Eishockey-Playoffs:Der böseste der bösen Buben

James SHEPPARD B geht Steven PNIZZOTTO M an den Kragen Streit Rangelei EHC Red Bull Muenchen Ei; Eishockey

Die Macht der Worte: Steve Pinizzotto (links) verwickelt Berlins Spieler immer wieder in Streitereien - hier James Sheppard (r.).

(Foto: Sven Simon/imago)
  • Der EHC München und die Eisbären Berlin spielen in der Finalserie die deutsche Eishockey-Meisterschaft aus. Nach drei Spielen führt München mit 2:1-Siegen.
  • Nach seiner Sperre ist Steve Pinizzotto wieder dabei. Im Halbfinale hatte er nach einem Ellbogencheck gegen Mannheim fünf Spiele Sperre kassiert. Außerdem liegt eine Anzeige wegen Körperverletzung bei der Staatsanwaltschaft.
  • Gegen Berlin zieht er wieder sein provokantes Spiel auf - und der Gegner lässt sich davon verunsichern.

Von Johannes Schnitzler

Der Betriebshof des Münchner Olympia-Eissportzentrums ist kein Ort, wo man sich bei Nacht länger aufhält als nötig. Aber was sollte James Sheppard tun? Der Kanadier war umzingelt von einer Gruppe Männer, die ihn bedrängten, Erklärungen forderten. Wie Journalisten eben so sind. Lauern in der Dunkelheit und strecken arglosen Spielern auf dem Weg zum Mannschaftsbus ihre Diktiergeräte hin. James, Berlin hat 1:4 verloren, in der Finalserie liegen Sie jetzt 1:2 hinten, München braucht nur noch zwei Siege zum Titel in der Deutschen Eishockey Liga - stehen Sie am Freitag schon mit dem Rücken zur Wand? War das ein Schlüsselspiel? Und: War Steve Pinizzotto der Schlüsselspieler? James Sheppard, der tatsächlich mit dem Rücken zu einer Betonwand stand, sagte: "Jedes Spiel ist ein Schlüsselspiel."

Steve Pinizzotto hätte vermutlich donnernd gelacht. Aber der 33-Jährige stand am Mittwoch als Gesprächspartner nicht zur Verfügung, weder offiziell noch in einem schummrigen Hinterhof. Gegen den Stürmer des EHC Red Bull München liegen Anzeigen vor wegen Körperverletzung an Matthias Plachta im Halbfinale gegen Mannheim, die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen, was an sich schon ungewöhnlich ist: Vergleichbare Fälle werden meist als "sportarttypisch" eingestuft - Berufsrisiko. Ebenso außergewöhnlich ist, wie viel Aufmerksamkeit Pinizzotto evoziert: "Ich weiß nicht, warum man ihm so viel Beachtung schenkt", sagte Berlins Martin Buchwieser. "Er ist ein guter Spieler. Aber wenn man ihn einfach stehen lässt, zieht er nicht so viel Energie auf sich." Irgendwie hat es der leidenschaftliche Unruhestifter Pinizzotto nun aber in die Köpfe der Berliner geschafft.

Der aktuell mit rund 500 Strafminuten in drei DEL-Jahren böseste aller bösen Buben hat seine eigene, nun ja, Kunst daraus gemacht, dem Gegner Kraft und Konzentration zu rauben. Der Süddeutschen Zeitung hat er vor zwei Jahren erklärt: "Eine Playoff-Serie über sieben Spiele ist eine Schlacht. Du baust dir einen Feind auf und kämpfst gegen ihn, bis es vorbei ist." Die psychologische Kriegführung gehöre ebenso dazu wie das Körperspiel, "das ist nun mal meine Sache". Er wolle niemanden verletzen. "Aber wenn es (das Provozieren des Gegners, Anm. d. Red.) hilft, dass sich die anderen so auf mich fokussieren, bitte."

