Eishockey:Mit quasselnden Händen

EDMONTON, AB - OCTOBER 02: Edmonton Oilers Winger Leon Draisaitl (29) celebrates his first goal of the season and the g

Gewohnte Pose: Leon Draisaitl bejubelt einen seiner vielen Treffer für die Edmonton Oilers.

(Foto: Curtis Comeau/Imago/Icon SMI)

110 Punkte: Stürmer Leon Draisaitl ist der Top-Scorer der NHL - und nun in einer Reihe mit Wayne Gretzky, Sidney Crosby oder Jaromir Jagr.

Von Johannes Schnitzler

Wenn Leon Draisaitl Eishockey spielt, tut er das meist mit locker aus dem Mundwinkel hängenden Zahnschutz. Es gibt Bilder von ihm, in Zweikämpfen, vor Bullys, die Lippen aufeinandergepresst - aber seitlich lugt keck ein Stück Silikon hervor. Als würde er manche Dinge nicht gern in den Mund nehmen. Worte auch nicht so gern, und große schon gar nicht. Fragen beantwortet er oft mit einem "Ach", kratzt sich den Stoppelbart, blickt in die Ferne, so als flimmere das richtige Wort gerade über einen imaginären Videowürfel, und verweist dann auf seine Mitspieler: "Eishockey ist immer noch ein Mannschaftssport", sagt er dann und wirkt ziemlich zufrieden mit seiner Antwort.

Auf dem Eis ist das anders. Da lässt er seine Hände sprechen. Und die sind, man muss das so sagen, echte Quasselstrippen.

Auch zum wertvollsten Spieler könnte er nun gewählt werden

Bis zur virusbedingten Unterbrechung des Spielbetriebs in der nordamerikanischen Profiliga NHL hat Draisaitl in 71 Spielen 110 Scorerpunkte gesammelt, 43 Tore und 67 Vorlagen. Damit ist der Stürmer der Edmonton Oilers seit Dienstagabend, als die NHL ihren Plan zur Fortsetzung der Saison mit erweiterten Playoffs vorstellte, offiziell der beste Punktesammler der Hauptrunde in der besten Eishockeyliga der Welt - er steht nun in einer Reihe mit Wayne Gretzky, Sidney Crosby oder Jaromir Jagr. Als erster Deutscher erhält der 24-jährige Kölner dafür die Art Ross Trophy.

Draisaitl reagierte auf die Auszeichnung in der ihm eigenen Weise. "Natürlich fühle ich mich sehr geehrt", sagte der Nationalspieler, "doch im Mittelpunkt steht für mich immer das Team." Wer etwas mehr über Draisaitl erfahren will, fragt am besten andere. Seinen Teamkollegen Connor McDavid zum Beispiel, Zweiter der Scorerwertung mit 97 Punkten, den viele für den aktuell besten Spieler der Welt halten: "Ich sage es schon seit Jahren: Leon ist ein wunderbarer Spieler. Es ist schön, dass er endlich auch die Anerkennung bekommt", sagte der Kapitän der Oilers. Deren größte Ikone, Wayne "The Great One" Gretzky, sagte: "Leon kombiniert Talent mit der richtigen Einstellung. Er hat das nötige Arbeitsethos, darum wird er jedes Jahr stärker." Mit 24 dürfte Draisaitl, 2014 als bislang bester Deutscher an Nummer drei im Draft verpflichtet und früh als German Gretzky geadelt (und damit zu Beginn seiner NHL-Zeit überlastet), sein Potenzial längst nicht ausgeschöpft haben. Erst vergangene Saison hatte er mit 105 Punkten in 82 Spielen einen persönlichen Bestwert aufgestellt.

Aus der Heimat, wo Draisaitl als nächster schwarz-rot-güldener Stern am US-Sport-Himmel nach Basketball-Profi Dirk Nowitzki gehandelt wird, erreichten den Jubilar stürmische Glückwünsche. "Für den deutschen Eishockeysport ist das großartig und hat eine überragende Strahlkraft mit Vorbildcharakter", sagte Verbandspräsident Franz Reindl, DEB-Sportdirektor Stefan Schaidnagel sprach von einem "Meilenstein mit großer Außenwirkung". Bundestrainer Toni Söderholm, der Finne, der seinen Ausnahmespieler immer etwas strenger ran nimmt als andere, sagte: "Wir wollen die positive Geschichte des deutschen Eishockeys gemeinsam fortführen. Doch dieses Kapitel des Buchs hat Leon ganz allein geschrieben." Die Auszeichnung "zeigt mir, dass er wieder ein Jahr stärker geworden ist".

Draisaitl gilt jetzt sogar als Anwärter auf die Ehrung als MVP, als wertvollster Spieler der ganzen Saison - diesen Titel hat Nowitzki bislang exklusiv. Er mache sich darüber "keine großen Gedanken", sagte Draisaitl. Ach.

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