Eishockey in Deutschland:Rückzug per SMS

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Hamburg verliert den nächsten Klub - diesmal im Eishockey, weil der amerikanische Besitzer keine Millionenverluste mehr tragen will.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle des Eishockey-Klubs Hamburger Freezers bekamen die Nachricht am Mittwochmorgen mitgeteilt, die zum größten Teil im Urlaub befindlichen Profis erfuhren es per Mail oder SMS. Und auch für Gernot Tripcke, den Geschäftsführer der Deutschen Eishockey Liga (DEL), kam die Meldung "aus heiterem Himmel". Tom Miserendino, Präsident der amerikanischen Anschutz Entertainment Group (AEG) Europe, war extra eingeflogen, um die Nachricht persönlich zu überbringen: Die AEG, zu deren Portfolio auch das NHL-Team Los Angeles Kings, die Eisbären Berlin und Hammarby IF aus Schweden zählen, wird ihr Entertainment künftig nicht mehr mit Hilfe der Freezers gestalten. Man wird keine neue Lizenz für die Saison 2016/17 beantragen - es sei denn, bis zum Stichtermin am 24. Mai findet sich noch ein Unternehmen, das alles übernimmt.

Auf "ein Prozent" hat Freezers-Geschäftsführer Uwe Frommhold diese Möglichkeit taxiert. Seit 2011 befasste sich die AEG damit, sich vom verlustreichen Franchise zu trennen. Damals wurde sogar die Hamburger Privatbank M.M. Warburg damit beauftragt, einen neuen Investor zu finden. Künftig werden nur noch "die erfolgreicher spielenden Eisbären", so Misererendino, die Unterstützung aus den USA erhalten. Man habe seit 2011 "gewissenhaft daran gearbeitet, einen nationalen oder internationalen Partner zu finden, der die Freezers übernimmt - leider bis zum heutigen Tage erfolglos", teilte der Europa-Boss mit.

Es hieß seinerzeit, mit sieben Millionen Dollar könne man ins Geschäft kommen. Miserendino verteidigte das plötzliche Ende so: Man habe "Business as usual" gemacht, um im besten Fall das komplette Team zu übergeben. Nun sind alle Profis für neue Arbeitgeber frei. Den anderen Mitarbeitern wird am 25. Mai gekündigt.

Die AEG hatte die Freezers 2002 gegründet, nachdem sie die Lizenz der München Barons übernommen hatten. Kürzlich hatte der Klub zum dritten Mal in 14 Jahren die Teilnahme an den Playoffs verpasst. Ein Titel blieb dem Klub versagt, nur zweimal (2004 und 2014) erreichte er das Halbfinale. Trotzdem kamen zuletzt im Schnitt 10 713 Zuschauer in die Arena, die ebenfalls der AEG gehört. Auf dem Höhepunkt der Hamburger Eishockey-Begeisterung in der zweiten Saison war die Halle mit 12 055 Anhängern fast immer ausverkauft.

Nun sind beide Hometeams der Arena binnen vier Monaten weggebrochen. Im Januar hatten die Handballer des HSV Hamburg Insolvenz angemeldet und sich aus der Bundesliga zurückgezogen. Freezers-Kapitän Christoph Schubert will das Aus aber noch nicht wahrhaben: "Sportstadt Hamburg, wir brauchen eure HILFE!!! Wir haben 6 Tage. Das kann es nicht gewesen sein", schrieb er in seinem Tweet und bat um Unterstützung durch die Stadt Hamburg. Uwe Frommhold, nicht nur seit vier Jahren Geschäftsführer der Freezers, sondern noch immer Boss der Arena, wird nun eine "andere Ausrichtung" suchen, damit die Halle weiter profitabel bleibt. Ein neues Hometeam ist nicht in Sicht. Die Handballer fangen in der 3. Liga wieder an, die Basketballer der Hamburg Towers verharren in der 2. Liga. Für solche Vereine ist die Miete viel zu hoch.

© SZ vom 19.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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