Eishockey:Schläge in die Magengrube

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Rückhalt auf Eis: Ingolstadts Torwart Jochen Reimer wehrte am Mittwochabend 35 Schüsse der Kölner Haie ab und hatte damit großen Anteil am knappen 2:1-Sieg seines Teams. (Foto: imago images/Nordphoto)

Rechtzeitig zum Derby beim EHC München hat der ERC Ingolstadt seine zuvor wacklige Defensive gefestigt - und das Unterzahlspiel verbessert. Die direkte Playoff-Qualifikation ist wieder greifbar.

Von Christian Bernhard

Es war wenig überraschend, dass auch nach diesem Spiel der Torhüter des ERC Ingolstadt im Fokus stand - in diesem Fall Jochen Reimer, der sein Söhnchen beim Interview auf seinem Arm hielt. Ingolstadts Torhüter sind in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) regelmäßig im Blickpunkt. Das jüngste und beste Beispiel dafür war das wilde ERC-Spiel am Sonntag in Straubing, das die Niederbayern durch ein Tor in der letzten Sekunde 7:6 gewannen. Es war nicht das erste Mal in dieser Saison, dass die Ingolstädter Defensive alles andere als stabil war und dem eigenen Torhüter, in jenem Fall Timo Pielmeier, eine schwierige Aufgabe bescherte.

Diesmal aber waren die Augen auf den ERC-Torwart gerichtet, weil er seine Mannschaft gerettet hatte. Reimer wehrte am Mittwochabend 35 Schüsse der Kölner Haie ab und hatte damit großen Anteil am 2:1-Sieg seines Teams. "Ich muss Jochen ein großes Lob aussprechen", sagte Ingolstadts Trainer Doug Shedden und bezeichnete ein paar von Reimers Paraden als "fantastisch".

Die waren nötig, da die Kölner bei ihrer 16. Niederlage in Serie gleich sieben Überzahlsituationen ungenutzt ließen. "Unser Unterzahlspiel hat einen phänomenalen Job gemacht", betonte Brandon Mashinter, der das 1:0 erzielt hatte, "es hat uns immer wieder das Momentum gebracht." Maury Edwards sicherte dem ERC in Minute 51 mit seinem 15. Saisontor die ersten drei Punkte seit dem 12. Januar. Wenige Tage zuvor hatte er auch die Partie gegen die Düsseldorfer EG in der Verlängerung zugunsten der Ingolstädter entschieden. Der Sieg sei enorm wichtig gewesen, sagte Reimer, "dafür muss man sich nur die Tabelle anschauen". Die weist den ERC mit 70 Punkten auf Rang acht aus, punktgleich mit den siebtplatzierten Wolfsburgern und nur noch vier Zähler hinter Platz fünf. Die direkte Playoff-Qualifikation, für die mindestens Rang sechs erreicht werden muss, rückt wieder näher.

Doch was heißt näher bei den Ingolstädtern, die in der Defensive gerne mal für unangenehme Überraschungen sorgen? In Straubing hatte der ERC 16 Sekunden vor Ende das 6:6 erzielt, um noch in der letzten Sekunde das 6:7 zu kassieren. Das habe sich angefühlt, "als habe man einen Schlag in den Magen bekommen", sagte Shedden nachher. Das spektakuläre innerbayerische Duell wirkte noch nach. "Klar ist das noch ein bisschen im Hinterkopf", sagte er vor dem Köln-Spiel. Shedden führte viele Einzelgespräche, denn die Art und Wiese, wie sich sein Team so knapp vor Ende der Hauptrunde und im Wissen um die enge Tabellensituation in Straubing präsentierte, hatte ihn "sehr beunruhigt".

Die Konzentration auf das Spiel in der Rückwärtsbewegung (Wagner: "Wir müssen viel besser defensiv spielen, alle fünf auf dem Eis") gelang gegen Köln zumindest mit Blick auf das Resultat. Am Freitag (19.30 Uhr) wären die Oberbayern allerdings gut beraten, ihre Strafzeiten zu reduzieren, denn dann bekommen sie es nicht mehr mit dem Kölner Überzahlspiel zu tun und damit dem ligaweit mit Abstand schlechtesten, sondern mit dem erfolgreichsten: jenem des Tabellenführers EHC RB München. Reimer rechnet damit, dass es ein "perfektes Auswärtsspiel" braucht, um in der Münchner Olympia-Eishalle etwas zu holen. Gegen die EHC-Profis müsse man schauen, "dass man ihr Tempo mitgeht und ganz wenige Fehler macht, denn die nutzen sie aus".

Die Münchner können deutlich entspannter ins letzte Hauptrunden-Duell gegen die Ingolstädter gehen. Durch den 2:1-Erfolg am Dienstag in Mannheim ist ihr Vorsprung auf die Adler an der Tabellenspitze auf elf Punkte angewachsen. Sechs Spieltage vor Ende der Hauptrunde ist der Mannschaft von Trainer Don Jackson Platz eins und damit das Heimrecht in allen Playoff-Runden wohl kaum noch zu nehmen. Mit einem Sieg gegen Ingolstadt können sie sogar schon ihre Teilnahme an der kommende Champions Hockey League (CHL) fixieren.

Im 1000. DEL-Spiel von Yannic Seidenberg sorgte ein starkes Schlussdrittel für den Sieg in Mannheim. Jackson bezeichnete es als "unser bestes seit langer Zeit". Pavel Gross schmeckte das überhaupt nicht. Noch während Mannheims Pressesprecher die Pressekonferenz beendete, stand der Adler-Trainer auf und huschte davon. Gross' einziger Satz lautete: "Ich gratuliere Donnie und München zu dem absolut verdienten Sieg." Ingolstadts Torhüter sollten gewarnt sein: die ersten drei Saisonduelle gegen München endeten aus ERC-Sicht 4:7, 6:4 und 4:5 nach Verlängerung.

© SZ vom 21.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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