NHL-Profi Tim Stützle:Der 67-Millionen-Dollar-Mann

NHL-Profi Tim Stützle: "Ich will in jedem Aspekt besser sein": Bisweilen entsteht der Eindruck, Eishockeyprofi Tim Stützle Man weiß gar nicht, wie gut er bereits ist.

"Ich will in jedem Aspekt besser sein": Bisweilen entsteht der Eindruck, Eishockeyprofi Tim Stützle Man weiß gar nicht, wie gut er bereits ist.

(Foto: Maximilian Haupt/dpa)

In seiner dritten NHL-Saison legt Eishockeyprofi Tim Stützle eine erstaunliche Entwicklung hin. Für die Ottawa Senators ist der Deutsche schon jetzt unverzichtbar. Deshalb haben sie ihm den höchstdotierten Vertrag der Klubgeschichte gegeben.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Sie reden jetzt immer wieder über die Fehler von Tim Stützle bei den Ottawa Senators, aus zwei Gründen. Der erste Grund ist: Es geht schneller, über die Fehler von einem zu reden, der gerade ein Highlight nach dem anderen liefert, zuletzt gegen die Calgary Flames, als er mit drei Vorlagen, zwei davon in den letzten drei Minuten, die Verlängerung erzwang und dann den Siegtreffer selbst erzielte; oder zwei Tage später, als er gegen die New York Islanders wieder traf und im Penaltyschießen die Nerven behielt; oder am Sonntag gegen die St. Louis Blues: eine Zauber-Vorlage und zwei eigene Treffer beim 7:2-Sieg.

Fehler von Stützle gibt es einfach kaum, deshalb reden sie darüber, dass der seit Januar 21-Jährige hin und wieder den Puck zu lange hält oder riskante Pässe probiert. Er macht den gleichen Fehler fast nie zwei Mal, und das ist der zweite Grund, warum Stützle auf dem besten Weg ist, eine fixe Größe in der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL zu werden, ein "Superstar", wie man die tragenden Säulen ihrer Teams dort nennt. Er will besser und besser werden, weil er denkt, dass es nie gut genug sein kann.

Neulich unterlief ihm mal wieder einer dieser seltenen Fehler: Beim gemeinsamen Abendessen ein paar Wochen vor dem All-Star-Wochenende erzählten die Spieler, wo sie die kurze Pause der Liga verbringen würden. Stützle verkündete, dass er erst noch etwas buchen müsse - weshalb ihn die Kollegen darauf hinwiesen, dass sie das für einen großen Fehler halten würden, er könnte als Repräsentant der Atlantic Division nominiert werden. Das klappte zwar nicht. "Einige Leute nannten das Bullshit - alles Senators-Fans natürlich", sagt Stützle. Er sagt aber auch, und es kann kein besseres Symbol dafür geben, warum sich dieser junge Mann so entwickelt hat in seinen ersten zweieinhalb NHL-Jahren: "Man muss besser spielen, als ich das getan habe, um dabei zu sein."

Stützles WM-Teilnahme im Mai ist eher unwahrscheinlich

Stützle hat die kurze Pause gutgetan, das zeigen seine Leistungen seit dem All-Star-Break. In 51 Partien hat er 26 Tore und 33 Vorlagen geschafft. 59 Scorerpunkte, neuer persönlicher Rekord, damit gehört er zu den 25 Besten der Liga. Klar, Connor McDavid (Edmonton, 102) bewegt sich in anderen Sphären - hinter Stützle aber derzeit: Alexander Owetschkin (54), Jewgenij Malkin (56), Auston Matthews (57), drei der beständigsten Torschützen der vergangenen Jahre.

Es könnte für Stützle die erste Ein-Punkt-pro-Partie-Saison werden, und das in seiner erst dritten Profispielzeit. Das hat selbst Leon Draisaitl zu diesem Zeitpunkt nicht geschafft, und der liegt derzeit mit 82 Punkten auf Platz zwei der NHL-Scorerliste und wurde natürlich zum All-Star-Wochenende eingeladen. Was man auch nicht vergessen darf: Die Senators, Stützles Team, befinden sich noch immer im Umbruch, sie sind keine Spitzenmannschaft; es dürfte für sie schwierig werden, die Playoffs zu erreichen, derzeit liegen sie fünf Punkte hinter dem Platz, der zur Teilnahme berechtigen würde.

