Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Schnell, schlau und entschlossen

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Mal eben München 5:1 schlagen: Die Straubing Tigers sind das Überraschungsteam der DEL.

Von Johannes Kirchmeier, Straubing/München

"Warum müssen wir das tun?", fragte Jeremy Williams noch, bevor er sich doch seinem Mitspieler Mike Connolly anschloss und auf die Knie sank. So ganz ernst gemeint war die Entrüstung des Kanadiers nicht. In Raupen-Formation krabbelten die Eishockey-Profis der Straubing Tigers am Donnerstagabend übers Eis, begleitet von den Gesängen ihrer Fans. Das war das untrügliche Zeichen dafür, dass sie sich zuvor 60 Spielminuten lang als "Raupe Nimmersatt" gezeigt hatten. 5:1 (1:0, 2:0, 2:1) gewann der Tabellenzweite aus Niederbayern das Spitzenspiel der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gegen den EHC Red Bull München. Die Tigers fügten dem Tabellenführer damit die erste Saisonniederlage zu und beendeten dessen Rekordserie nach elf Siegen.

"Danke Straubing", kann man nun in den sozialen Netzwerken lesen, Glückwünsche erreichten die Tigers aus dem ganzen Land. Die Mannschaft vom kleinsten DEL-Standort ist nach zwölf Spieltagen die Überraschung der Liga, bereits vier Tage zuvor hatte sie den Meister Adler Mannheim 3:1 besiegt.

Wer hätte vor der Saison gedacht, dass sich die beiden bayerischen Teams zum Top-Spiel treffen würden am zwölften Spieltag? Überrascht von der Straubinger Hochform wirkten auch die Münchner. Schließlich gewannen sie die letzten neun direkten Duelle gegen das Team von Trainer Tom Pokel klar. Nun lobte EHC-Coach Don Jackson: "Tom, du hast deine Mannschaft sehr gut vorbereitet." Pokel entgegnete: "Für uns war der Schlüssel: schnell spielen, schnell die Scheibe laufen lassen, bissig sein." Das neu gewonnene Selbstbewusstsein half mit. In Reinform konnte man dies vor dem 2:0 beobachten: Der 20 Jahre alte Tim Brunnhuber schnappte dem früheren NHL-Profi Chris Bourque den Puck weg und traf nach einem Doppelpass mit Travis James Mulock.

"Wir hatten schon letzte Saison ein gutes Team", sagt Straubings sportlicher Leiter Jason Dunham. 2018/19 stellten die Tigers mit 81 Zählern einen vereinsinternen Hauptrunden-Rekord auf. Nun konnte Dunham den Trainer und fast alle Spieler halten; er erkennt, dass die Mannschaft gewachsen ist: "Unsere Disziplin ist besser geworden. Letztes Jahr haben wir zu viele kleine Strafen durch Dummheit bekommen, und so Spiele hergeschenkt." Gegen München stand ein schlaues, entschlossenes Team auf dem Eis, das eine der teuersten und spielstärksten Mannschaften der Liga entnervte. "Die geben uns überhaupt keinen Platz", klagte Maximilian Kastner, der das einzige Münchner Tor schoss. Bezeichnend war, dass die bislang stärksten Straubinger Punktesammler Connolly und Williams diesmal an keinem Tor beteiligt waren. Die Tigers besitzen mittlerweile - auch weil sie von schweren Verletzungen verschont blieben - vier gleichwertige Reihen. Am Donnerstag traf etwa der Kanadier Kael Mouillierat doppelt.

Ein Platz unter den besten sechs DEL-Teams, der zum Playoff-Viertelfinale berechtigt, scheint in der Hauptrunde erreichbar zu sein für die Niederbayern, auch wenn Dunham davon nichts hören will: "Das ist nur eine Momentaufnahme", sagte er am Freitag. Aber eine, die ihm sehr viel Spaß bereitet, das hört man ihm dann schon an.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2019
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