Eishockey-Profi Stefan Ustorf im Gespräch:Sieben Zähne auf einmal

Stefan Ustorf schlägt beim Spiel mitunter zu, im echten Leben hat er sich aber nur einmal gerauft. Im Interview spricht er über Prügeleien auf dem Eis, Rudelbildung im Fußball und erklärt, dass Eishockey den Ruf als brutale Sportart zu unrecht hat.

Boris Herrmann

Mit seinem Verein, den Eisbären Berlin, hat Stefan Ustorf seit 2004 fünfmal die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Zuvor spielte der Angreifer unter anderem in der NHL bei den Washington Capitals. Der mittlerweile 37-Jährige war Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung für Kinder" erklärt er, warum sein Sport zu unrecht den Ruf einer brutalen Sportart genießt.

Eisbaeren Berlin v Koelner Haie - DEL

Stefan Ustorf im Trikot der Eisbären Berlin. In der DEL war er davor bereits für die Adler Mannheim und die Krefeld Pinnguine aktiv.

(Foto: Getty Images)

SZ: Herr Ustorf, Sie kommen gerade vom Training. Irgendwelche Schmerzen heute?

Stefan Ustorf: Ach, nur das Übliche.

SZ: Was ist das Übliche?

Ustorf: In unserem Sport tut immer irgendetwas weh. Die Schultern, die Kniegelenke, die Knöchel. Kleine Blessuren gehören dazu.

SZ: Vor zwei Jahren haben Sie in einem Spiel sieben Zähne auf einmal verloren.

Ustorf: Das war ein Unfall, das passiert halt mal. Mich hat ein Puck im Gesicht getroffen. Das ist eine wirklich sehr harte Gummischeibe. War nicht angenehm, aber das muss man halt reparieren lassen und dann geht es weiter.

SZ: Muss man hart sein, um Eishockey spielen zu können?

Ustorf: Muss man nicht, aber es hilft. Unser Spiel ist sehr körperbetont. Da kommt es immer mal vor, dass man sich wehtut.

SZ: Wann haben Sie zuletzt jemandem wehgetan?

Ustorf: Absichtlich noch nie. Das passiert ganz selten. Keiner geht aufs Eis und sagt: Den hol' ich mir jetzt! Aber es kommt vor, dass man jemanden aus Versehen etwas härter angeht. Es gibt bei uns eine faire Art, den Gegner mit Körperkontakt von der Scheibe zu trennen. Das sehen auch die Zuschauer gern. Verboten ist es, wenn ein Ellbogen dazu kommt oder wenn jemand den Kopf attackiert. Dann wird sofort abgepfiffen. Aber ein fairer Bodycheck ist etwas Schönes.

SZ: Was empfinden Sie als unfair?

Ustorf: Es gibt Spieler, die bei einem kleinen Rempler alles viel dramatischer aussehen lassen, als es ist. Ich hasse solche Schwalben. Im Eishockey, im Fußball, überall. Damit kann ich nichts anfangen.

SZ: Im Eishockey gibt es immer wieder Szenen, in denen zwei Gegenspieler Stöcke und Handschuhe fallen lassen und einen privaten Faustkampf austragen. Wieso schreitet da der Schiedsrichter nicht ein?

Ustorf: Es ist auf gewisse Weise Teil des Spiels, weil es im Eishockey auch darum geht, sich Respekt zu verschaffen. In Europa kommt das viel seltener vor als in Nordamerika. Es gibt aber wirklich Momente, in denen ein Boxduell zwischen zwei Rivalen eine Partie davor schützen kann, dass sie insgesamt zu unfair wird.

"Bei uns gibt es einen Ehrenkodex"

SZ: Und dann fliegen die Fäuste?

Eishockey WM - Deutschland - Slowakei

Ustorf (rechts im Bild) absolvierte 128 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft.

(Foto: dpa)

Ustorf: Das ist mir allemal lieber als diese ewige Rudelbildung im Fußball, wo einer von hinten hinhaut, ganz schnell wieder wegrennt und dann kommt der Nächste, mischt ein bisschen mit und rennt auch wieder weg. Bei uns gibt es einen Ehrenkodex. Du schlägst zum Beispiel niemanden, wenn er auf dem Boden liegt und sich nicht mehr wehren kann. Wichtig ist auch: Danach ist das Thema erledigt!

SZ: Nach dem Spiel sind wieder alle Freunde?

Ustorf: Es ist nicht so, dass wir uns hinterher Blumen schicken. Aber man gibt sich meistens die Hand. Und wenn sich ein Gegenspieler verletzt hat, rufe ich auch mal an und frage nach, wie es ihm geht.

SZ: Haben Sie auch schon einmal abgelehnt, als Sie jemand zum Duell aufforderte?

Ustorf: Auch das gab es schon. Das hängt zum Beispiel vom Spielstand ab. Wenn wir mit den Eisbären 4:0 führen und ein Gegenspieler will mich herausfordern, dann bekommt er diese Möglichkeit natürlich nicht, weil das allenfalls dazu führen könnte, dass er sein Team noch einmal aufputscht. Es gibt aber auch Situationen, wo einfach einer kommt, der mir eine Nummer zu groß ist. Da sage ich mir dann: Das muss nicht sein, da tue ich mir nur weh.

SZ: Sollte man sich einmal im Leben ordentlich gerauft haben?

Ustorf: Nein, ich habe mich außerhalb des Eises in meinem ganzen Leben nur einmal gehauen und das war als kleines Kind. Ich verpöne Gewalt. Wenn ich mich meinen Mitmenschen gegenüber anständig verhalte, sollte ich eigentlich nie in eine Situation kommen, in der ich zu Gewalt greifen muss.

Die einzige Ausnahme wäre für mich, wenn ich zum Beispiel in der Berliner U-Bahn sehen würde, wie zwei Männer auf einen hilflosen Menschen einschlagen. Dann würde ich mit Sicherheit nicht in die andere Richtung rennen. Aber nur, um das noch einmal klarzustellen: Eishockey hat mit Gewalt nichts zu tun. Ich mache das jetzt 21 Jahre, ich habe weit über 1000 Spiele bestritten, aber ich habe nie gespielt, um Frust abzubauen oder um jemanden zu verletzen.

Um Frieden geht es in der nächsten Süddeutschen Zeitung für Kinder, die am Mittwoch, 14. Dezember, der Süddeutschen Zeitung beiliegt.

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