Ein Verpassen der K.-o.-Runden würde die Chance erhöhen, dass Stützle dem Deutschen Eishockey-Bund bei der WM im Mai zur Verfügung steht - aber auch da will Stützle aus Fehlern lernen: "Ich bin letztes Jahr zur WM gefahren, obwohl ich verletzt war; es ist dann schlimmer geworden." Im dritten Spiel gegen Frankreich schied Stützle damals nach einem Check gegen sein Knie aus. "Im Moment will ich darüber nicht nachdenken. Es sind noch 30 Spiele, mein Ziel sind die Playoffs."

NHL-Profi Tim Stützle: Leon Draisaitl liegt derzeit mit 82 Punkten auf Platz zwei der NHL-Scorerliste.

Leon Draisaitl liegt derzeit mit 82 Punkten auf Platz zwei der NHL-Scorerliste.

(Foto: David Zalubowski/AP)

Also dann Gegenwart. Und da sind selbst die Senators erstaunt darüber, wie gut Stützle schon ist. Klar, sie haben ihn bei der Talentbörse vor drei Jahren als dritten Spieler seines Jahrgangs geholt - so früh wurde außer ihm nur ein Deutscher beim Draft gezogen: Leon Draisaitl. In Ottawa sahen sie damals schon, was er konnte - seinen Umgang mit der Scheibe, seine Beweglichkeit auf dem Eis. "Wir schauen uns manchmal an und sagen: 'Ich wünschte, ich könnte das auch.' Es ist erstaunlich, was er mit dem Puck anstellt, so was gibt es nur ein Mal pro Generation", sagt Senators-Verteidiger Travis Harmonic, 32. Sie hofften, dass Stützle gut werden würde; was sie nicht ahnten: dass er so schnell so gut werden würde und in welchen Bereichen.

Wenn Stützle nach Vorbildern gefragt wird, nennt er konkret Spieler, von denen er sich etwas abschauen kann

Denn, ja, Stützle schießt Tore wie etwa an Neujahr beim 3:1-Sieg gegen Buffalo. Den größten Applaus gab es aber nicht bei seinen beiden Treffern, sondern kurz vor dem Ende des ersten Drittels, als Ottawa mit zwei Akteuren weniger in Unterzahl spielen musste. Auf dem Eis: Tim Stützle. Der stibitzte den Puck und holte durch einen Ein-Mann-Konter wichtige Sekunden heraus. Danach hetzte er über die komplette Spielfläche zurück in die Verteidigung und nahm einem gegnerischen Stürmer erneut die Scheibe ab. Als Stützle zum Wechseln auf die Spielerbank fuhr, jubelten die Fans lauter als bei einem Tor.

Wenn er nach Vorbildern gefragt wird, liefert Stützle keine Stereotype oder nennt Landsmann Draisaitl - sondern ganz konkret Spieler, von denen er sich etwas abschauen kann. McDavid ("wie er den Puck durch die Mitte führt und von überall aus für Gefahr sorgt"), Matthews ("der trifft von überall") und Patrick Kane ("wie er immer was kreiert") - aber auch: Sebastian Aho für dessen Qualitäten in der Defensive und Mitch Marner: "Einer der komplettesten Spieler in dieser Liga. Wie er in Unterzahl spielt, das macht einfach Spaß."

Man hat bisweilen den Eindruck, dass dieser Tim Stützle gar nicht weiß, wie gut er bereits ist - wenn er Sätze sagt wie diesen: "Wenn ich die Leute beobachte, bemerke ich, wie weit ich noch von denen weg bin." Trainer D. J. Smith überträgt dem gebürtigen Viersener immer mehr Verantwortung und schickt ihn mittlerweile auch in Unterzahl aufs Eis. In Ottawa glauben sie fest daran, dass er ein Großer werden kann und der höchstdotierte Vertrag der Klubgeschichte (66,8 Millionen für acht Spielzeiten), der kommende Saison in Kraft tritt, gerechtfertigt ist. Weil er Sätze sagt wie diesen: "Ich will in jedem Aspekt besser sein." Und weil sie wissen: Er wird nicht aufhören, an sich zu arbeiten, bis er so gut ist wie seine Idole. Und er macht den gleichen Fehler selten zwei Mal.

Zur SZ-Startseite

Eishockey-Star Alex Owetschkin
:Vor ihm ist nur noch Wayne Gretzky

802 Treffer in 18 Spielzeiten: Alex Owetschkin, 37, liegt in der ewigen Torjäger-Rangliste der NHL auf Platz zwei. Vieles spricht dafür, dass er den größten Eishockeyspieler der Geschichte noch einholt - und damit eine herausragende Karriere veredelt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: