Köln im DEL-FinaleDie Haie zeigen wieder Zähne

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Elf Spiele ohne Tor, aber dann: In der Verlängerung schießt Justin Schütz (Mitte, Nr. 10) Köln gegen Ingolstadt ins Finale.
Elf Spiele ohne Tor, aber dann: In der Verlängerung schießt Justin Schütz (Mitte, Nr. 10) Köln gegen Ingolstadt ins Finale. (Foto: Marius Becker/dpa)

Nach elf entbehrungsreichen Jahren spielen die Kölner Haie um den deutschen Eishockeytitel. Im Finale gegen Meister Berlin sind sie Außenseiter. Aber: Sie haben, Herz, Seele, einen Cheerleader im Tor – und ein Tollhaus im Rücken.

Von Ulrich Hartmann

Im Jahr 1994 wurde die Deutsche Eishockey Liga (DEL) gegründet. 1995 hieß ihr erster Meister: Kölner Haie. Das ist jetzt 30 Jahre her. Man könnte es also schon aus Gründen dieses Jubiläums für angemessen halten, dass die Kölner Haie erstmals seit elf Jahren wieder im Endspiel stehen. Ob sie es vom Donnerstag an und alle zwei Tage in maximal sieben Spielen gegen die favorisierten Eisbären Berlin aber auch schaffen, erstmals seit 2002 wieder deutscher Meister zu werden, das muss sich zeigen.

„Berlin wird gegen uns genauso Favorit sein wie es Bremerhaven im Viertelfinale und Ingolstadt im Halbfinale waren“, sagte Montagnacht der Kölner Matchwinner Justin Schütz. Nach neun Minuten und vier Sekunden in der Verlängerung hatte der 24-Jährige das Tor zum 3:2 erzielt, das den vierten und entscheidenden Sieg in der Halbfinalserie gegen den ERC Ingolstadt bedeutete. Nahezu alle 18 600 Zuschauer in der Arena (abzüglich einiger Ingolstädter Fans) waren von Sinnen. Schütz drohte auf dem Eis unter überschwänglichen Teamkollegen verloren zu gehen.

Mit 26 Treffern war Schütz der beste Kölner Torjäger in der Hauptrunde gewesen. Doch in sechs Viertelfinalspielen gegen Bremerhaven sowie in fünf Halbfinalspielen gegen Ingolstadt war ihm kein einziges Tor mehr gelungen. „Ich habe mir zu viel Druck gemacht“, sagte er nun, „darunter hat meine Leistung gelitten.“ Kein Treffer von Schütz – aber nur bis Montagabend, 21.18 Uhr. Dann traf er umso bedeutsamer und schoss die Haie ins Finale. Der Triumph gegen Ingolstadt schmeckte umso süßer, als Köln 2014 seine bislang letzte Finalserie im ultimativen siebten Spiel vor heimischen Fans gegen just diesen Klub verloren hatte. An jenem Tag damals hatte für die stets erwartungsfrohen Kölner Fans ein zehn Jahre langes Martyrium begonnen: ein Jahrzehnt ohne Endspiel-Emotionen. Dreimal verpassten die Haie in dieser Zeit die Playoffs, ein Mal scheiterten sie in den Pre-Playoffs, viermal im Viertelfinale und zweimal im Halbfinale.

„Harte Zeiten“ hat Moritz Müller (Mitte), Kapitän und am Montag Torschütze gegen Ingolstadt, mit den Haien erlebt. Und nun: Finale!
„Harte Zeiten“ hat Moritz Müller (Mitte), Kapitän und am Montag Torschütze gegen Ingolstadt, mit den Haien erlebt. Und nun: Finale! (Foto: Marius Becker/dpa)

„Das waren harte Zeiten“, sagte am Montagabend über die Ära der Entbehrung der Haie-Kapitän Moritz Müller, 38. Er spielt seit 2004 für Köln in der DEL, gehörte beim bislang letzten Meistertitel 2002 noch nicht zum Team. „Nach der Finalniederlage 2014 ging es im Verein ein bisschen drunter und drüber“, gestand Müller nun: „Rebuild um Rebuild, dann auch noch Covid – da waren wir eigentlich platt und sind unseren eigenen Erwartungen hinterhergelaufen.“ Zehn Jahre zahnlose Haie. Müller sagt: „Wir haben große Ziele definiert, aber vielleicht waren wir nicht immer das, was wir gesagt haben.“

