Eishockey:Managerspiel

191015 Philipp Mass of Red Bull Munich compete for the puck with Gustav Rydahl of Färjestad during the CHL game between; Eishockey

„Eine tolle Erfahrung für diese Jungs“: Philip Mass, links, 19-jähriger Verteidiger aus der Red-Bull-Akademie, gab am Dienstag sein Champions-League-Debüt gegen Färjestad BK (rechts Gustav Rydahl).

(Foto: Frederik Karlsson/imago)

Trotz Niederlage bei Färjestad BK zieht der EHC München als Gruppenerster ins Achtelfinale der Champions Hockey League ein. Trainer Jackson schont etliche Profis für das Derby gegen Straubing.

Von Johannes Schnitzler

Die Nummer 39 stach ins Auge. Zwar fallen Eishockeytrikots generell luftiger aus, und Torhüter tragen eine besonders dick gepolsterte Ausrüstung unter dem Stoff. Aber an Münchens Ersatzmann wirkte das Jersey wie ein Body fit-Designerhemd: wie auf den Leib geschneidert. Zudem verriet der dichte, von weißen Härchen durchzogene Fünf-Tage-Bart, dass in dieser Nummer 39 nicht wie vorgesehen Daniel Fießinger, 22, steckte, dessen Bild bei der Mannschaftsaufstellung eingeblendet wurde, sondern Christian Winkler. Winkler? Richtig gelesen. Winkler. Der Manager des EHC Red Bull München.

Das 1:3 in Karlstad ist für die Münchner im 17. Saisonspiel erst die zweite Niederlage

Der dreimalige deutsche Meister war mit einem Rumpfkader zum abschließenden Champions-League-Spiel der Gruppe G gegen Färjestad BK nach Karlstad geflogen. Für den EHC war die Partie in der schwedischen Provinz Värmland das siebte Pflichtspiel im Monat Oktober, fünf weitere folgen, an diesem Donnerstag bereits das bayerische DEL-Derby bei den Straubing Tigers. Die Ausgangslage war klar: Färjestad benötigte noch Punkte, um sich fürs Achtelfinale zu qualifizieren, München stand als Gruppensieger fest. EHC-Coach Don Jackson verordnete deshalb einigen angeschlagenen und besonders strapazierten Spielern eine Pause. Neben Daryl Boyle, Chris Bourque, Patrick Hager, Philip Gogulla, Derek Roy und Keith Aulie war auch Nationaltorwart Danny aus den Birken zu Hause geblieben. An ihre Stellen rückten Spieler wie Dennis Lobach, Philipp Mass oder Bastian Eckl, Spieler aus der RB-Akademie und von Kooperationspartner SC Riessersee. "Es wird für diese Jungs eine tolle Erfahrung und wir erwarten von ihnen, dass sie alles geben und gewinnen", sagte Jackson. Im Tor stand Kevin Reich, die etatmäßige Nummer zwei. Als Back-up war Fießinger eingeplant. Doch der meldete sich am Morgen mit einer infektiösen Erkrankung ab. Und weil Not bekanntlich kein Pardon kennt, schlüpfte Sportdirektor Winkler, 48, ins kleine Weiße.

Vermutlich dürfte nie ein Ersatzmann dem spielenden Torwart inniger die Daumen gedrückt haben als Winkler am Dienstagabend Kevin Reich. Zwar war er zu seiner aktiven Zeit selbst Torhüter, beim SC Riessersee und EC Peiting. Aber sein Karriereende liegt 17 Jahre zurück. Damals kam Stürmer John Jason Peterka gerade zur Welt. Dass die Münchner 1:3 (1:0, 0:2, 0:1) verloren, wollte Jackson selbst unter diesen Voraussetzungen nicht einfach so akzeptieren - 31 Sekunden vor Schluss nahm der Trainer noch eine Auszeit. Winkler war einfach nur froh, als er die Ausrüstung wieder ablegen durfte. Das Ergebnis zeigte, dass Jackson sich auf seine Talente verlassen kann. "Wir haben mit den vielen jungen Spielern ein gutes Spiel abgeliefert", fand Nationalverteidiger Yannic Seidenberg. Der EHC ging durch Justin Schütz sogar in Führung (10.); für den 19-Jährigen war es bereits der zweite Treffer im laufenden Wettbewerb. Andererseits zeigte sich in Schweden auch: München kann doch noch Spiele verlieren - wenn auch nur unter besonderen Umständen. Im 17. Pflichtspiel dieser Saison war dieses 1:3 erst die zweite Niederlage für den EHC.

Für die Erfolgsserie der Münchner, die mit elf Siegen in elf Spielen einen DEL-Startrekord aufgestellt haben, gibt es Gründe. Erstens: Nicht nach hinten schauen auf das, was man geleistet hat, sondern nach vorne. "Natürlich ist es schön, wenn wir diesen Rekord aufstellen. Aber trotzdem denken wir von Spiel zu Spiel", sagt Schütz ganz im Stil eines Routiniers und im Duktus seines Trainers. Zweitens: Das Team vertraut auf seine Stärken. "Auch wenn der Start mal nicht so gut ist - wir wissen, was wir können." Drittens: der ausgeglichene Kader. Mit 44 Treffern und nur 19 Gegentoren hat München den besten Angriff und die beste Abwehr und weiß in Danny aus den Birken den mit 1,43 Gegentoren pro Spiel und 95,0 Prozent Fangquote besten Torhüter der Liga zwischen den Pfosten.

Spitzenspiel in Straubing: Der Tabellenzweite empfängt den ungeschlagenen Ersten

Auch eher unbekannte Zugänge wie US-Nationalspieler Bobby Sanguinetti passen perfekt in das gerade für Verteidiger sehr laufintensive System. "Wir müssen schon ganz schön radeln", sagt Seidenberg. Der bald 36-Jährige verkörpert den Siegeswillen des Teams vielleicht am besten. Obwohl er die ersten Wochen der Saison verletzt verpasst hat, führt er in der Plus-Minus-Wertung der DEL-Verteidiger, die darüber Auskunft gibt, ob ein Spieler öfter bei Toren der eigenen Mannschaft (+) oder der gegnerischen (-) auf dem Eis war, mit einem Wert von +12. Und trotz aller Superlative ist das Team nicht satt. "Wir wollen die Siegesserie so weit fortsetzen, wie es geht", sagt Justin Schütz.

Am Donnerstag (19.30 Uhr) kommt es nun zum Spitzenspiel der DEL in Straubing. Überraschend daran ist weniger, dass München als Primus in den Gäuboden reist. Schon eher, dass die Tigers den EHC als Tabellenzweite empfangen. Das Team von Tom Pokel hat mit 21 Punkten aus den ersten elf Spielen immerhin einen Klubrekord aufgestellt und tritt entsprechend selbstbewusst auf. "Wir wollen die sein, die München die erste Niederlage zufügen", trommelte Verteidiger Sena Acolatse in den Eishockey News. Allerdings gibt es da noch so eine Serie: Die vergangenen neun Duelle gingen alle an den EHC.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: