Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Erstarrte Mienen

Der mit hohen Ansprüchen in die DEL-Saison gestartete ERC Ingolstadt verliert mit 3:6 gegen die Eisbären Berlin - und stagniert im letzten Tabellendrittel.

Von Christian Bernhard

Im Gesicht von Doug Shedden rührte sich so gut wie nichts. Und doch verriet das Mienenspiel des ERC-Ingolstadt-Trainers, das sich auf ein leichtes, aber nicht zu übersehendes Kopfschütteln beschränkte, schon Mitte des Spiels mehr als genug. 3:6 verlor der ERC am Sonntagnachmittag beim Meister Eisbären Berlin, nachdem er bereits im Mitteldrittel 1:6 zurückgelegen war. Für die hoch gehandelten Ingolstädter war es die sechste Niederlage in den vergangenen sieben Partien in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), am Freitag hatten sie zuhause gegen die Grizzlys Wolfsburg ein 3:4 nach Penaltyschießen hinnehmen müssen. Mit nur 13 Punkten aus zwölf Partien stagnieren die Oberbayern mittlerweile im letzten Tabellendrittel. Ersatztorhüter Jonas Stettmer, der im Schlussdrittel das ERC-Tor hütete, kleidete in Worte, was die Anzeigetafel über ihm gnadenlos numerisch abbildete: "Das war nicht unser Tag."

Dass die Rückreise nach Bayern wenig angenehm war, lag nicht nur an der Pleite bei den formstarken Eisbären. Ingolstadts Sportdirektor Larry Mitchell hatte bereits vor dem Spieltags-Wochenende darauf verwiesen, dass sich jeder im Team an die eigene Nase packen müsse, da "wir höhere Ansprüche haben". Er erwartete sich, "dass jeder den Ernst der Lage sieht". Nach zwei weiteren Niederlagen ist diese noch ernster geworden - der letztjährige Playoff-Halbfinalist ist im Moment weit von der Spitze entfernt, auch wenn Stürmer Mirko Höfflin direkt vor der Berlin-Partie betont hatte: "Wir haben auf jeden Fall die Qualität, oben mitzuspielen."

Höfflin hatte auch erklärt, man sei angereist, um mit "Biss" zu spielen. Doch nach einer guten ERC-Anfangsphase traf Berlins bayerischer Angreifer Leo Pföderl zum 1:0 (8.), und daraufhin trat das ein, was Daniel Pietta schon nach der Freitags-Niederlage bemängelt hatte: Gegentore nach individuellen Fehlern. Nach einer Strafzeit des Ex-Eisbären Louis-Marc Aubry markierte Kevin Clark das 2:0 für die Berliner (10.). Weniger als zwei Minuten später hieß es 3:0, da ERC-Verteidiger Matt Bodie es verpasste, die Scheibe aus dem eigenen Drittel zu klären und Blaine Byron so aus kurzer Distanz treffen konnte (12.). Bodies Fehler steht symptomatisch für die Ingolstädter Probleme in dieser Saison: In der vergangenen Spielzeit war der Kanadier einer der besten Verteidiger der gesamten Liga gewesen, in der aktuellen Saison spielt er genauso wie einige seiner Teamkollegen hinter seinen Möglichkeiten.

Die Hoffnung, die nach Brandon DeFazios abgefälschtem Tor zum 1:3 aufkam (24.), machte sich der ERC selbst zunichte. Nach einem missglückten Pass im Berliner Drittel von Ben Marshall- Stichwort individuelle Fehler - in Überzahl, starteten die Eisbären einen Konter, den Byron nur 38 Sekunden später zum 4:1 vollendete (24.). Matt White (30.) und Zach Boychuk (38.) sorgten mit zwei weiteren Eisbären-Toren dafür, dass Sheddens Mienenspiel sich auf ein Minimum reduzierte.

"Wir sind alle angepisst und verkaufen uns unter Wert", sagt ERC-Verteidiger Emil Quaas nach dem Mitteldrittel

ERC-Verteidiger Emil Quaas, der im ersten Drittel von einem harten Check von Frank Hördler ordentlich durchgeschüttelt worden war, hatte nach dem Mitteldrittel erst einmal Probleme, die Fragen von Magentasport auf dem Eis zu verstehen, da es in der Berliner Arena ziemlich laut war. Dann verriet er, dass "wir alle angepisst sind und uns weit unter Wert verkaufen". Seiner Meinung nach machte der ERC die "kleinen Dinge" falsch, die sich bei seiner genaueren Erklärung als gar nicht so klein herausstellten: zu viele verlorene Zweikämpfe, zu viele zugelassene hochkarätige Chancen.

Karri Rämö, der von den ersten elf Schüssen auf seinen Kasten nur sechs abwehren konnte, machte im Schlussdrittel Platz für Stettmer, der fehlerlos blieb und noch zwei Tore seines Teams sah (Höfflin 44., Bodie 49.). Nach der Schlusssirene galt aber immer noch das, was Höfflin schon vor dem Spiel angesprochen hatte: Es sei egal, wo der ERC mit dem Punkten beginne, "aber wir müssen jetzt anfangen".

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