Eishockey:Kleine Halle, große Stimmung

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Und nun? Die Frauen des ERC Ingolstadt haben noch nicht viel Feierroutine. (Foto: Johannes Traub/Imago)

Zum ersten Mal gewinnt der ERC Ingolstadt die Meisterschaft in der Deutschen Fraueneishockey-Bundesliga und setzt sich dabei gegen die beiden Meister der vergangenen elf Jahre durch. Bahnt sich da ein Machtwechsel an?

Von Benjamin Markthaler

So wirklich wussten die Spielerinnen des ERC Ingolstadt nach dem Spiel am Sonntag noch nicht, was sie jetzt eigentlich zu tun haben. Wer kriegt den Pokal zuerst? Wo ist das Bier? Und was genau erwarten die Fans jetzt noch von ihnen? Aber um fair zu bleiben: Woher sollten sie das auch wissen? Elf Jahre lang hatte es keinen anderen Meister in der Deutschen Fraueneishockey-Bundesliga (DFEL) als den ESC Planegg und vereinzelt mal den ECDC Memmingen gegeben. Und vor so vielen Fans wie am Sonntag sind die Spielerinnen wohl auch noch nicht so oft angetreten.

Circa 600 Zuschauer waren in die Nebenhalle der Ingolstädter Arena gekommen. Die Ränge waren voll besetzt, der Fanclub des ERC hatte Trommeln und Fahnen mitgebracht, vor dem Spiel standen alle auf und stimmten in die Fangesänge ein. Eine Atmosphäre, die die Ingolstädterinnen nicht gewohnt sind. Sonst kommen maximal 200 Leute zu ihren Spielen - in der großen Halle in Ingolstadt, in der fast 5000 Zuschauer Platz finden und in der die Frauen normalerweise spielen, wirkt das, als wären es noch weniger. Weil aber das DEL-Spiel der Männer schon um 17 Uhr in der großen Halle beginnen sollte, musste diesmal umdisponiert werden. In Absprache mit dem Deutschen Eishockey-Bund war das Finalspiel von 19.30 Uhr auf 14.45 Uhr nach vorne verlegt worden - und in die Nebenhalle. Die Frauen mussten also umziehen. Der Vorteil: Die Spiele liefen nun nicht parallel, die Fans konnten in größerer Menge kommen. "Ich glaube, dass sich die Stimmung drüben mit der Anzahl an Fans eher verlaufen hätte. Von daher war es gar nicht so schlecht, hier zu spielen", sagte der Trainer der Ingolstädterinnen, Christian Sohlmann, nach dem vollendeten Meisterstück gegen den ECDC Memmingen. Auch wenn sonst wohl noch einige Fans mehr gekommen wären.

Gegner Memmingen wirkt von der ungewohnten Kulisse ein bisschen eingeschüchtert

Es könnte am Ende einer der entscheidenden Aspekte gewesen sein, wieso das Spiel so klar mit 4:o an die Ingolstädterinnen ging. Bei einer solchen Stimmung "bringt man eine ganz andere Leistung aufs Eis", stellte Kapitänin Tanja Eisenschmid fest. Und Sohlmann fiel vor allem ein anderer Start der Gäste auf: "Memmingen hat in den anderen Spielen immer die ersten paar Minuten richtig Gas gegeben, und dann ging es langsam bergab. Heute haben sie von Anfang an sehr eingeschüchtert von der Kulisse gewirkt", analysierte er.

Es war eines der wenigen klaren Ergebnisse in den Playoffs der DFEL. Und trotzdem sah der Weg der Ingolstädterinnen zu ihrem ersten Titel nach einer Machtdemonstration aus. Der ERC besiegte im Halbfinale den Titelverteidiger ESC Planegg in der Best-of-five-Serie mit 3:0. Gegen Memmingen ging nur das erste Spiel verloren, am Ende hieß es hier 3:1. Von einem Machtwechsel möchte Sohlmann trotzdem nicht sprechen: "Beim Frauen-Eishockey ist auch immer der Olympiazyklus entscheidend. Wir haben jetzt wieder vier Jahre bis zum nächsten Olympiaturnier, da ist gerade bei den Frauen, die in der Nationalmannschaft spielen, immer die Frage, ob sie nochmal vier Jahre machen oder ob sie doch aufhören." Wie der Kader für die nächste Saison aussehen wird, darüber werde erst in den kommenden Wochen gesprochen.

Die Playoffs erreichten sie nur als Vierte - aber dort kann ja dann bekanntlich alles passieren

Auch Eisenschmid erwartet erst einmal nicht, dass sich Grundlegendes an der Machtverteilung in der Liga ändert. "Ich denke, dass wir alle ziemlich auf Augenhöhe sind, deshalb gibt es auch so viele spannende Spiele. Also mal gucken, was die nächsten Jahre so bringen."

Einmal mehr MVP: Torhüterin Lisa Hemmerle wird für ihre Leistung geehrt. (Foto: Johannes Traub/Imago)

Von Augenhöhe war im Spiel am Sonntag allerdings wenig zu sehen. Von Beginn an erarbeiteten sich die Ingolstädterinnen ein Plus an Chancen. Nach 15 Minuten war es ein Doppelschlag, der dem ERC die 2:0-Führung zur ersten Drittelpause brachte: Erst nutzte Celine Haider einen Abpraller, um den Puck über die Linie zu stochern, dann machte es Franziska Brendel ähnlich und versenkte den Puck nach einem Schuss von Tanja Eisenschmid ins Tor. Im zweiten Drittel ging es so weiter: Zwar kamen die Memmingerinnen zu etwas mehr Chancen, Torhüterin Lisa Hemmerle - später zum wiederholten Mal in diesen Playoffs zur Spielerin des Spiels gewählt - konnte aber alle stoppen. Auf der anderen Seite stocherte Schiefer die Scheibe ein weiteres Mal über die Linie, bevor im letzten Drittel Nicola Eisenschmid die Partie endgültig entschied.

Für die Ingolstädterinnen ist es der erste Titel überhaupt in der 2006 gegründeten Frauenbundesliga, meistens beendete der ERC die Saison auf Platz drei. Und auch diese Saison sah es erstmal so aus, als würde sich daran nichts ändern: Auf Platz vier schloss Ingolstadt die Hauptrunde ab und qualifizierte sich damit als letzter Verein für die Playoffs. Planegg wurde wie so oft Erster, Memmingen Zweiter. In den Playoffs spielt das aber bekanntlich keine Rolle. "Da weiß man nie was passiert, da kann die letzte Mannschaft die erste schlagen. Wie jetzt eben auch", sagte Tanja Eisenschmid. Dann musste sie aber auch weiter, ihr Team sollte nun in die große Halle wechseln, um sich in der ersten Drittelpause des Männerspiels auch drüben von den Fans feiern zu lassen. Es kam dann zu spät. Aber es gab ja noch die zweite Pause.

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