten vier Spielen endgültig vorzeitig für das Viertelfinale qualifiziert, die Stimmung entsprechend gelöst. "Mehr können wir nicht machen", sagte Nationalstürmer Mauer. "Die Pflicht ist erledigt. Mal schauen, was wir jetzt gegen die großen Nationen noch rausholen können." Ob er wieder bereit sei für ein Zaubertor? "Warum nicht? Wenn sich die Chance ergibt, glaube ich schon, dass ich einen im Tank habe", sagte Mauer und grinste. Aber schon nach wenigen Sekunden wusste sich Marco Nowak nur noch mit einem Foul zu behelfen, und die Kanadier, mit 60,0 Prozent Erfolgsquote die beste Powerplay-Mannschaft im Turnier, nutzten gleich ihr erstes Überzahlspiel zum Führungstreffer durch Thomas Chabot (3. Spielminute).

"Wir müssen weiter mutig nach vorne spielen und verantwortungsvoll nach hinten arbeiten", hatte Mauer vor der Begegnung mit dem 26-maligen Weltmeister gesagt. Das Spiel gegen Dänemark (2:1) sei das beste Beispiel gewesen: "Nach 40 Minuten haben wir angefangen zu schwimmen." Diesmal schwammen sie schon nach 20 Minuten.

NHL-Torwart Grubauer fehlt weiterhin verletzt

Wie angekündigt waren die Deutschen ohne Moritz Seider angetreten. Der 18-Jährige war im Spiel gegen WM-Gastgeber Slowakei (3:2) mit Verdacht auf Gehirnerschütterung ausgeschieden und wurde geschont. Im Tor stand der Nürnberger Niklas Treutle. NHL-Profi Philipp Grubauer fehlte nach seinem Kurzauftritt gegen Frankreich (4:1) weiterhin verletzt. Und tatsächlich spielten sie nach dem frühen Rückstand mutig nach vorne. Dominik Kahun, Lean Bergmann und Markus Eisenschmid hatten jeweils die Chance zum Ausgleich auf dem Schläger. Im Powerplay bot sich die größte Chance. Aber kaum war Shea Theodore zurück von der Strafbank, nutzte Mark Stone einen von vielen Abprallern zum 2:0 (17.). Treutle musste bei eigener Überzahl sogar einmal gegen Mathieu Joseph das 0:3 verhindern und rettete auch gegen Sam Reinhart (25.). Gegen Stones' zweiten Treffer, wieder bei kanadischer Überzahl, war er machtlos. "Wir haben Kanada in die Karten gespielt und sie zum Toreschießen eingeladen", sagte Müller.

Jared McCann hätte wenig später auf 0:4 erhöhen können, aber wieder war Treutle zur Stelle. Gleich zweimal parierte er in Unterzahl gegen Jonathan Marchessault (33.). Die Statistik des Spiels wies zu diesem Zeitpunkt 16:0 Torschüsse für Kanada aus - allein im zweiten Drittel. Hätten die Kanadier all ihre Chancen konsequent genutzt, hätte die Abreibung für das DEB-Team zweistellig ausfallen können. Vor vier Jahren in Prag setzte es unter Pat Cortina ein 0:10. Aber weil der ausschließlich mit NHL-Profis besetzte Kader von Alain Vigneault nicht mit dem letzten Elan zu Werke ging, retteten sich die Deutschen mit einem vergleichsweise moderaten 1:4-Rückstand in die zweite Pause. Schütze des 1:3 war der Münchner Yasin Ehliz, das Mark Stone mit seinem dritten Treffer allerdings noch in derselben Minute konterte (39.).

Anthony Mantha, Stürmer von den Detroit Red Wings, schraubte das Ergebnis mit seinem sechsten Turniertreffer auf 5:1 (44.). Dabei schoss er den Puck - schönen Gruß an Frank Mauer - durch die eigenen Beine an Treutle vorbei ins Tor und legte 1:54 Minuten später das 6:1 nach, dem wiederum nur 33 Sekunden später das 7:1 durch Reinhart folgte. Von den Deutschen kam nun kaum noch Gegenwehr, sie spielten nicht mehr mutig nach vorne und auch nicht verantwortungsvoll nach hinten und leisteten sich zu viele Strafzeiten.

Als sie selbst noch einmal in Überzahl waren, waren es die Kanadier, die die beste Chance hatte. Treutle stoppte McCanns Alleingang. Beim nächsten Solo von Anthony Cirelli musste er den Puck zum achten Mal aus dem Netz klauben (54.). Danach war Ruhe. "Wir müssen begreifen, dass wir mit dieser Spielweise gegen die USA und Finnland auch nichts holen", sagte Moritz Müller. Die Tabellenführung in Gruppe A sind die Deutschen nach dem fünften Turnierspiel erst einmal los. Am Sonntag wartet gegen Team USA die nächste Gelegenheit für Söderholms Team. "Heute waren wir im Kollektiv nicht bereit", sagte Söderholm. Was es am Sonntag gegen die USA besser zu machen gelte? "Alles", antwortete der Finne.

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