Eishockey:Hausparty mit Türsteher

Eishockey: Endlich wieder Grund zur Freude: Torschütze Justin Feser (rechts) und Colton Jobke.

Endlich wieder Grund zur Freude: Torschütze Justin Feser (rechts) und Colton Jobke.

(Foto: Uwe Koch/Eibner-Pressefoto/Imago)

Neun Niederlagen aus zehn Spielen - und dann ein Erfolg beim Tabellenführer: Der ERC Ingolstadt beendet seine lange Negativserie in Berlin. Torwart Kevin Reich ist der Schlüssel zum Erfolg.

Von Christian Bernhard

Das Staunen war groß - hüben wie drüben. Denn Frans Nielsen, erfahrener Angreifer der Eisbären Berlin und ausgewiesener Penalty-Experte, hatte eigentlich alles richtig gemacht. Doch der Däne - und mit ihm viele andere in der Berliner Arena - hatte nicht damit gerechnet, dass Kevin Reich eine noch bessere Antwort parat hatte. Nielsen hatte den Torhüter des ERC Ingolstadt im Penaltyschießen mit einem "super move", wie sein Teamkollege Jonas Müller fand, schon ausgewackelt und musste die Scheibe nur noch ins leere Tor schieben, da schnellte Reichs Torwartkelle hinter dem Rücken noch rüber und stoppte die Scheibe kurz vor der Torlinie. Statt des Berliner Sieges, der mit diesem Treffer besiegelt gewesen wäre, ging das Penaltyschießen weiter - und endete mit einer weiteren Parade von Reich zum 3:2-Erfolg für die Ingolstädter.

Reich schilderte diese großartige Aktion, die den ERC am Dienstag im Spiel hielt, gespielt nüchtern. "Er hat mich eigentlich schon geschlagen", sagte der 26-Jährige, "aber zum Glück noch genau auf die Kelle geschossen." Ein Lächeln konnte er sich dabei nicht verkneifen - Reich wusste, wie spektakulär seine Tat gewesen war. Und wie wichtig für sein Team. Das wurde spätestens dann deutlich, als er sich nach der Sieg bringenden Parade gegen Matt White in Sekundenbruchteilen aufrichtete und vehement jubelte.

"Um aus einem Loch wie dem unseren herauszukommen, brauchst du so eine Torhüter-Leistung", sagt Trainer Shedden

Neun Niederlagen aus den vorangegangen zehn Spielen: Die Negativserie, in der sich die hoch eingeschätzten Ingolstädter seit dem Ende der Olympia-Pause befanden, war beispiellos in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Selbst der Tabellenletzte, die Krefeld Pinguine, hatten in dem Zeitraum öfter gewonnen. "Die Leute werden ein bisschen nervös, wenn so etwas passiert", hatte auch ERC-Trainer Doug Shedden erkannt. Umso größer war die Erleichterung über den Auswärtssieg beim Tabellenführer und aktuellen Meister.

Ein Schlüssel zum langersehnten Erfolg war Kevin Reich - und das nicht nur wegen seiner spektakulären Parade gegen Nielsen. In den 65 Minuten vor dem Penaltyschießen hatte der ERC-Torhüter 51 Schüsse auf seinen Kasten fliegen sehen - und 49 davon abgewehrt. "Um aus einem Loch wie dem unseren herauszukommen, brauchst du so eine Torhüter-Leistung", sagte Shedden und attestierte Reich das Prädikat "unglaublich".

Das Gute aus ERC-Sicht war, dass es nicht nur Reich alleine richtete. Die Ingolstädter zeigten trotz der zahlreichen Berliner Abschlüsse eine ordentliche Defensivleistung. Denn die Schüsse, welche die Eisbären abgaben, kamen meist von außen - und damit nicht aus der gefährlichen Zone direkt vor dem Gehäuse. "Wir standen in der defensiven Zone extrem gut", hob Reich hervor. "Wir haben eng gespielt, es kam nicht viel aus der Mitte." Der ERC habe es "gut im Haus verteidigt", musste auch Berlins Jonas Müller in feinstem Eishockey-Sprech eingestehen - und Reich war ein formidabler Türsteher.

Um im Rennen um die direkte Playoff-Qualifikation zu bleiben, brauchen die Ingolstädter nun Ergebniskonstanz

Dass die ERC-Defensive auch ohne den verletzten Schlüssel-Verteidiger Ben Marshall, bei dem Shedden befürchtet, dass er in dieser Saison nicht mehr spielen kann, just gegen die beste Offensive der Liga glänzte, sollte den Oberbayern Mut machen. Und inspirierte Shedden zu einem Blick zurück. Im November, als sein Team noch regelmäßig gewann, habe es defensiv großartig gespielt, sagte er, "dahin müssen wir zurückkommen."

Beim Tabellenführer wären sogar mehr als die zwei Punkte drin gewesen, denn die Oberbayern führten bis ins Schlussdrittel dank der Tore von Chris Bourque (18.) und Justin Feser (33., Überzahl) mit 2:0., ehe Reich noch von Dominik Bokk (47.) und Zach Boychuk (54.) bezwungen wurde, in der Verlängerung gegen Kevin Clarke die Niederlage verhinderte - und dadurch im Penaltyschießen zaubern konnte.

Um weiter im Rennen um die direkte Playoff-Qualifikation, sprich Platz sechs, zu bleiben, brauchen die Ingolstädter nun das, was sie wochenlang vermissen haben lassen: Ergebniskonstanz - und zwar positiver Natur. Reich sprach von einem "Schritt in die richtige Richtung", mahnte aber gleichzeitig: "Wir dürfen jetzt nicht ein Spiel gut spielen und dann wieder ins alte Schema fallen." Damit das gelingt, würde er auch weitere arbeitsreiche Abende auf sich nehmen. "Wenn wir ein Tor mehr schießen, nehme ich die 51 Schüsse gerne", sagte er bei Magentasport - und grinste dabei noch einmal.

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