Gegen Berlin funktioniert die Methode Pinizzotto prächtig. Von der DEL war der Deutschkanadier für seinen Ellbogencheck gegen Plachta für fünf Spiele gesperrt worden, im ersten Finalspiel gegen die Eisbären fehlte er. München verlor zu Hause 3:4. Im zweiten Duell in Berlin durfte Pinizzotto wieder mitspielen - und erzielte den wegweisenden Treffer zum 2:1 für München. "Sein Einfluss war groß heute", sagte sein Trainer Don Jackson. Am Mittwoch in Spiel drei blieb Pinizzotto zwar ohne direkte Torbeteiligung, die Münchner Treffer schossen Yannic Seidenberg (8.), Jon Matsumoto (28.), Michael Wolf (38.), jeweils in Überzahl, und Patrick Hager (51.), der Berlins Hoffnungen nach dem 1:3 von Nick Petersen (44.) die Luft nahm. "Unser Powerplay war sehr gute heute", stellte Jackson nüchtern fest. Doch wie schon am Sonntag war Pinizzotto der Bohrkopf, der den Weg durch Berlins Deckung grub und seinen Mitspielern Platz verschaffte, auf seine ganz spezielle Weise.

"Wenn jemand unseren Goalie angreift, muss ich was tun", sagt Berlins Kanadier Sheppard

Die Berliner nahmen Pinizzotto von Beginn an aufs Korn, sie rempelten ihn, sie schlugen ihn. Womit sie nicht rechneten: Pinizzotto schlug zurück - aber nicht mit den Fäusten. Vor dem 1:0 kabbelte sich der Münchner mit James Sheppard. Auslöser war ein Rempler Pinizzottos gegen Berlins Torhüter Petri Vehanen, und "wenn jemand unseren Goalie angreift, muss ich was tun", verteidigte sich Sheppard später. Das Problem: Pinizzottos Schläger in Sheppards Gesicht blieb von den Schiedsrichtern unbemerkt. Umso auffälliger war Sheppards Revanche und Pinizzottos Pirouette, mit der er aufs Eis sank. Sheppard musste auf die Strafbank, Pinizzotto musste grinsen. Kurz darauf führte München 1:0. Und "danach sind wir dem Ergebnis hinterher gelaufen", sagte Eisbären-Trainer Uwe Krupp.

Zweites Drittel, zweiter Akt: Pinizzotto erhält zwei Strafminuten für einen Crosscheck gegen Jens Baxmann. Dumm für Berlin, dass Sheppard in der Nähe steht. Pinizzotto steckt dem Kollegen ein paar nette Worte - und der schlägt zu. "Das war mehr eine Reaktion, nicht wirklich ein Problem", fand der Kanadier. Aber Pinizzotto ging wieder zu Boden - und Sheppard mit ihm auf die Strafbank. "Es geht nicht darum, gar keine Strafen zu bekommen", sagte Sheppard einsichtig: "Es geht darum, die richtigen Dinge zu tun, unser Spiel zu spielen." Aber genau das taten sie nicht mehr. Sie spielten Pinizzottos Spiel.

"Der Mann ist so 'ne Sache für sich", sagt Nationalspieler Marcel Noebels. "Er ist clever. Wir dürfen uns nicht zu sehr auf ihn fokussieren. München hat genug andere Spieler, die ein Spiel entscheiden können. Und wir haben ihnen zu viel Zeit und Platz gegeben." So sah es auch Uwe Krupp. "München macht einen guten Job. Unser Job ist es, das zu stoppen", sagte der ehemalige Bundestrainer. "Wir haben viel Charakter in der Mannschaft. Aber wir müssen besser spielen." Maßnahme eins: "Wir müssen von der Strafbank weg bleiben." Maßnahme zwei: Mehr Scheiben zum Tor. "Aber dafür musst du die Scheibe haben. Und dafür waren wir nicht stark genug im Zweikampf." Noebels meinte: "Wir müssen das Positive mitnehmen - auch wenn das heute nicht viel ist." Am Freitag gehe es "wieder bei 0:0 los", sagte Krupp. Frank Hördler drückte es so aus: "Bisschen Necken gehört dazu. Wir dürfen nicht den Kopf verlieren." Noch, meinte der Berliner, sei "nüscht Dramatisches" passiert.

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