Eishockey:Neu in der Liga: Die Fischtown Pinguins Bremerhaven

Eishockey - Fishtown Pinguins Bremerhaven

Mit dem kleinsten Etat starten die Fischtown Pinguins in die DEL.

(Foto: dpa)

Bremerhaven gilt als abgehängte Stadt. Jetzt rutscht ihre Eishockey-Mannschaft in die erste Liga, hofft auf den vorletzten Platz und entfacht eine Euphorie.

Von Jörg Marwedel, Bremerhaven

Gerade ist der Bürgermeister am Telefon. Zwei Tage sind es noch, bis das erste Match der Fischtown Pinguins Bremerhaven in der DEL, der höchsten Eishockey-Liga hierzulande, am Freitag gegen die Grizzlys aus Wolfsburg ansteht. Das Oberhaupt will viel Glück wünschen für das Debüt. Er weiß, dass die Pinguins den Namen der Stadt an der Nordsee zumindest in Sportlerkreisen mal wieder bundesweit publik machen, neben den mittelmäßig erfolgreichen Bundesliga-Basketballern der Eisbären. Jeder der 4647 Plätze in der 2011 fertiggestellten Eisarena, die der Stadt gehört, wird besetzt sein. Schon in der zweiten Liga hatte man eine Auslastung von 95,3 Prozent. Die Fans, sagt Teammanager Alfred Prey, 62, seien "heiß und impulsiv". Gar nicht, wie man sich gewöhnlich Norddeutsche vorstellt.

"Bremerhaven", sagt Prey, "ist keine Eishockey-Retorte." Dort wurde schon 1941, mitten im Krieg, der Roll- und Schlittschuhclub (RSC) gegründet, der nach seiner Pleite 1983 im REV Bremerhaven aufging. Die Fischtown Pinguins sind seit 2002 ein professioneller GmbH-Ableger des Vereins. Der Hinweis mit der Retorte ist Prey wichtig: 18 Vereine sind seit Gründung der Deutschen Eishockey Liga (DEL) 1994 schon ausgeschieden, weil Sponsoren oder Investoren sich zurückgezogen haben, zuletzt im Mai 2016, als die amerikanische Anschuetz Entertainment Group (AEG) die Hamburg Freezers abwickelte.

"Niemand", sagt Hauke Hasselbring, der Pinguins-Geschäftsführer, habe sich über das Aus der Hamburger gefreut. Aber die Chance, die Lizenz der Freezers zu übernehmen, habe man einfach wahrnehmen müssen - vor allem, weil man 2014 als Zweitligameister nicht aufsteigen durfte, weil in der geschlossenen DEL-Gesellschaft nach amerikanischer Art keine Lizenz frei war.

Eishockey-Klubs sind "Non-Profit-Organisationen", sagt Hasselbring. Aber die Pinguins seien eines der wenigen Teams, die sich selbst tragen. 162 Sponsoren, darunter kleine 1000-Euro-Geldgeber, und 13 Gesellschafter tragen das Unternehmen in einer Region, in der es kaum große Wohltäter gibt. Ausgerechnet der Oberpfälzer Alfred Prey, der 35 Jahre lang für die Marine tätig war, an der Nordsee hängen blieb und seit 25 Jahren ein Gesicht des Klubs ist, macht sich stark für den 114 000-Einwohner-Ort. Dass Bremerhaven gern als Stadt der armen Schlucker bezeichnet wird, findet er "ungerecht". Die zweite Stadt im Bundesland Bremen habe nicht nur kulturell einiges zu bieten wie etwa das Auswanderer-Museum oder das Klimahaus; sie gebe auch vielen Menschen Arbeit in der Seefahrt und Fischerei. Doch viele Arbeitnehmer zahlen ihre Steuern eben in Niedersachsen, weil sie im Umland wohnen.

Mit knapp vier Millionen Euro stehen die Pinguins am Ende der Etat-Tabelle. Was für andere das Erreichen der Playoffs ist, wäre "für uns der vorletzte Platz", bemerkt Prey. Der eingedeutschte Kanadier Andrew McPherson, 37, seit 2012 ein Pinguin, sagt: "Das wichtigste ist, dass die Fans merken, dass wir alles geben." McPherson ist einer von neun Übriggebliebenen aus dem Zweitliga-Kader. 18 Neue sind gekommen, trotzdem hofft man, dass die "familiäre Atmosphäre" weiter für den einen oder anderen Punkt gut ist. Prey, Hasselbring und Trainer Thomas Popiesch sind das Triumvirat, das über die Zugänge berät. Bevor man einen Profi verpflichtet, muss es auch "menscheln", sagt Prey. Man will sicher sein, das sich der Neue mit der Aufgabe identifiziert.

Vom Champions-League-Finalisten aus Kärpät haben sie einen Verteidiger geholt

Gerade schaut Atte Pentikäinen, 33, durch die Tür zum Geschäftsführer-Zimmer. Der 1,97 Meter große Finne ist die vorerst letzte Verstärkung. Er muss gleich seine medizinische Untersuchung absolvieren und erhält dann seinen Dienstwagen. Der Verteidiger kommt immerhin vom Champions-League-Finalisten Oulun Kärpät und bringt laut Trainer Popiesch wichtige Fähigkeiten mit: "Er ist sehr klar und spielt hart." Auch den Kanadier Jeremy Welsh hat man noch verpflichtet, weil dem neuen Rechtsaußen Sami Venäläinen das Kreuzband riss. Zudem gilt der neue Abwehrchef Mike Moore als eine Art Königstransfer. Der bisherige AHL-Spieler hat offenbar die richtige Einstellung für das Pinguin-Projekt. Es sei zwar "nett, gut Geld zu verdienen", sagt er, "aber Geld allein macht nicht glücklich". Auch Trainer Thomas Popiesch, 51, zuvor sieben Jahre beim Zweitligaklub Dresdner Eislöwen tätig, hat seinen ersten DEL-Auftritt an der Bande. Der frühere Spieler, der in der DDR wegen eines Fluchtversuchs zu vier Jahren Haft verurteilt wurde, war nach eigener Aussage schon immer "ein Freund klarer Worte". Manchmal sei er aber "zu grob" gewesen, sagt er selbstkritisch. Inzwischen sei er diplomatischer. Vielleicht ganz gut, denn er muss bestimmt manche Niederlage moderieren.

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