Nun folgt für Müller die angemessene sportliche Entschädigung: „Weil wir wirklich viel gute Arbeit investiert haben, sind wir wieder auf dem richtigen Weg.“ Müller ist schon jetzt halbwegs selig: „Die Kölner Haie sind nach elf Jahren wieder im Finale, und ich freue mich, dass ich noch mal ein Teil davon sein darf.“

Dabei war dieser Erfolg vor zwölf Monaten kaum abzusehen gewesen. 2024 scheiterten die Kölner früh in den Pre-Playoffs (an Ingolstadt), trennten sich anschließend vom Trainer Uwe Krupp und vollzogen mal wieder so ein Rebuild. Diesmal machte das Führungsteam um den frisch zum Sportdirektor beförderten Matthias Baldys aber einiges richtig. So engagierten sie als Coach den 65 Jahre alten Finnen Kari Jalonen, der als Trainer schon viermal finnischer und zweimal Schweizer Meister war sowie 2016 WM-Silber mit Finnland und 2022 WM-Bronze mit Tschechien gewann.

Jalonen wirkt bisweilen stoisch, gilt aber als exzellenter, weil erfahrener, abgeklärter und fachlich überzeugender Trainer. Baldys sagt: „Kari Jalonen spielt bei uns eine entscheidende Rolle. Er weiß die Mannschaft immer wieder hervorragend einzustellen und bringt viel Erfahrung mit, weil er schon oft in solchen Situationen war.“ Der junge Torjäger Schütz sagt über den finnischen Trainer: „Kari stellt uns immer super auf die Mannschaften ein. Gegen Berlin wird es darum gehen, die Topjungs rauszunehmen: Ty Ronning, Leo Pföderl und Freddie Tiffels – die sind so gut, die spielen mit so viel Selbstvertrauen.“

„Berlin ist das Nonplusultra. Wer Meister werden will, der muss an Berlin vorbei.“

Köln war nach der Hauptrunde Sechster, Berlin Zweiter. Den Dritten und Vorjahresfinalisten Bremerhaven sowie den Ersten Ingolstadt haben die Haie bereits eliminiert. „Vielleicht steht uns die Außenseiterrolle ganz gut“, kokettiert Schütz: „Wir sind eine sehr strukturierte Mannschaft und sehr unangenehm zu bespielen.“

Mit den Eisbären als Titelverteidiger und neuerlichem Favoriten fühlt sich Haie-Sportchef Baldys in seiner Saisonprognose bestätigt: „Berlin ist das Nonplusultra. Ich hatte schon vor der Saison gesagt: Wer Meister werden will, der muss an Berlin vorbei.“ Und an genau diesem triumphalem Überholmanöver versuchen sich die Haie nun. Am Donnerstag findet das erste Spiel der Finalserie in der Arena am Berliner Ostbahnhof statt, am Samstag das zweite in Köln-Deutz. Danach geht es im Zwei-Tage-Rhythmus weiter.

Mit den Haien und den Eisbären treffen zum Showdown die beiden zuschauerstärksten Teams der Liga aufeinander. Köln kam in der Hauptrunde auf im Schnitt 17 800 Zuschauer pro Heimspiel, Berlin auf 14 000. „In der Hauptrunde haben wir leider ein bisschen Probleme gehabt, die Energie in unserer Arena aufs Eis zu bringen“, sagt der Torjäger Schütz: „Aber in den Playoffs sind wir zu Hause jetzt sehr stark, wir saugen die ganze Energie auf. Wenn dich 18 000 Menschen so pushen, kriegst du schon auf der Bank Gänsehaut.“

Auch die Atmosphäre in der Arena soll die Haie also beflügeln. Dass ihre Fans historische Pulswerte entwickeln, liegt nicht zuletzt am neuen Publikumsliebling: dem 36 Jahre alten slowakischen Torwart Julius Hudacek. Er ist der überragende Rückhalt der Mannschaft und verwandelt sich nach Siegen auf dem Eis zum umjubelten Cheerleader. „Hu-da-cek“ skandierten die 18 000 am Montagabend in der Arena.

Nach dem wichtigsten Grund für den ersten Finaleinzug seit elf Jahren befragt, sagt der Kapitän Müller, der es wissen muss: „Das Playoff-Motto ist ganz gut gewählt, das trifft auf die Mannschaft voll zu.“ Dieses Motto lautet, natürlich in kölschem Idiom: „Mit Hätz un' Siel“. Mit Herz und Seele.

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