Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Kinderspiel mit Schraubenziehern

Während drei bayerische Klubs in der DEL coronabedingt pausieren müssen, setzen die Straubing Tigers am Sonntag gegen Bietigheim ihren Aufschwung fort. Sie haben wieder zu sich gefunden, erklärt Torwart Vogl.

Von Christian Bernhard

Sebastian Vogl musste sogar nach Spielende noch einmal auf seine Knie, um die diversen Torhüter-Utensilien aufzusammeln, die er für ein Interview abgelegt hatte. Das belastete den Spieler der Straubing Tigers allerdings nicht mehr, denn er wurde dabei von "Basti Vogl"-Gesängen seiner Fans begleitet, die ihn und den 4:1-Heimsieg über die Bietigheim Steelers bejubelten. Für die Niederbayern war das am Sonntag der vierte Erfolg in den vergangenen fünf Partien der Deutschen Eishockey Liga (DEL).

Die Straubinger konnten sich am Sonntag nicht nur über den Sieg freuen, sondern auch darüber, dass sie überhaupt spielen durften. Drei weiteren bayerischen DEL-Klubs blieb das am Sonntag coronabedingt verwehrt: dem EHC Red Bull München, weil sich zahlreiche seiner Spieler immer noch in Quarantäne befinden; den Nürnberg Ice Tigers und den Augsburger Panthern, da ihre Gegner aus Düsseldorf und Iserlohn aufgrund der Intervention der zuständigen Gesundheitsämter nicht antreten durften. Die Absage des Augsburger Heimspiels gegen die Iserlohn Roosters war sogar erst im Laufe des Spieltages erfolgt.

Die Niederbayern also durften ran - und setzten ihren Aufschwung fort. Tigers-Trainer Tom Pokel hatte diesen zuletzt bildhaft so umschrieben, dass der Straubinger Schrank stehe und nur noch zusammengeschraubt werden müsse. Verteidiger Marcel Brandt fügte dem hinzu, dass jeder Straubinger Spieler einen kleinen Schraubenzieher bekommen habe, um dabei mitzuhelfen. Einige Tigers-Spieler zückten diesen am Sonntag schon früh: Mike Connolly behielt in Minute fünf mit der Scheibe an seinem Schläger den Kopf so lange oben, bis er sah, wie sich Jason Akeson im Zentrum freigelaufen hatte. Dann passte er genau - und Akeson traf durch die Beine von Steelers-Torhüter Cody Brenner zum 1:0 (8.). Nur zwei Minuten später legte Andreas Eder in Überzahl mit einer harten und präzisen Direktabnahme das 2:0 nach, wenig später erkannte Travis St. Denis, dass Brenner das kurze Eck nicht ganz zugemacht hatte und überwand ihn aus spitzem Winkel über dessen Schulter zum 3:0 (12.). Am Kinder- und Jugendtag im Eisstadion am Pulverturm schien das Schrank-Fixieren zu einem Kinderspiel zu werden.

Ihren Vorsprung geben die Tigers nicht mehr her - ein Merkmal großer Teams

Der Aufsteiger musste sich wie in der Fortsetzung eines Horrorfilms vorkommen, hatte er doch in seinen zwei vorangegangen Partien 16 Gegentore kassiert, zehn davon alleine am vergangenen Mittwoch gegen Bremerhaven. Das 1:3 von Matt McKnight (15.) verlieh ihm aber wieder ein bisschen Stabilität. "Bis zum 3:0 war alles super", sagte Brandt nach Drittel eins bei Magentasport. Der Tigers-Verteidiger mahnte an, es gelte nun auf die Defensive zu achten, denn "vorne kriegen wir unsere Chancen von alleine". So wie in Minute 29, als Chasen Balisy stark von St. Denis in Szene gesetzt wurde, aber aus sehr guter Position an Brenner scheiterte.

Akeson hatte nach dem überzeugenden 6:2-Sieg gegen Iserlohn in der vergangenen Woche betont, dass die Tigers nun die richtigen Dinge machen würden und die Voraussetzungen dafür hätten, "ein großes Team zu sein". Ein Merkmal solcher Mannschaften sei es, ihre Gegner nicht zurück ins Spiel kommen zu lassen. Das gelang den Tigers am Sonntag, sie ließen defensiv wenig zu und machten dank Balisys 4:1 ins leere Tor (58.) alles klar. "Wir sind jetzt konstanter", erklärte Pokel, der sich freute, dass seine Spieler - anders als noch zu Saisonbeginn - in wichtigen Spielsituationen nicht mehr hektisch oder panisch werden. "Wir haben uns zusammengesetzt, Dinge angesprochen, die uns auf dem Herzen lagen, und wieder zu uns gefunden", erklärte Vogl. Der Straubinger Schrank wirkt nun deutlich stabiler.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5447983
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/lib
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.