Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Eine Geschmacklosigkeit zu viel

Der Rauswurf von Torhüter Thomas Greiss aus der Eishockey-Nationalmannschaft überrascht nicht - seine politischen Bekundungen boten genug Anlässe. Die Frage ist, warum er erst jetzt erfolgt.

Kommentar von Johannes Schnitzler

Donald Trump unter wehender US-Flagge, mit einem Schwert in der einen Hand und dem Kopf von Hillary Clinton in der anderen. Ein Porträt von Adolf Hitler, darunter der Spruch: "Nie verhaftet, nie verurteilt, genauso unschuldig wie Hillary." Thomas Greiss gefiel das. Also drückte er zur Zeit des Präsidentschaftswahlkampfs zwischen Trump und Clinton den "Like"-Button unter Bildern wie diesen. Lange her, könnte man sagen, jeder kann sich im Netz mal verheddern. Zumal Greiss seine Likes später zurücknahm. Beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) atmeten sie damals auf: "Thomas Greiss ist kein Nazi."

Nun hat derselbe Thomas Greiss vor Kurzem aber zum Tode des für seine rassistischen Ausfälle berüchtigten US-Radiomoderators Rush Limbaugh kondoliert. Woraufhin derselbe DEB den Torhüter Thomas Greiss in dieser Woche von seiner Kandidatenliste gestrichen hat - für die bevorstehende WM in Lettland und für künftige Turniere. "Solange die aktuelle Sportliche Leitung dafür verantwortlich ist, wird keine Einladung von Thomas Greiss erfolgen", sagte Sportdirektor Christian Künast den Eishockey News. "Wir können uns seiner Einstellung zu unseren Werten, die in der Satzung stehen, nicht zu hundert Prozent sicher sein."

Schon grummeln jene, denen Greiss mutmaßlich nahe steht, von Meinungsdiktatur. Andere halten den Schritt für überfällig. Denn so unzweifelhaft der gebürtige Füssener Greiss, der seit 2007 in der nordamerikanischen NHL spielt, sportlich eine Verstärkung für das DEB-Team wäre, so zweifelhaft ist seine politische Einstellung. Der 35-Jährige, verheiratet mit einer ehemaligen Miss South Dakota, bezeichnet sich selbst als konservativ und "amerikanisiert". Ein Nazi ist er deshalb natürlich noch nicht. Mit Begriffen wie Integration, Diversität oder Vorbildfunktion lassen sich seine Meinungsbekundungen aber schon gar nicht in Einklang bringen.

Dass der DEB die Tür für Greiss nun mit Wumms zuschlägt, dürfte nicht zuletzt mit den Ambitionen von Verbandspräsident Franz Reindl zu begründen sein. Der 66-Jährige will im Herbst die Nachfolge des Schweizers René Fasel als Vorsitzender des Weltverbands IIHF übernehmen. Eine Diskussion auf der größtmöglichen Bühne bei der WM Ende Mai in Riga um einen Torwart, das Herzstück jeder Eishockeymannschaft, und dessen Integrität käme für Reindl zur Unzeit. Wie sensibel das Thema ist, hat der DEB während der Heim-WM 2017 erlebt, als Greiss' Geschmacklosigkeiten erstmals publik wurden. Damals hat der Verband die Brisanz unterschätzt. Erst nach zwei Tagen, als auch der damalige Bundestrainer Marco Sturm Nachfragen nicht mehr weglächeln konnte, schickte der DEB seinen Vize Marc Hindelang, einen Medienprofi, in diplomatischer Mission zu den Journalistenreihen. Dieser Gefahr will sich Reindl nicht noch einmal aussetzen.

Greiss' Rauswurf kommt nicht überraschend. Anlässe dafür gab es genug. Er kommt nur zu spät.

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