Corona-Krise:Botschaft der Hoffnung fürs deutsche Eishockey

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Monatelang galten Spiele ohne Zuschauer als unvorstellbar für die Deutsche Eishockey Liga. Nun verdichten sich die Zeichen, dass sie trotzdem einen Saisonstart im Dezember beschließt.

Von Johannes Schnitzler, München

Die Vorboten hatten in den vergangenen Tagen immer lauter gerufen. Der ERC Ingolstadt zum Beispiel gab nacheinander die Verpflichtung der Verteidiger Matt Bodie und Ben Marshall, des Torhüters Nicolas Daws, von Stürmer Louis-Marc Aubry von den Eisbären Berlin und des 109-maligen Nationalspielers Daniel Pietta aus Krefeld bekannt. Die Ingolstädter Transferoffensive hätte es für den Magentasport Cup nicht gebraucht, das Methadon-Programm der Branche, das die Entzugserscheinungen bis zum Start der Deutschen Eishockey Liga (DEL) überbrücken soll. Seit 10. März ist pandemiebedingt Pause in der höchsten deutschen Spielklasse, zweimal wurde der Saisonstart schon verschoben, weil die Klubs ohne Zuschauer in den Stadien nicht lange überleben würden.

An diesem Donnerstag wollen die Gesellschafter nun aber in einer außerordentlichen Versammlung darüber abstimmen, ob sie am 18. Dezember doch starten, mit wie vielen Teams und in welchem Modus.

Dass es noch eine Saison 2020/2021 geben wird, daran kann indes kaum ein Zweifel mehr bestehen. Spätestens seit Dienstag, als auch die Augsburger Panther und die Straubing Tigers - zwei Teams, die neben Ingolstadt, Nürnberg, Iserlohn und Köln aus wirtschaftlichen Gründen auf die Teilnahme an der Turnierserie verzichtet hatten - ihre Einsatzbereitschaft meldeten. Es wurde sogar richtig weihnachtlich. "Wir freuen uns sehr, dass wir diese frohe Botschaft nun kundtun können", sagte Lothar Sigl, geschäftsführender Gesellschafter der Augsburger Panther und Mitglied im DEL-Aufsichtsrat. Sigl verkündete nicht etwa die Ankunft eines neuen Messias, die ja jedes Jahr gefeiert wird, wie banal. Sein Evangelium handelte von Geburt und Wiederauferstehung in einem, "nach einem unglaublichen Kraftakt aller Beteiligten", und prangte in Großbuchstaben über der Augsburger Pressemitteilung: "GRÜNES LICHT: PANTHER NEHMEN AN SAISON 2020-21 TEIL." Zuvor hatten bereits Nürnberg und Ingolstadt entsprechende Signale abgesetzt. Nach der Zusage von Iserlohn haben sich nur die Kölner Haie noch nicht eindeutig positioniert.

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Eine "Geistersaison" ist die einzig machbare Option

Galt eine Saison ohne Zuschauer bis vor Kurzem als völlig ausgeschlossen, weil die Klubs bis zu drei Viertel ihrer Einnahmen am Spieltag generieren, also aus Tickets, Bier-, Bratwurst- und Fanartikelverkauf, ist eine "Geistersaison", wie Augsburgs Marketingleiter Leonardo Conti sie nennt, unter allen Optionen, die nicht verworfen wurden, letztlich die einzig machbare. "Die zweimalige Verschiebung des Saisonstarts hat unseren Partnern und uns die nötige Zeit verschafft, individuelle Lösungen zu finden", sagt Conti, "dass wir einen Spielbetrieb mit deutlich reduziertem Kostenapparat auch gänzlich ohne Zuschauereinnahmen realisieren können".

