Eishockey:Respekt vor der Elite

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"Ein sehr heißes Team": Nach elf Siegen in den vergangenen zwölf Hauptrundenspielen sind die Münchner um Trevor Parkes (weißes Trikot) in Bestform. (Foto: Johannes Traub/JT-Presse.de/imago)

Zum ersten Mal überhaupt trifft Ingolstadt in einem Playoff-Duell auf München. Dass der ERC drei von vier Hauptrunden-Partien gewann, will Trainer Doug Shedden nicht überbewerten: Die Offensive des EHC ist seit Monaten kaum zu bremsen.

Von Christian Bernhard

Vor seinem 100. Spiel als Trainer des ERC Ingolstadt kam Doug Shedden ins Schwärmen. In einem Interview zählte er auf die Frage, welche Spieler er sich für sein Team aussuchen würde, wenn Geld keine Rolle spielen würde, gleich mehrere des EHC München auf. Als Erster falle ihm Mark Voakes ein, sagte er, dann nannte er auch noch Yannic Seidenberg und Danny aus den Birken. "Kann ich die ganze Münchner Mannschaft nehmen?", fragte er abschließend lachend.

Nun bekommt Shedden die komplette Münchner Mannschaft - allerdings als Gegner: Am Dienstag startet die Playoff-Viertelfinalserie der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zwischen München und Ingolstadt, es ist das erste DEL-Playoff-Duell überhaupt zwischen den beiden oberbayerischen Teams. Das erste Spiel der Best-of-three-Serie - zwei Siege reichen also zum Erreichen des Halbfinales - findet in München statt (20.30 Uhr), am Donnerstag geht es in Ingolstadt weiter (19.30 Uhr). Im zweiten Playoff-Viertelfinale der DEL-Südgruppe bekommen es die Straubing Tigers mit den Mannheimer Adlern zu tun. Die Adler haben in der Hauptrunde mit Abstand die meisten Punkte aller 14 DEL-Teams geholt und gehen zusammen mit den Münchnern als großer Favorit in die Corona-bedingt verkürzten Playoffs.

In der Hauptrunde hat Ingolstadt drei von vier Duellen gegen den EHC gewonnen

Shedden weiß, welch große Aufgabe vor seiner Mannschaft liegt. "München ist ein Elite-Team, keine Frage", sagte er. Der EHC habe mindestens drei großartige Angriffslinien, starke Verteidiger, gute Torhüter und sei sehr gut trainiert von Don Jackson. "Es wird nicht einfach, das ist sicher." Jackson hatte ebenfalls warme Worte für den Gegner übrig. "Sie sind talentiert", sagte der erfolgreichste Trainer der DEL-Geschichte. Das bekam der EHC in der Hauptrunde gleich dreimal zu spüren, denn drei der vier Duelle gingen an die Ingolstädter. Shedden hängt die Bedeutung dieser Siege aber nicht mehr allzu hoch. "Wir erwischten sie zu Beginn der Saison, als sie ihr System noch nicht so aufs Eis bekommen haben. In den vergangenen vier Wochen haben sie das System voll umgesetzt, sie sind jetzt ein sehr heißes Team."

Das sind die Münchner in der Tat. Elf ihrer abschließenden zwölf Hauptrundenspiele haben sie gewonnen, ihre Offensive ist seit Monaten kaum zu bremsen. Zuletzt stabilisierte sich der EHC auch wieder defensiv, nachdem er sich im Januar und Februar mit ungewohnten Abwehr-Unkonzentriertheiten herumschlagen musste. "Wir spielen von Spiel zu Spiel besser und zeigen nun, was wir draufhaben", sagte EHC-Torhüter Kevin Reich am Sonntag. "Wir haben unseren Rhythmus gefunden." Die Ingolstädter dagegen stolperten ergebnismäßig in die Playoffs.

Acht Niederlagen in den abschließenden zwölf Hauptrundenspielen machen deutlich, dass die laut Sportdirektor Larry Mitchell beste Ingolstädter Mannschaft der vergangenen Jahre zuletzt einiges ihrer spielerischen Leichtigkeit verloren hat. "Vielleicht war unser Torhüterspiel nicht mehr so stark wie noch zu Beginn der Saison", führte Shedden als einen Grund für den Leistungsabfall an. Der andere betrifft seine Offensivabteilung: Sein Team habe schlicht nicht genug Tore geschossen, betonte er, "wir haben lediglich den Bauchschutz der gegnerischen Torhüter getestet."

Die Favoritenrolle schiebt Shedden liebend gerne nach München: "Ihre Finanzen sind ziemlich gesund."

Hoffnung macht ihm die Rückkehr seines Topscorers Wayne Simpson, der aufgrund der Geburt seines Kindes jüngst mehrere Partien verpasst hatte, ehe er am Sonntag in Iserlohn zurück aufs Eis kehrte. "Er sagt, er fühle sich gut und frisch", sagte Shedden über seinen Schlüsselspieler in der Offensive, "wir gehen davon aus, dass er eine tolle Serie spielt." Shedden weiß auch, wie seine Mannschaft den Münchnern sportlich weh tun kann: mit ihrem Umschaltspiel, einem der gefürchtetsten der Liga. "Sie rücken gerne mit allen fünf Feldspielern auf", sagte er zur Münchner Spielweise, "du musst sie erwischen, wenn sie glauben, nach vorne gehen zu können, die Scheibe aber in die entgegengesetzte Richtung läuft."

Die Favoritenrolle schiebt Shedden liebend gerne nach München. "Absolut, absolut", meinte er zur Frage, ob auf den Münchnern der größere Druck liege: "Ihr Budget ist ziemlich stark." Jackson kündigte an, dass zum Start der Playoffs auch die zuletzt angeschlagenen Justin Schütz, Keith Aulie und Andrew Ebbett in den Kader zurückkehren werden. Mark Voakes nannte er nicht, der Mittelstürmer fehlt mittlerweile verletzungsbedingt seit drei Wochen. Shedden dürfte in diesem Fall nichts dagegen haben, wenn sein "Lieblingsspieler" nicht zum Einsatz kommen sollte.

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