Süddeutsche Zeitung

Eishockey:"Nicht mal den Niederlagenrekord kriegen sie hin"

Die Kölner Haie gewinnen unter Trainer Uwe Krupp mal wieder - und werden trotzdem von ihren Fans verspottet.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Die Choräle der ruhmreichen Vergangenheit dienten bloß noch als Spott. "Deutscher Meister wird nur der KEC" und "Oh, wie ist das schön", sangen die Fans der Kölner Haie während des 5:0-Sieges gegen Wolfsburg. Was nach einschlägiger Begeisterung klang, war bitterer Zynismus und die Abrechnung mit einer Mannschaft, die durch zuvor 17 Niederlagen in Serie die Teilnahme an den Playoffs der Deutschen Eishockey-Liga längst verspielt hatte. Mit Uwe Krupp als neuem Trainer hinter der Bande verwandelte sich die erfolglose Kufentruppe nun plötzlich zurück in eine stolze Eishockeymannschaft, doch diese mysteriöse Metamorphose führte bei den Fans nur zu einer umso größeren Verbitterung. "Siebzehn Spiele habt Ihr uns verarscht", sangen sie in der Schlussphase. Nie zuvor ist eine Kölner Eishockey-Mannschaft von ihren Fans für einen Sieg derart beschimpft worden. Auf der Tribüne witzelte ein Zuschauer: "Nicht mal den Niederlagenrekord kriegen sie hin - denen gelingt dieses Jahr wirklich gar nichts."

Einer einzigen weiteren Niederlage nur hätte es am Karnevalsdienstag bedurft, dann hätten die Haie, acht Mal deutscher Meister, die 18-Niederlagen-Rekordserien solcher Kellerklubs wie Schwenningen und Freiburg aus dem Jahr 2003 eingestellt. Doch mit einem derart demütigenden Rekord will kein Spieler im Almanach des deutschen Eishockeys verewigt werden. Erst im fünftletzten Saisonspiel befreiten sich die Haie aus ihrer Negativspirale und deuteten an, dass sie mit dem zurückgekehrten Trainer Krupp in eine bessere Zukunft abbiegen könnten. Auf ihre momentan beleidigten Fans werden sie dabei gewiss nicht verzichten müssen.

Stattliche 11 152 Zuschauer waren gekommen, um eine Mannschaft zu sehen, die zwei Monate lang ausschließlich verloren hatte. Die Kölner spielen ihre zweitschlechteste Saison in der 26-jährigen DEL-Geschichte, sie werden erst zum dritten Mal nach 2009 und 2015 die Playoffs verpassen. Trotzdem haben sie mit 13 153 Zuschauern den besten Besucherschnitt der Klubhistorie - und der Liga. Dies ist einerseits ein Indiz dafür, dass die Marketingabteilung einen besseren Job macht als die Mannschaft, und andererseits, dass es in Köln für ein großes Kernpublikum keine Frage von Sieg oder Niederlage ist, ob man zu den Haien geht. In der Klubhymne vor jedem Heimspiel besingt man gefühlsduselig die unabdingbare Anwesenheitspflicht: "Mir all, mir sin jekumme, öm du ze sin." Wir sind gekommen, um Du zu sein.

Der Kader soll sich "in einem normalen Rahmen" ändern, sagt Geschäftsführer Philipp Walter

Philipp Walter geht seit Jahrzehnten zu den Heimspielen der Haie. Erst war er Reporter fürs Lokalradio, dann Pressesprecher des Klubs, mittlerweile ist er der Haie-Geschäftsführer. Momentan muss sich der 45-Jährige dafür rechtfertigen, dass diese enttäuschende Saison in sein erst zweites Jahr als Manager fällt, aber mehr noch dafür, dass er noch vor drei Wochen betont hatte, man werde mit dem erfolglosen Trainer Mike Stewart sicher in die nächste Saison gehen. Damals hatten die Haie 13 Spiele nacheinander verloren, dann verloren sie aber noch vier weitere, bevor Walter am Sonntag den Trainer Stewart beurlaubte und kurzerhand Krupp akquirierte. "So eine Niederlagenserie ist ein Monster, ein Biest", sagt Walter, "die macht was mit einem Verein, deshalb mussten wir eine Kurskorrektur vornehmen." Dass gleich im ersten Spiel unter Krupp ein 5:0-Sieg gegen Wolfsburg gelang, führt Walter darauf zurück, dass Stewart ein gutes Fundament gelegt habe und dass die Spieler trotz der Niederlagenserie "eng zusammen" stünden - dass diese Mannschaft aber auch "eine neue Stimme" gebraucht habe.

Für die 17 Niederlagen in Serie sieht der Manager nicht den einen entscheidenden Grund. "Misserfolg kann in eine Spirale führen", sagt er, "eine Mannschaft ist ein komplexer, lebender Organismus, es gibt im Sport viele Gründe für so etwas." Dass die Mannschaft zwei Monate lang bloß verliert und dann gleich souverän gewinnt, als ein neuer Trainer hinter der Bande steht, mache aber auch ihn "nachdenklich", gesteht Walter, doch die Details dieser Nachdenklichkeit behält er für sich.

Mindestens die kommenden zwei Spielzeiten beabsichtigt er nun mit dem Trainer Krupp zu gestalten. Zur nächsten Saison wird die Mannschaft umgebaut, aber vielleicht gar nicht so dramatisch, wie derzeit viele glauben. "Ich denke, eher in einem normalen Rahmen", sagt Walter. Dies würde bedeuten, dass man in Köln gar nicht so sehr die falschen Spieler verpflichtet zu haben glaubt, sondern eher, dass diese ihr Potenzial nicht abgerufen haben.

2013 und 2014 führte Krupp die Kölner in die Endspielserien, verlor aber beide und wurde entlassen. Sechs Jahre später erkannten die Gesellschafter nun, dass es wohl besser ist, überhaupt in die Finals zu gelangen als immer bloß zu verlieren - und holten Krupp zurück. In einem Finale sind die Haie von ihren Fans noch nie beleidigt worden.

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Quelle:
SZ vom 27.02.2020
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