"Unser Ziel war eigentlich von Anfang an, in einer möglichen Saison 2020/21 mitzuspielen", sagt nun auch Straubings Geschäftsführerin Gaby Sennebogen: "Jedoch nicht um jeden Preis." Ein "entscheidender Faktor" sei die Zusage der "monetären Unterstützung" aus dem staatlichen Hilfspaket für den Profisport gewesen. Neben dem Geld aus dem Hilfsfonds - bis zu 800 000 Euro pro Klub bei einem Etatvolumen von durchschnittlich 9,0 Millionen laut DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke - und vielen Solidaritätsaktionen der Fans, die virtuelle Tickets kaufen, waren es vor allem die Spieler und Trainer, die für einen Stimmungsumschwung in der Liga sorgten, von tiefer Depression hin zu vorsichtigem Optimismus. "Zweifelsohne" hätten die Spieler den größten Anteil an der Entwicklung, sagt Augsburgs Klubchef Sigl: "Es ist beeindruckend, wie loyal jeder um die Saison gekämpft hat. Letztlich war es sogar das Team selbst, das offensiv auf uns zugekommen ist und seine Bereitschaft zum Verzicht erklärt hat." Auf bis zu 60 Prozent ihrer Gehälter verzichten die Profis in der Liga, nachdem sie schon im Zuge des Lizenzierungsverfahrens im Sommer einer mindestens 25-prozentigen Einbuße zustimmen hatten müssen.

Auf dem Weg zu dem nun für Donnerstag zu erwartenden Beschluss hatte es allerdings viele Unstimmigkeiten und Verwerfungen gegeben, zwischen Klubs und Spielern, die in ihrer Not die Spielervereinigung Eishockey (SVE) gründeten, aber auch zwischen den Klubs untereinander. Im Gegensatz zu den anderen schickte etwa der EHC Red Bull München seine Spieler und Angestellten nicht in Kurzarbeit, was ihm von einigen Konkurrenten als illoyal ausgelegt wurde, und verzichtete als Einziger auf einen Antrag auf Corona-Hilfe (was selbst Fans gegnerischer Teams anständig fanden). Mannheims Meistertrainer Pavel Gross fauchte vergangene Woche noch lauter als die ganzen Tiger und Panther in der Liga zusammen: "Was wurde von Seiten der Liga gemacht? Was hätte man machen können, um vielleicht ein bisschen mehr Geld für die Liga zu generieren? Wir haben nicht so viel mitbekommen. Das Einzige, was wir gehört haben, ist, dass man nach 60 Millionen verlangt hat bei der Regierung, was, wie ich denke, schon gewagt ist." Er habe in den vergangenen acht Monaten darüber hinaus nichts gehört: "Man hat nur spekuliert. Spekulationen kommen nur dann, wenn wir keine Transparenz haben, wenn wir keine Kommunikation haben."

Gesprächsbedarf reklamierten auch die Profis. Viele sind momentan in die DEL2 (die bereits seit 6. November spielt) und ins benachbarte Ausland verliehen, um Kosten zu senken. Einer von ihnen ist der Kölner Kapitän und SVE-Vorsitzende Moritz Müller, z.Z. Kassel, der für das Überleben der Haie kämpft. Köln ist bei einem Zuschauerschnitt von mehr als 13 000 pro Spiel - unter den Top 5 in Europa - der DEL-Standort mit der größten Fallhöhe. Ein Loch von einer Million Euro klaffte zuletzt im Etat der Haie, das sie mit Hilfe der Fans schließen wollen: mit dem Verkauf von 100 000 symbolischen Tickets. Zahlreiche Promis, darunter Fußballikone Lukas Podolski und NHL-Star Leon Draisaitl, zwei kölsche Jungs, legen sich für die Aktion "immerwigger" (immer weiter) ins Zeug. Sie seien auf einem guten Weg, sagt Nationalspieler Müller: "Aufgeben ist keine Option."

Und so werden sie am Donnerstag wohl beschließen, dass es im Dezember losgeht. In zwei Gruppen vielleicht, um die Reisen einzuschränken; mit nur zwölf oder 13 Klubs statt 14, vielleicht. Mit ungewohnt jungen Kadern und weniger teuren ausländischen Spitzenkräften. In eine Saison, an deren Ende es keinen Absteiger, aber womöglich Verlierer geben wird. "Ich habe mich entschieden, dass wir das große wirtschaftliche Risiko eingehen", sagt Mannheims Geschäftsführer Daniel Hopp: "Aus Liebe zum Sport". Es ist eine Botschaft der Hoffnung. Der Hoffnung, dass alles wieder heil wird.

© SZ vom 18.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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