Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Leon, der Profi

Der erst 21 Jahre alte Verteidiger Hüttl bereichert schon vor dem DEL-Start den Kader des ERC Ingolstadt - und perspektivisch wohl auch die deutsche Nationalmannschaft.

Von Christian Bernhard

Selbstverständlich hat sich Mark French ganz genau den Kader angesehen, den er da übernehmen sollte. Ein Spieler hat ihn dabei "angesprungen", wie es der neue Trainer des ERC Ingolstadt ausdrückt. Weil jener Spieler jung ist, Potential hat, schon im Kreis der Nationalmannschaft ist - und weil er in seinem neuen Klub sehr viel Gutes über den 21-Jährigen gehört hatte. Jetzt, nachdem er ihn in der Sommer-Vorbereitung gründlich kennengelernt hat, zeigt sich French "angenehm überrascht" und sagt: "Alles was die Leute gesagt haben, stimmt."

Der junge Mann, der ihm erst vom Hörensagen und nun aus eigener Erfahrung viel Freude bereitet, ist Leon Hüttl.

Mit French hinter der Bande und Hüttl in der Verteidigung starten die Ingolstädter am Freitag in die neue Spielzeit der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Einen Tag nach dem Eröffnungsspiel, das der EHC Red Bull München bei den Kölner Haien bestreitet, ist der ERC dann bei der Düsseldorfer EG zu Gast (19.30 Uhr). Ob Hüttl dann noch die vergangene Saison vor Augen hat, ist unklar - eine spezielle für ihn persönlich war sie aber allemal. Nach drei Jahren in der DEL2 war der Verteidiger im vergangenen Sommer zum ERC gekommen und dachte ursprünglich, dass er für Ingolstadts DEL2-Kooperationspartner Ravensburg eingeplant sei. Stattdessen bestritt er gleich in seinem ersten DEL-Jahr 54 Spiele für den ERC, in denen er im Schnitt beachtliche 14,5 Minuten pro Spiel auf dem Eis stand. "Absolut zufrieden" ist er ob seines ersten Jahres in der höchsten deutschen Spielklasse, "das habe ich nicht erwartet." Ingolstadts Kapitän Fabio Wagner findet, dass Hüttl sich zu einem "kompletten Verteidiger" entwickelt.

Für den ERC war die vergangene Spielzeit auf enttäuschende Art und Weise bereits in den Pre-Playoffs beendet, Trainer Doug Shedden und Sportdirektor Larry Mitchell verloren daraufhin ihre Jobs. Hüttl aber hinterließ Eindruck. Als den "wohl hellsten Lichtblick" bezeichnete Shedden den Abwehrspieler, und als einen "großartigen Jungen", der keine Angst habe und "sehr speziell für uns ist". Auch French schätzt bereits, was er an Hüttl hat: die läuferischen Fähigkeiten, seine stark ausgeprägte Wettkampfbereitschaft - und dass er Tipps "wie ein Schwamm" aufsauge. Der neue ERC-Trainer möchte, dass seine Verteidiger eine wichtige Rolle im Offensivspiel einnehmen, indem sie flüssige Positionswechsel mit den Angreifern vornehmen. All das passe zu den Qualitäten, die Hüttl mitbringt. Deshalb sagt French: "Leon wird in der Abwehr Top-Vier-Minuten bekommen." Er soll also zu jenen Verteidigern mit der meisten Eiszeit gehören.

Mitspieler bescheinigen Hüttl, dass er Tipps "wie ein Schwamm" aufsauge

Ein erneuter Blick auf den ERC-Kader macht deutlich, dass in Kapitän Wagner, Mat Bodie, Ben Marshall und Maury Edwards vier erfahrene Verteidiger im Ingolstädter Kader stehen, was einiges darüber aussagt, welch großes Vertrauen French schon jetzt für den jungen Hüttl hat. Der hat "von jedem ein bisschen was" mitgenommen, viel geholfen hat ihm Bodie, mit dem er in der vergangenen Saison und auch in der Sommer-Vorbereitung die meiste Zeit ein Verteidigerpärchen bildete. Hüttl, neben Edwards der einzige rechtsschießende Verteidiger im ERC-Kader, schätzt die Ruhe, die Bodie auf dem Eis ausstrahlt, sehr.

Davon scheint er auch selbst was zu haben. Wagner findet, Hüttl habe "so eine Coolness", die sich auf dem Eis mit einer gehörigen Portion Disziplin paart: In seinen 54 DEL-Einsätzen kassierte Hüttl nur acht Strafminuten. Der 21-Jährige weiß, wie man robust, aber nicht undiszipliniert spielt. "Was dummes Zweikampfverhalten betrifft, kann ich mich relativ gut zurückhalten", sagt er.

Hüttls Weg hatte sich früh abgezeichnet. Schon als 13-Jähriger spielte er in der U16-Schüler-Bundesliga für den EC Bad Tölz, sein Vater und sein Großvater waren Eishockey-Torhüter. Mit 18 Jahren, als er bereits in Frankfurt spielte, wurde er zu einem Entwicklungscamp der Edmonton Oilers eingeladen. Ein weiterer Leon in Edmonton, dort, wo Leon Draisaitl das Publikum verzückt, das sorgte damals schon für eine gewisse Aufmerksamkeit.

Von Draisaitls Sphären ist Hüttl noch weit entfernt, doch seine Veranlagungen sind auch dem Bundestrainer Toni Söderholm nicht entgangen. Bereits im Januar 2019 berief er den damaligen Zweitligaspieler bei seiner ersten Trainingsmaßnahme als Bundestrainer ins "Top Team Peking", einer Perspektivmannschaft des Nationalteams. Im April und Mai dieses Jahres war Hüttl, der bereits U20- und U18-Weltmeisterschaften bestritten hatte, dann bis in die vierte und letzte Vorbereitungsphase der Nationalmannschaft für die WM mit dabei. Er bestritt sieben Vorbereitungsspiele und verpasste nur knapp den Sprung in den finalen Kader - kurioserweise, weil es im Nationalteam ein Überangebot an Rechtsschützen in der Abwehr gab.

Mit dem Start der neuen Saison will Hüttl wieder angreifen. Geht es nach seinem ERC-Kapitän Fabio Wagner, ist noch vieles möglich. Hüttl habe "noch großes Potential". Wenn er so weitermache, habe er eine sehr erfolgreiche Karriere vor sich.

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