Eishockey:Kalle Kossila und seine heiß gelaufenen Nebenmänner

EHC Red Bull München - Straubing Tigers

Kampf um Längenvorteile: Kalle Kossila vom EHC München (vorne) streckt sich im Zweikampf mit Antoine Laganiere von den Straubing Tigers.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

39 Tore, erzielt von 14 unterschiedlichen Schützen - in nur neun Spieltagen: Die Mannschaften in der DEL verzweifeln angesichts der Offensivwucht des EHC München.

Von Christian Bernhard, München

Chris Bourque ging schnurstracks auf jenen Bereich der Spielerbank zu, wo die Reserveschläger schön säuberlich nebeneinander aufgereiht stehen. Dort angekommen, zerschlug er deprimiert seinen Schläger - und griff sich einen neuen. Ausgelöst hatte seinen Frustrationsanfall Sebastian Vogl, der einen Alleingang Bourques mit einer starken Parade zunichte gemacht hatte. Der Stürmer des EHC München haderte zuletzt mehrfach mit sich, weil er einige ähnlich gute Torchancen liegengelassen hatte.

"Spieler können sich runterziehen lassen, wenn sie nicht treffen", sagte Münchens Trainer Don Jackson kürzlich. Das gilt besonders für Offensivspieler, die es gewohnt sind, regelmäßig zu treffen. Bourque ist so einer, in der vergangenen Saison der Deutschen Eishockey Liga (DEL) war er mit 47 Punkten in 51 Partien Münchens zweitbester Scorer. Für einen Spieler mit seinen Fähigkeiten ist solch eine Phase also besonders schwer zu akzeptieren.

Das Gute aus Münchner Sicht: Die Spezies der frustrierten Angreifer ist aktuell eine extrem seltene im EHC-Kader. Denn die Münchner Offensive rollt auch ohne die Tore von Bourque. Am Montagabend bekamen die Straubing Tigers diese Angriffswucht zu spüren. Beim souveränen 6:2-Heimsieg hatten die Hausherren bereits kurz nach der Hälfte fünf Tore erzielt. Ohne zahlreiche Paraden von Tigers-Torhüter Vogl hätten es am Ende noch deutlich mehr sein können. Zwei Tage zuvor waren es in Schwenningen ebenfalls sechs Münchner Treffer gewesen, davor gegen Augsburg fünf. 39 Mal hat der EHC in seinen bisherigen neun Saisonspielen getroffen, das ist sowohl absolut als auch in Sachen Tore pro Partie (mehr als vier im Schnitt) Liga-Bestwert.

Das Spielsystem des EHC ist derart offensiv, dass der ehemalige NHL-Profi Zach Redmond schwärmt, er komme in München zu mehr Torchancen als jemals zuvor

Gegen Straubing war es die Formation um Kalle Kossila, Frank Mauer und Philip Gogulla, die hervorstach; drei der ersten vier Münchner Tore gingen auf ihr Konto. "Wir drei sind alle leicht unterschiedliche Spielertypen, das harmoniert einfach gut, weil wir unser Spiel gut lesen können", erklärt Mauer das Erfolgsrezept seiner Angriffsreihe. Der Finne Kossila, der erst kurz vor dem Saisonstart leihweise verpflichtet wurde, fügt sich als Mittelstürmer dieser Linie immer besser ein. "Kalle findet seinen Weg", sagt Jackson. Kossila sei ein "super Mittelstürmer", ergänzt Mauer, "er hilft uns sehr weiter." Gegen Straubing markierte der Finne das 2:0 (8.) und bereitete Mauers 3:1 (22.) mustergültig vor. Ein Treffer von Trevor Parkes durfte auch nicht fehlen, das 5:1 in Minute 34 war sein Saisontor Nummer zehn, was ihn zum besten Torjäger der Liga macht. Vorbereitet wurde es von seinem kongenialen Nebenmann Mark Voakes (acht Vorlagen). "Die beiden sind heiß gelaufen", sagt Jackson.

Wie allumfassend die Münchner Offensivwucht derzeit daherkommt, ist am besten an einem Verteidiger abzulesen. Zach Redmond, der das 1:0 gegen die Tigers erzielte (6.), ist mit 13 Scorerpunkten nicht nur der punktbeste Abwehrspieler der Liga, sondern auch der erfolgreichste Punktesammler des EHC. "Alle Münchner Verteidiger sind sehr aggressiv und schalten sich als Stürmer mit ein", sagte Straubings Trainer zu den offensiv auffälligen Abwehrspielern des EHC. Don Jacksons Spielsystem ist derart offensiv, dass der routinierte Offensiv-Verteidiger Redmond, der auf zehn Profi-Spielzeiten in Nordamerika zurückblickt, sagt, er komme in München zu mehr Torchancen, "als ich je hatte".

Kurz vor Spielschluss konnte sich auch noch Justin Schütz über sein erstes Tor nach seiner Rückkehr aus Salzburg freuen. Damit waren es sechs verschiedene Münchner Torschützen gegen Straubing, und 14 insgesamt in der erst neun Spieltage alten Saison: keine DEL-Mannschaft weist so viele unterschiedliche auf. Die Münchner Angriffsausbeute wird noch beeindruckender, wenn man sich die Überzahlquote ansieht. Die ist mit nur drei Toren aus 34 Powerplay-Situationen und einer Quote von weniger als neun Prozent ziemlich bescheiden, um es nett auszudrücken.

Der ERC Ingolstadt ist am Donnerstag (Olympia-Eishalle München, 20.30 Uhr) das nächste Team, das die schwere Aufgabe bekommt, die Münchner Offensivkraft einzudämmen. Vor knapp zwei Wochen kassierten die Ingolstädter hier vier Tore, schossen aber sechs. Chris Bourque erzielte damals seinen bisher einzigen Saisontreffer. Die Tore sind allerdings das Einzige, das ihm fehlt: Seitdem hat er in nur vier Partien beeindruckende sieben Treffer vorbereitet.

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