Tod oder Gladiolen. Wäre Louis van Gaal Eishockeytrainer, würde er das alles entscheidende siebte Spiel in einer Playoffserie wohl so beschreiben. Der EHC Red Bull München war am Mittwoch im Halbfinale der Deutschen Eishockey Liga (DEL) in dieser brenzligen Situation - und hatte bereits zur Hälfte des Spiels mehr als nur eine Hand am Gladiolenstrauß. 5:0 führte er nach 31 Minuten gegen die Grizzlys Wolfsburg, am Ende siegte er mit 7:2 und machte so den Finaleinzug perfekt.
Am Freitagabend eröffnet er das Endspiel mit einem Heimspiel gegen den ERC Ingolstadt. Dieser hatte das Finalticket bereits am Ostermontag in Mannheim gelöst und die Hauptrunde auch als Zweiter hinter dem souveränen Sieger aus München abgeschlossen. Damit kommt es zu einer Premiere: Seit 1981 wird in Deutschland der Eishockeymeister im Playoff-Modus gekürt, ein rein bayerisches Finale gab es bislang noch nie.
Nach einem kontrollierten Beginn bestraften die Münchner schon den ersten Grizzlys-Fehler. Unter Druck verpassten es die Wolfsburger, die Scheibe aus dem eigenen Drittel zu spielen, wodurch Maksymilian Szuber sie Justin Schütz servieren konnte, der sie durch die Beine von Dustin Strahlmeier zum 1:0 schob (3.). Szuber war für den offensivstarken Verteidiger Zach Redmond in den Münchner Kader gerutscht, Frederik Tiffels ersetzte Julian Lutz.
Der Kapitän gab die eigenwillige Parole aus: "Das Spiel nicht größer machen, als es ist."
Die Intensität des entscheidenden Halbfinalspiels bekam zuerst der Linienschiedsrichter zu spüren, der kurz nach dem ersten Tor die Scheibe bei einem Wolfsburger Befreiungsversuch in den Nacken bekam, woraufhin ihm die Grizzlys-Bank einen Eisbeutel zum Kühlen reichte. Den mannschaftlich kühleren Kopf bewiesen die Münchner. Defensiv ließen sie zu Beginn wenig zu und offensiv hielten sie es einfach, so wie ihr Kapitän Patrick Hager ("Du darfst nicht kompliziert spielen") es gefordert hatte: Daryl Boyle brachte die Scheibe von der rechten Bande einfach vors Tor, wo viel Verkehr vor Strahlmeier war und Yasin Ehliz sie zum 2:0 abfälschte (11.).
Hager hatte vor der Partie (bei Magentasport) sein Rezept für ein Spiel sieben verraten: "Das Spiel nicht größer zu machen, als es ist." Hager wusste, wovon er sprach, hatte er doch fünf seiner sechs vorherigen siebten Spiele gewinnen können. "Außenrum" werde in solchen Situationen viel aufgebauscht, umso wichtiger sei es, "dass du in Kontrolle bleibst". Das Ziel lautete, "on point zu sein, aber nicht drüber". Der 34-jährige Hager machte aber keinen Hehl daraus, dass das auch für einen Spieler seiner Erfahrung einfacher gesagt als getan ist: "Je älter du wirst, desto mehr fängt es zwischen den Ohren zu rattern an. Das musst du ausschalten."
Nach 31 Minuten stand es 5:0 für München - vor den Augen von Julian Nagelsmann
Am Mittwoch kamen die Münchner spätestens im Mitteldrittel nicht mehr in mental brenzlige Situationen. Der Ex-Wolfsburger Chris DeSousa bezwang Strahlmeier in Überzahl zum 3:0 (27.) und nur 37 Sekunden später spielte sich die wohl spielentscheidende Szene ab: Wolfsburgs Verteidiger Jordan Murray, der mit mehr als 31 Minuten Eiszeit pro Partie mit Abstand der Marathon-Spieler in den DEL-Playoffs war, bekam für einen Check gegen den Kopf von Szuber eine Spieldauerdisziplinarstrafe - für ihn war die Partie damit beendet. In den daraus resultierenden fünf Minuten Überzahl schraubten Trevor Parkes (29.) und Hager (32.) das Ergebnis auf 5:0 hoch.
Die bis zu diesem Zeitpunkt Gala-reife Vorstellung der Münchner verfolgte auch Julian Nagelsmann auf den Rängen der ausverkauften Münchner Olympia-Eishalle. Die Partie schien frühzeitig entschieden zu sein, doch die Wolfsburger taten das, was sie schon die ganze Serie über auszeichnete: Sie ließen nicht nach. Laurin Braun in Überzahl (36.) und Darren Archibald (38.) verkürzten noch vor der zweiten Drittelpause auf 2:5, Braun versuchte beim Jubel mit kreisenden Armbewegungen die Grizzlys-Bank nochmal aufzurütteln. Doch Filip Varejcka (57.) und Andreas Eder (59., jeweils leeres Tor) machten den Deckel drauf - nun können sich die Münchner auf Ingolstadt fokussieren.