Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Irritiert vom Widerstand

München ging als klarer Favorit ins Playoff-Halbfinale gegen die Augsburger Panther. Doch die Klubs haben sich derart angenähert, dass das Ende des siebten Spiels völlig offen ist.

Von Johannes Schnitzler

Wenn Trevor Parkes in Augsburg aus der Gästekabine tritt, muss er sich nur um 90 Grad nach rechts wenden. Dann steht er vor der Tür zur Umkleide der Augsburger Panther, seiner ehemaligen Heimat. Der Kanadier Parkes, 27, steht seit dieser Saison beim deutschen Meister EHC Red Bull München unter Vertrag. Aber im Team der Panther, für die er zuvor zwei Jahre lang spielte, hat er noch viele Freunde. Einer davon ist Scott Valentine, ebenfalls Kanadier aus Ontario und wie Parkes 27 Jahre alt.

Wer am Sonntag in Spiel sechs der Halbfinalserie zwischen Augsburg und München Valentines Check gegen Nationalspieler Yasin Ehliz gesehen hat, wird kaum glauben, dass Valentine Freunde hat, geschweige denn in München. Wer Parkes und Valentine, beide knapp einsneunzig groß und schwarzbärtig, dann aber nach 60 oder zur Not auch 103:34 Minuten intensivstem Playoff-Eishockey gemeinsam vor der Kabinentür stehen und miteinander scherzen sieht, wird die beiden kaum auseinanderhalten können, wie Zwillinge. Vermutlich könnten sie während des Spiels unbemerkt ihre Trikots tauschen.

Nach neun gemeinsamen Jahren in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gebe es keine Geheimnisse mehr voreinander, das hatten beide Seiten vor dieser Halbfinalserie stets betont. Nuancen würden entscheiden. Die meisten tippten trotzdem auf Titelverteidiger München, weil: mehr Geld, mehr Qualität, mehr Erfahrung. Nach sechs Halbfinalduellen über insgesamt rund siebeneinhalb Stunden, in denen keine Seite einen Millimeter Eis freiwillig preisgibt, scheinen sich nun aber auch die feinsten Unterschiede zwischen diesen eigentlich so gegensätzlichen Teams aufzulösen. Nicht nur die Ergebnisse gleichen sich - drei Spiele endeten 2:1, das jüngste 2:0 - auch die Statements klingen mittlerweile austauschbar. Nach dem 0:1 am vergangenen Freitag in München sagte Augsburgs Trainer Mike Stewart: "Wenn du keine Tore schießt, ist es schwierig, Spiele zu gewinnen." Nach dem Münchner 0:2 am Palmsonntag in Augsburg sagte EHC-Kapitän Michael Wolf, 38, und mit 337 Treffern immerhin zweitbester Torschütze der DEL-Geschichte: "Wir haben viele Chancen, aber wir schießen keine Tore." Vor allem an Augsburgs Torhüter Olivier Roy arbeiten sich die Münchner ab. Von 248 Schüssen auf sein Tor wehrte der Kanadier in den ersten sechs Halbfinalspielen 239 ab - das entspricht einer Fangquote von 96,4 Prozent. Und was Roy mit Händen und Füßen nicht hält, blocken seine Vorderleute aus dem Weg oder landet an Pfosten und Latte. "Je länger das so geht, desto schwieriger wird es", sagt Michael Wolf.

Adam Payerl weiß, wovon Wolf spricht. Für den Kanadier Payerl ist es die erste Saison in Europa. Als sogenannter Power Forward sollte er bei den Panthern Parkes ersetzen. Der 28-Jährige ist physisch stark, ähnlich wie Parkes kann er sich vor dem Tor behaupten und im Powerplay dem gegnerischen Schlussmann die Sicht nehmen. 13 Tore erzielte der Stürmer mit den österreichischen Wurzeln in der Hauptrunde, aber das allein ist nicht der Grund, weshalb der Austrokanadier Mike Stewart Payerl sehr schätzt: "Er ist robust, er kann Schlittschuh laufen und er ist ein super Teamkamerad. Er macht verdammt viel für uns." Nur Tore machte Payerl zuletzt keine. Kein einziger Treffer war ihm in den Playoffs gelungen - bis Sonntag. Dann schoss er beide zum Augsburger Ausgleich in der Serie.

"Es war ein bisschen frustrierend", sagte Payerl nach dem Spiel. "Ich wollte unbedingt etwas beitragen. Heute ist es mir offensiv gelungen. Aber irgendwie kann man immer etwas für das Team tun." Vielleicht sei das der Unterschied, sagt Payerl vor dem entscheidenden siebten Duell um den Einzug ins Finale an diesem Dienstag (19.30 Uhr) in München: "Das ist eine gute Gruppe hier, alle achten aufeinander. Wir verbringen auch privat viel Zeit miteinander. Ich glaube, das sagt viel darüber aus, wie wir es in beiden Serien gegen Düsseldorf und jetzt gegen München in ein siebtes Spiel geschafft haben. Alle spielen füreinander." Christoph Ullmann, 35, zweimal Meister mit Mannheim und in dieser Saison ebenfalls neu in Augsburg, sagt: "Ich glaube, dass der Spaß, den wir in der Kabine haben, die Entschlossenheit und den Zusammenhalt auf dem Eis widerspiegelt. Wir haben keinen Druck."

Man muss es nicht gleich so drastisch ausdrücken wie Henry Haase ("München kackt sich ein"). Aber der EHC wirkt nach drei Titeln in drei Jahren und der Teilnahme am Champions-League-Finale zumindest irritiert vom Augsburger Widerstand. "Wir haben mehr Gegenwind, als wir es aus den letzten Jahren gewohnt waren", gab Nationalspieler Frank Mauer während der Serie zu. Man könne nicht erwarten, "dass es immer so läuft." Dennoch sollte man nicht den Fehler machen, München abzuschreiben: "Wir sind eine Topmannschaft. Und Topmannschaften finden immer Wege, um zu gewinnen", sagt Mauer. Wer ins Finale will, braucht vier Siege. Die Chancen stehen für beide gleicher denn je.

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SZ vom 16.04.2019
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