Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Für Münchens Kapitän erklingen beeindruckende Hymnen

  • München hat in der DEL die Chance auf den vierten Titel in Serie. Es wäre der vierte mit Michael Wolf, doch der Kapitän hinterlässt viel mehr.
  • Für Co-Trainer McIlvane ist er der "uneigennützigste Eishockeyspieler, den ich in meinem ganzen Leben gesehen habe".

Von Christian Bernhard

Michael Wolf zu triezen, ist ziemlich einfach: Man muss ihn nur in den Mittelpunkt stellen. Und über sich selbst reden lassen. Der Stürmer des EHC Red Bull München mag nichts weniger, als im Scheinwerferlicht zu stehen. Er hasse das, sagt der 38-Jährige. Das Problem aus Wolfs Sicht: Er tut ziemlich viel dafür, dass ihm dieses Schicksal immer wieder widerfährt. Als Kapitän des Titelverteidigers in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), als zweitbester Torschütze der Liga-Geschichte und als Vorbild für eine ganze Generation deutscher Eishockeystürmer.

So vehement wie in den zurückliegenden Wochen hat sich Wolf aber noch nie gegen den - zugegeben ziemlich großen - Rummel um seine Person gewehrt. Aber auch das hatte er selbst zu verantworten. Im Moment sei schlicht "keine Zeit und Platz dafür", sagte er kürzlich: "Über mich hat man schon genug gesprochen." Er denke jetzt "gar nicht" an sich, sondern nur an die Mannschaft. Wolf wird noch in diesem Monat seine Profi-Karriere beenden, das hat er selbst Mitte Januar bekannt gegeben. Bei der Zeremonie, die ihm der EHC am letzten Hauptrunden-Spieltag bereitete, verdrückte der stets zurückhaltende Allgäuer sogar ein paar Tränen, als alle seine Teamkollegen mit seinem Trikot aufliefen und auf dem Videowürfel ein Filmchen über ihn gezeigt wurde. "Das hat mich doch mehr erwischt, als ich gedacht habe", sagte er nachher.

Wann genau Schluss ist, hängt vom Ausgang der Finalserie zwischen München und den Mannheimer Adlern ab, die am Donnerstag mit dem ersten Spiel gestartet ist. Der EHC gewann es dank Frank Mauers Treffer in der 19. Minute der Verlängerung 2:1, Wolf stand knapp 27 Minuten auf dem Eis. Nur sein Teamkollege Mark Voakes hatte unter allen Stürmern der Partie mehr Eiszeit. Am Samstag (20 Uhr) können die Münchner zu Hause auf 2:0 in der Best-of-seven-Serie stellen. Der EHC hat die Chance auf den vierten Titel in Serie, es wäre der vierte mit Michael Wolf als Kapitän. Deshalb hat ihm der Verein zu Ehren seiner letzten Profi-Saison auch seinen Playoff-Hashtag gewidmet: #4thewolf.

Wenn es endgültig vorbei ist, wird Wolf auch München verlassen. Nach fünf Jahren, in denen die Stadt zu seiner "zweiten Heimat" geworden ist, wie er sagt. Die verlässt er für seine erste Heimat: Füssen. Zusammen mit seiner Familie kehrt er dorthin zurück, wo er "nie wirklich" weg gewesen sei, wie er sagt. Wolf beteuert, dass er sich überall wohl gefühlt habe, sein Zuhause aber "eigentlich immer" Füssen gewesen sei. Dort wird er in das elterliche Schuhgeschäft einsteigen.

In München vollendete er seine beeindruckende Karriere mit jenen Dingen, denen er trotz 337 DEL-Tore so lange erfolglos hinterher gejagt war: mit Titeln. "Nichts wird je an das Gefühl deines ersten Meistertitels rankommen", sagte er. Was er in München hinterlassen wird, geht allerdings weit darüber hinaus. "Er ist ein Traum für unsere Mannschaft", sagt Münchens Co-Trainer Matt McIlvane: "Die Erfolge der letzten Jahre haben ihren Ursprung in Michael Wolf." Einer wie Wolf könne nicht so einfach ersetzt werden, betont Cheftrainer Don Jackson. Er sei der "ultimative" Spieler, ein gutes Vorbild: "Das wird er immer sein."

McIlvanes Hymne auf den Kapitän ist besonders beeindruckend. Für den Amerikaner, der seit 2014 für den EHC arbeitet, ist er "unglaublich und speziell", der "uneigennützigste Eishockeyspieler, den ich in meinem ganzen Leben gesehen habe". Normalerweise würden Top-Torjäger seiner Kategorie immer nur "ich, ich, ich, ich" denken, sagt McIlvane. Wolf dagegen denke nur Team, Team, Team, Team, "und das die ganze Zeit". Andreas Eder, einer der jungen Münchner Spieler, hebt hervor, dass alle nachkommenden deutschen Stürmer hochgeschaut haben zu Wolf, den er als "Wahnsinns Mensch und Spieler" bezeichnet. "Es sind ja nicht nur die Tore, es ist so viel mehr bei Wolfi", unterstreicht er.

Auch Mauer, der Schütze des entscheidenden Tores am Donnerstag, ist voll des Lobes für seinen Kapitän: "Er hat zu einer Zeit geglänzt, als die Liga von ausländischen Spielern dominiert wurde." Nach mehr als 30 Jahren im Eishockeygeschäft, in denen Wolf nach eigenen Angaben sein ganzes Leben danach ausgerichtete habe, ist in wenigen Tagen Schluss. München verliert dann einen Eishockeyspieler, der mehr hinterlässt als nur Tore und Vorlagen. "Ich denke, dass wir sehr, sehr froh sein können, dass er seine Karriere in München beendet", sagt Eder. Ob mit dem vierten Meistertitel nacheinander, wird sich spätestens am 30. April zeigen - das ist der Termin des siebten und letztmöglichen Finalspiels. Wolf dürfte dann nicht minder emotionalisiert sein als am letzten Hauptrundenspieltag.

Dann wird er sich verabschieden und München mit vielen Erinnerungen im Gepäck verlassen. Nur eines wird der Allgäuer, der sich selbst als "Kleinstadt-Mensch" bezeichnet, nicht vermissen: den Münchner Stadtverkehr. Mit dem, erzählte er kürzlich, hat er sich in all den Jahren niemals angefreundet.

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SZ vom 20.04.2019/tbr
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